Scharfschützen gelten als Elitesoldaten, als Helden. Chris Kyle war einer von ihnen und lässt in seinen Erinnerungen tiefe Einblicke zu, was Sniper in Kriegen jeden Tag tun. Das ist ziemlich entlarvend.
"Hart und ehrlich spricht Kyle über die Schattenseiten des Krieges und das brutale Handwerk des Tötens." So steht es im Klappentext des Riva-Verlags über Chris Kyles Buch "American Sniper". Wahrscheinlich war es keine Option zu schreiben: "Wenn sie wissen wollen, wie man es schafft, Menschen gezielt zu erschießen, lesen sie das Buch dieses zynischen Karrieresoldaten. Dann verstehen sie, dass man für den Einsatz als Scharfschütze nicht nur körperlich extrem fit sein muss. Sie lernen auch, dass man sich jeden menschlichen Skrupel abtrainieren sollte. Und sie müssen natürlich aufhören, den Feind als Menschen zu sehen."
Denn genau das hat Kyle getan und ja, darüber gibt er erschreckend ehrlich Auskunft. Iraker, egal ob Freund oder Feind, sind nur Wilde für ihn. Deshalb bereitet ihm ihr Sterben auch keine schlaflosen Nächte. Mit jedem Toten gibt es einfach nur ein Problem weniger. Aber für einen Jungen vom Land, aufgewachsen auf einer Farm in Texas, ist auch die SEAL-Karriere nichts anderes als die Cowboy-Wettbewerbe seiner Jugend. Nur, dass es diesmal nicht darum geht, sich möglichst lange auf einem Bullen zu halten. Diesmal gilt es, möglichst viele Menschen zu töten. Schließlich ist Krieg, Saddam Hussein ist gestürzt, Zeit, dem Irak amerikanische Werte und Kultur zu bringen.160 bestätigte Todesschüsse sind es bei Kyle, als er die Navy verlässt.
Doch wie das manchmal mit Memoiren so ist, erzählt auch Kyle in dem Bemühen seinen Mythos als "The Legend" zu festigen, mehr über sich selbst, als er möglicherweise beabsichtigte. Der "tödlichste Scharfschütze" in der US-Geschichte ist ein Adrenalin-Junkie, der in der Männer-Welt des Krieges all jene Charakterzüge ausleben kann, die ihn in einer Friedens-Welt im besten Fall zum Außenseiter, im schlechtesten Fall zum Verbrecher machen würden.
Narzisst mit Waffen
An jedem einzelnen Tag geht es Kyle nur um sich und seine eigenen Befindlichkeiten. Ein Narzisst, ausgestattet mit jeder Menge tödlicher Waffen und versehen mit einer Ideologie, die seinem Wunsch zu töten etwas Ehrenhaftes gab. "Ich konnte es kaum abwarten, bis die Schlacht endlich losgeht. Ich wollte ein Ziel. Ich wollte jemanden erschießen. Ich musste nicht lange warten."
Eindringlich nennt der Verlag diese Autobiographie. Doch schon wenige Sätze von Chris Kyle drängen einem eher eine Beschreibung wie verstörend auf. "Wen auch immer ich erschossen habe, war böse. Ich hatte einen guten Grund für jeden Schuss." Zehn Jahre im Kampf gegen den Terror und niemals der geringste Zweifel oder der kleinste Irrtum? Für diese Fragen hat Chris Kyle keine Verwendung: "Sie hatten es alle verdient, zu sterben." So wie jeder, der in einer Kneipenschlägerei an den SEAL Kyle geriet, besser daran getan hätte, weiter in sein Bier zu starren. Oder so, wie seine Frau akzeptieren musste, dass in Kyles Rangfolge des Lebens erst Gott kam, dann die Vereinigten Staaten und erst sehr viel weiter hinten seine Ehefrau und die beiden Kinder.
Ja, in diesem Punkt ist die Verlags-PR erstaunlich präzise: "American Sniper ist das Psychogramm eines Scharfschützen und ein fesselnder Augenzeugenbericht aus dem Krieg, den nur ein Mann erzählen kann." Es hätte aber auch genauso gut heißen können: American Sniper ist ein Hinweis darauf, wie man es als gefühlskalter Psychopath trotzdem zu höchsten gesellschaftlichen Ehren bringen kann.
Quelle: n-tv.de
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