2016-09-19

Wie der als Mystik sich ausgebende Materialismus die Spiritualität unterläuft und das Bewusstsein begrenzt

von Matthew Butler auf conciousreporter.com; übersetzt von Taygeta


Das Gesetz der Anziehung ist ein populärer, wild um sich greifender, moderner mystischer Volksglaube, der als ein Geheimnis hochgejubelt wurde, das einen jeden Wunsch erfüllen wird. Es hat grosse Unterstützung durch Prominente erhalten, und Handelsprodukte, die es aufbereiten verkaufen sich in Hülle und Fülle. Aber unter der glänzenden Fassade verbirgt sich oft eine Agenda, die Egozentrismus und Gier in ein metaphysisches Gewand kleidet, welches das Bewusstsein begrenzt und die Spiritualität mit oberflächlichem Materialismus unterläuft.

Im Laufe der Geschichte sind sehr viele spirituelle Traditionen entstanden, und obwohl es Unterschiede zwischen ihnen gibt, findet man bei ihnen ein gemeinsames, häufig wiederkehrendes Prinzip, nämlich dass Gier und Spiritualität sich nicht vereinbaren lassen. Anerkannte spirituelle Lehrer wie Jesus oder Buddha haben in ihren Lehren oder ihrem Lebensstil keineswegs die Gier gefördert – ganz im Gegenteil: sie wiesen darauf hin, dass Gier und Egozentrismus überwunden werden müssen.

In vielen spirituellen Traditionen wird Gier als ein Hindernis oder eine Falle angesehen, die uns daran hindert, einen höheren Sinn im Leben zu erkennen und zu erfüllen. Denn sie macht uns egoistisch und besessen von flüchtigen Dingen. Es ist uns schon lange gelehrt worden, dass Verzicht auf egoistische Wünsche und selbstlose Hilfe für andere notwendig ist, um Erlösung oder Befreiung zu erlangen.

Aber dieses Prinzip ist in einer Welt der kommerzialisierten Spiritualität zunehmend auf den Kopf gestellt worden. Einige wollen beides: ein spirituelles oder metaphysischen Leben verfolgen und gleichzeitig alle ihre (egoistischen) materiellen Wünsche erfüllt haben. Und jene, die diese Botschaft verkaufen (und die Wirtschaftsunternehmen dahinter), können mit diesen falschen Versprechen eine Menge Geld verdienen. Aber zu welchem Preis?

Der Marktplatz der spirituellen Ideen

Jene, die über die starren Begrenzungen der traditionellen religiösen Institutionen hinaus schauen, haben eine scheinbar unbegrenzte Auswahl an Alternativen in Bezug auf das, was „New Age“-Spiritualität genannt wird und sich mit der „Körper-Seele-Geist“- und „Selbsthilfe“-Szene überschneidet.

Die Freiheit, alternative und vielfältige spirituelle Überzeugungen offen in der Gesellschaft zu erkunden, ist eine wunderbare Sache. Aber im heutigen Zeitalter des Massenkonsums haben clevere Menschen erkannt, dass sie eine Menge Geld machen können durch den Verkauf von Botschaften, die den spirituellen Sehnsüchten der Menschen in einer kommerziell ansprechende Art und Weise gerecht werden.

Die New Age-Szene ist vielfältig, mit ursprünglichen und grundlegenden, echten Elementen, aber wie bei vielen anderen alternativen sozialen Bewegungen gibt es diejenigen, die unweigerlich versuchen, sie für kommerzielle Zwecke auszunutzen. In diesem Prozess können spirituelle Ideale vereinnahmt und vermarktet werden, und gewisse Unternehmen und die Autoren, die sie unterstützen, versuchen, den Markt zu Zwecken des Profits zu erschliessen.

Diese Kommerzialisierung beeinflusst unweigerlich die jeweilige Botschaft, und die attraktivsten Botschaften erhalten auch die grösste Unterstützung durch wirtschaftliche Unternehmen. Bei den attraktivsten Nachrichten handelt es sich in der Regel um solche Versionen der Spiritualität, die mit einer schmackhaften Schicht aus Zuckerguss versehen wurden, und bei der die harten und schwierigen Teile herausgenommen wurden.

Wenn kommerzielle Interessen den Kurs der Spiritualität bestimmen, läuft das dem Wesen der Spiritualität entgegen, und so es nicht verwunderlich, dass dann durch einen solchen Prozess eine Botschaft nicht nur verzerrt, sondern sogar vollständig ins Gegenteil verkehrt werden kann.
Das Gesetz der Anziehung als mystische Gier

Dies wird vielleicht am deutlichsten, wenn man die Popularität der entsprechend umgestalteten Lehren über das „Gesetz der Anziehung“, „positives Denken“ und „Manifestation“ anschaut, für die es eine Reihe von Produkten auf dem Markt gibt, und von denen einige sehr verbreitet und erfolgreich sind, unterstützt auch durch prominente Persönlichkeiten.

Die zugrunde liegende Prämisse ist „Gleiches zieht Gleiches an“, und dass man das anzieht, woran man denkt. Man kann also seine Gedanken ändern, um das zu ändern, was man in seinem Leben anziehen will. Wenn man also an positive Dinge denkt, wird man diese anziehen, und wenn man negativ denkt, wird man schlimme Dinge anziehen.

Sie kannst alles manifestieren, was du möchtest.

Offensichtlich liegt darin eine Wahrheit – bis zu einem gewissen Punkt. Wenn du zum Beispiel die ganze Zeit über böse Gedanken hegst ist es wahrscheinlich, dass du auch im Ärger handelst und andere zu ärgerlichem Handeln provozierst. Und damit wiederum machst du dich erst recht selbst wütend. Indem du also negative Gedankenmuster änderst, kann das bis zu einem gewissen Grad die Umstände ändern, die du anziehst.

Das Gesetz der Anziehung wird jedoch oft als eine Art magische ‚Aladins Wunderlampe’ präsentiert, die dir alles gibt, was du dir wünschst. Wenn du dir ein neues Auto vorstellst, wird es sich materialisieren. Wenn du an einen attraktiven neuen Partner denkst oder an einen tollen neuen Job, wirst du das auch bekommen. Wenn du daran denkst reich zu werden, wird es geschehen. Du musst es dir nur vorstellen und an das verwirklichte Ergebnis glauben, und es wird sich „manifestieren“. Das Universum bieten dir alles, was du begehrst, wenn du nur daran denkst und daran glaubst – eine Art mystische Kraft geboren aus der Gier.

Nicht alle Vertreter des Gesetzes der Anziehung sehen das so eklatant materialistisch, aber es ist nicht zu leugnen, dass einige der beliebtesten Versionen dieser Theorie dir die Karotte vor der Nase baumeln lassen, indem sie dir so Reichtum, Erfolg und die Erfüllung aller Wünsche versprechen.

Metaphysischer Materialismus

Eine offensichtliche Gefahr dieses Denkens ist, dass es Wahn anregen kann. Menschen können nicht alles haben, was sie wollen, das Gegenteil zu behaupten kann in den Menschen falsche Hoffnungen erwecken. Ein weiteres grosses Problem ist, dass diese Art Lehre leicht Egoismus, Masslosigkeit und Gier anregen kann und die Ansicht fördern kann, dass das Universum irgendwie mystisch für eine metaphysisch Belohnung des Egoismus konzipiert sein soll – und dabei die Auffassung bestärkt, dass Glück und Erfolg daran gemessen werden, was man in der Welt erwerben kann.

Wenn dieser Glauben als Mittel betrachtet wird, um sich jeden Wunsch zu erfüllen, dann kann er zu etwas völlig Antispirituellem werden – zu einer Art metaphysischem Materialismus oder einer Gier mit einem mystischen Glanz, der es dem Menschen ermöglicht, auf mystische Weise alle weltlichen Wünsche zu manifestieren und so gleichzeitig zu Egozentrismus ermutigt.

Die Menschen zu ermutigen, ihr Glück in äusseren Dingen zu suchen, durch Konsum und Status, mag zwar den Wirtschaftsunternehmen bequem und passend sein, aber es läuft wesentlichen geistigen Prinzipien zuwider.

Seit wann war Gier ein mystischer Weg zum Glück?

Der fiktive Gordon Gecko sagte einst „Gier ist gut“, aber er war ein Wall-Street-Börsenmakler, dessen Gier ihn ins Gefängnis brachte. Seine Geisteshaltung findet man nicht in echten spirituellen Lehren.

Gier und Spiritualität passen nicht zusammen

Wir brauchen uns nur bekannten spirituellen Lehren zuzuwenden um zu sehen, wie verkehrt einige der beliebtesten metaphysischen Selbsthilfe-Lehren über das Gesetz der Anziehung wirklich sind.



Jesus lehnt „alle die Königreiche der Erde und ihren Glanz“ ab.

Jesus sagte einst:

Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost sie zunichte machen, und wo Diebe einbrechen und stehlen; legt euch vielmehr Schätze im Himmel an, wo weder Motte noch Rost sie zunichte machen, und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen: denn wo dein Schatz ist, dort wird auch dein Herz sein…

Niemand kann zwei Herren dienen; entweder wird er den einen hassen und den andern lieben; oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr können nicht Gott und dem Mammon dienen.

Das Gesetz der Anziehung kann ganz klar einige Leute dazu ermuntern, ihr Herz der falschen Sache anhangen lassen … dem Mammon – dem allegorischen Gott der Gier.

Es steht auch geschrieben, dass nachdem er 40 Tage und Nächte in der Wildnis gefastet hatte, Jesus vom Teufel versucht wurde, der ihm „alle Königreiche der Welt und ihre Pracht“ anbot. Jesus lehnte dies ab und wählte dafür das Königreich des Himmels. Er sagte auch, dass das Himmelreich in euch ist, und dass es für einen reichen Mann schwierig ist es zu finden.

Viele spirituelle Anhänger und Lehrer von verschiedenen Überzeugungen sehen den Verzicht auf weltliche Begierden als einen notwendigen Schritt in Richtung einer spirituellen Erleuchtung. Es gibt verschiedene Beispiele davon in vielen Traditionen.


„Die Anbetung des Mammons“ – allegorisches Gemälde von Evelyn De Morgan über die Fallen der Gier

Von Buddha kennt man die Feststellung, dass der Wunsch die Quelle des Unglücks sei. Je mehr wir gewisse Dinge ersehnen, umso unglücklicher und unzufriedener werden wir, denn unsere Wünsche können nie gesättigt werden. Befreiung kann gefunden werden, indem man sich befreit von der Anhaftung an Wünsche, und nicht indem man ihnen frönt.

Buddha gab seinen Reichtum auf, um Erleuchtung zu erlangen und um zu lehren. Auch Franziskus gab bekanntlich ein bequemes Leben auf, um Gott näher zu sein und lebte sein Leben im selbstlosen Dienst am Nächsten.

In der Bhagavad-Gita lehrte Krishna, dass das Lösen von Anhaftungen und die selbstlose Erfüllung der Pflicht in der Welt, ohne Belohnungen zu erwarten, der Weg zur Befreiung sei:

Tue deshalb stets, was getan werden muss (deine Pflicht), ohne an den Früchten der Tätigkeit zu haften, denn wenn der Mensch ohne Anhaftung handelt, erreicht er das Höchste.

Damit meinte er nicht, dass man ein Bettler werden muss, aber er erklärte deutlich, dass das Anhängen an ein Ergebnis und an die Sinne, und das Jagen nach weltlichen Belohnungen, eine nutzlose Lebensweise sei. Doch lehren teure Vermarktungen des ‚Gesetzes der Anziehung’ oft genau das Gegenteil davon, sie ermutigen die Menschen, ihren Fokus darauf zu legen und zu glauben, alles zu bekommen, was sie wollen, statt diese Wünsche als Wahnvorstellungen zu erkennen, die sie gefangen halten, ihr Bewusstsein unterdrücken und verhindern, dass sie erwachen und inneren Frieden erreichen.

Dieser Haltung fehlt die Einsicht, dass das Leben eine Schule ist, in der wir lernen sollen, und dass Härte und Leiden Teil des Prozesses sind, durch den wir Selbst-Realisierung erreichen und das Bewusstsein erweckt wird. Die dafür erforderlichen Umstände werden nicht immer einfach sein, und wenn man sich das Leben der berühmten spirituellen Persönlichkeiten ansieht erkennt man, dass sie oft durch grosse Schwierigkeiten gingen. Dass man Schwierigkeiten begegnet ist ein Teil des Lebens, und was wir benötigen um zu wachsen ist nicht immer das, was wir wollen. Denjenigen, die glauben, dass sie alle ihre Wünsche durch positives Denken und festen Glauben an das Ergebnis manifestieren können, scheint nicht bewusst zu sein, dass je mehr sie ihren Wünschen nachjagen, sie umso mehr in das Netz der eigenen Versklavung geraten, wo doch das Leben dazu verwendet werden sollte, sich von diesen Einschränkungen zu befreien.

Ich will, dass du dieses Zeugs kaufst.

Die Gier hat Folgen im Leben eines Menschen, denn es schliesst die Tür zu echter spiritueller Freude und Liebe ab, aber es hat auch schreckliche Folgen für die Welt. Die Welt ist wegen der Gier verwüstet worden, weil die Menschen egoistisch bestrebt sind das zu bekommen, was sie gerade wollen, mit wenig Rücksicht auf die Folgen. Und wenn die Menschen in einem solch egozentrischen Zustand sind, dann lassen sich die Massen leicht dividieren und manipulieren durch die Kräfte, die noch sind. Das Verkehren der Spiritualität – die eine Möglichkeit bietet, aus diesem Schlamassel heraus zu kommen – hin zu einem Fokus der Gier und der Masslosigkeit ist tatsächlich schädlich.

Es passt dies aber natürlich den Unternehmen in unserem Wirtschaftssystem ganz gut, die von der ewigen Verzweiflung, Unzufriedenheit abhängig sind, welche die Menschen antreibt ihr Glück und die Erfüllung durch ununterbrochenen Konsum zu suchen. Aber diejenigen, die innere Freiheit anstreben und die ein echtes Erwachen des Bewusstseins suchen, sollten nicht in diese Falle tappen.

Quelle: http://transinformation.net/wie-der-als-mystik-sich-ausgebende-materialismus-die-spiritualitaet-unterlaeuft-und-das-bewusstsein-begrenzt/

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