Die Psychoenergetik nach Schellenbaum verfolgt einen spannenden Ansatz: Kleinste Bewegungen oder Lebensäußerungen werden als Zeichen eines sich offenbaren wollenden Potenzials gedeutet und in sogenannten Spontanritualen eingeladen, sich zu zeigen. Dabei kommen oft spirituelle Inhalte an die Oberfläche, Erfahrungen von All-Einheit und Heiligkeit, die tief transformierend wirken.
Peter Schellenbaum, geboren 1939 in Winterthur, ehemals katholischer Pfarrer und Lehranalytiker am C. G. Jung-Institut, erweiterte den Ansatz C. G. Jungs um die Dimension des Leiblichen und um den Begriff der vorstrukturierten Energieerfahrung. Daraus entwickelte er die Methode der Psychoenergetik oder der Leib-Psychotherapie nach Schellenbaum, kurz Psychoenergetik genannt, die er in bisher 13 Büchern beschrieb.
Die Methode führt aus dem engen Ich-Verhaftet-Sein früherer tiefenpsychologischer Ansätze hinaus. Sie versteht sich nicht nur im psychotherapeutischen Sinne des Heilens, sondern vor allem als Prozess und Weg zum sinnlichen Erwachen zu sich selbst in Verbindung zum Du und zur Welt. So stellt die Psychoenergetik kein festes Lehrgebäude dar, das anhand theoretischer Erkenntnisse und Strukturen erfassbar und nur auf bestimmte psychische Störungen anwendbar ist. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine tiefenpsychologische Methode, die ganz allgemein blockierte menschliche Lebensenergie wieder zum Fließen bringen kann.
Wie können wir uns das vorstellen? Die Arbeit C. G. Jungs wurde vor allem durch die Strukturierung der psychologischen Typen und Funktionen geprägt sowie durch die Herausarbeitung der Archetypen und des kollektiven Unbewussten. Begriffe wie introvertiert, extravertiert, Anima, Animus und Schatten gehören inzwischen zum allgemeinen Wortschatz für diejenigen, die sich mit traumatischen Erlebnissen, deren Auflösung und psychischer Integration sowie mit dem Thema Individuation beschäftigen.
Potential, das zur Entwicklung drängt
Auch in der Psychoenergetik dreht sich alles um das Auflösen von Blockaden, um Individuation und um die Entfaltung unseres Lebenspotentials. Jedoch geht die Psychoenergetik davon aus, dass in jedem Menschen vom Beginn seines Lebens an eine Energie existiert, die naturbedingt zur Entwicklung drängt. Diese Entwicklungsenergie zeigt sich in direkter oder versteckter Form im körperlichen Ausdruck bei der verbalen Äußerung einer psychisch aufgeladenen Situation. Diesem Ausdruck bewusst nachzuspüren, um dem ans Tageslicht zu verhelfen, was in uns lebendig sein will, ist der Kern-Ansatz der Psychoenergetik. Das bedeutet, sich auf diese innere Entwicklungskraft einzulassen, die aus uns selbst heraus wegweisend ist und uns zur Wandlung drängt. Diese Entwicklungsmacht zeigt sich zunächst als winziges leibliches Energiesignal innerhalb unseres konkreten Lebens beim Schildern einer energiegeladenen Situation. Geht man dieser Spur nach und gibt diesem Impuls im Bewusstsein genügend Raum, kann dadurch ein größerer Entwicklungsschritt eingeleitet werden, wie bei einer Geburt. Dieser jedoch ist bei jedem Menschen ein anderer und daher weder planbar noch vorhersehbar. Vielmehr ergibt er sich aus dem eigenen Potential, das ins Leben drängt. Begleitet und in wacher Resonanz mit dem Therapeuten erhält der Klient die Ermutigung, die er braucht, um den eigenen Schritt zu tun und auf eigene Weise im größeren Ganzen mitzuschwingen. Das macht Psychoenergetik nicht nur für den therapeutischen, sondern für jeden anderen Entwicklungsprozess handhabbar. Dazu sagt Schellenbaum: „Die Psychoenergetik richtet ihre Aufmerksamkeit gleichzeitig auf die `winzige Bewegung` des Körpers und die verbale Äußerung. Würde sie das eine oder andere aus dem Auge verlieren, wäre das Gespür für die derzeitige Energiebewegung oder -stockung verloren … Die Grundfrage lautet also immer: Befinde ich mich in einer ganzheitlichen Lebensbewegung oder stocke ich?“
Spürbewusstsein
Der Begriff „Spürbewusstsein“ gehört zur unmittelbaren Arbeit. Er bezeichnet denjenigen Prozess, der spürend nach der Entschlüsselung der leiblichen Botschaft aus dem Unbewussten sucht und dabei die Beziehung zur jetzigen Lebenssituation herstellt. Spürbewusstsein ist damit ein Akt der Zuwendung und Hingabe an das Leben, wie es sich gerade in mir regt. Als unvoreingenommene, nicht wertende Wahrnehmung dessen, was ist, realisiert Spürbewusstsein die Grunddimension der Liebe. Es ist Demut im Sinne des Verzichts darauf, anders sein zu wollen, als man ist.
Dabei legt Psychoenergetik Wert auf die Verwendung des Wortes „Leib“, der hier als geistig-beseelter Körper gilt, als das „Bauchgefühl“ oder als „siebter Sinn“. Mit dem Leib ist bei Schellenbaum stets der beseelte und geistig reflektierte Körperausdruck gemeint, im Gegensatz zum nur physischen und reflexhaften Körper.
(Ohne hier näher darauf einzugehen sei an dieser Stelle auf die Psycho-Bionik und die Alexander-Methode verwiesen, die genau umgekehrt arbeiten. Hier werden mit Bewusstmachung des Traumas und zielgerichteten Gedanken Fehlhaltungen und Krankheiten des Körpers zugunsten gesünderer Haltungen verändert. Doch auch hier dient die Einheit von Körper, Psyche und Geist als Grundlage.)
Die Psychoenergetik sieht gelungene Entwicklung immer in Verbindung zum Du und zur Welt und ist deshalb am effektivsten in Gruppen wirksam. Das heißt, in einem lebendigen Prozess, in dem sowohl die individuelle als auch die bezogene Lebensenergie freigesetzt und wirksam werden kann, denn seelische Wandlung findet nie in isolierter Individuation statt, sondern sie wird geweckt und getragen durch ein förderndes soziales Umfeld. So wird der individuelle Prozess eines Klienten immer in Resonanz mit einer Gruppe erlebt, als Erfahrung der Identität in Beziehung zum Du, zur Welt. Viele spontane Gesten eines Klienten besitzen rituellen Charakter und sie erhalten dann im Akt der Wiederholung durch die Gruppe eine unterstreichende, vertiefende, eindrücklichere, ja, oft sogar religiöse Bedeutung, wie beim Gesang eines Chores. Das heißt, es geht bei dieser Methode auch um die Beziehung zum Universalen und zur All-Einheit, weshalb Psychoenergetik auch die spirituelle Erfahrung mit einbezieht – ja, sogar hervorruft.
Spontanrituale führen zu einer von innen formenden zentralen Macht
So schreibt Schellenbaum: „Manchmal erwähnen Selbstinitianden nach erfolgtem Spontanritual die religiöse Gestimmtheit, in der sie dieses erlebt hätten. Sie verstehen darunter, dass sie sich einer von innen her formenden zentralen ‚Macht‘ überlassen haben, und eben dies ist ein Kennzeichen religiösen Erlebens. Therapie und Religiosität sind miteinander identisch, falls beide als die Einstellung begriffen werden, durch die der Mensch sich den Selbstgestaltungsimpulsen wach und mithandelnd überlässt.“ 2
Doch wie können wir uns das in der praktischen Arbeit vorstellen? Ganz konkret wird bei einem therapeutischen Gruppengeschehen, dem Spontanritual, ein Klient in die Mitte des Kreises gebeten und aufgefordert, eine energiegeladene Situation zu schildern. Das kann ein Traum oder eine Lebenssituation oder ein gerade anstehendes Problem sein, das er oder sie zu lösen hat. Die mitspürenden Gruppenteilnehmer werden dabei als „dritter Leib“ bezeichnet. Aufmerksam verfolgen Therapeut und Gruppenteilnehmer alle körperlichen Bewegungen und Gesten während der Schilderung, um zu erspüren, wo sich ein energiegeladener Ausdruck zeigt. Das kann eine plötzliche kleine Bewegung sein, die etwas Gesagtes unterstreicht, oder aber ein winziges Steckenbleiben im Bewegungsfluss, das zum Geschilderten im Widerspruch steht. Es kann eine veränderte Atmung, ein Unterschied in der stimmlichen Modulation, ein verlangsamter Schritt, ein Heben oder Senken der Stimme, eine Selbstberührung, ein plötzlicher Schmerz und vieles andere sein. Auf jeden Fall aber ist es ein Signal, das den aufmerksam spürenden Teilnehmern, die sich in Resonanz mit dem Klienten befinden, nicht entgeht und sich in einem einzigen Moment ereignet. Dieser Moment wird „existenzieller Moment der Empfängnis“ genannt. Ein Moment, der etwas Heiliges an sich hat, denn es ist ein Erwachen zu sich selbst, ein totales Staunen angesichts dessen, worin wir uns vorfinden – wie es im Moment einer großen Liebe, die in uns aufbricht, geschieht. Dieses „Heilige“ wird in der Psychoenergetik als „inhaltslose Religion“ bezeichnet. Doch welches Erleben ist gemeint?
Psychoenergetik: Die Verbindung von westlichem und östlichem Denken zu einer realistischen und praktischen Therapiemethode
Ich erinnere mich an ein Spontanritual, in dem eine Klientin ein Problem mit ihrer Tochter schilderte und keine Lösung fand. Peter Schellenbaum forderte alle Frauen in der Gruppe auf, sich zu melden, falls sie eine Tochter hätten. Wir bildeten einen Kreis um die Klientin und sagten nacheinander spontan, wie wir uns verhalten würden. Die Klientin hörte sich alles an und wurde dann gefragt, was sie am meisten ergriffen hätte. Sie sagte dann ebenso spontan, welche Äußerung es war und an welcher Stelle sie dies körperlich gespürt hatte. Wir wiederholten nun alle diese Äußerung, legten die Hände auf dieselbe Körperstelle und spürten die Kraft, die vom inneren Impuls dieser Problemlösung und von der momentanen Einheit von uns „Töchtermüttern“ ausging. Jedoch wurde dies weder als „emanzipatorisch“, noch als „magischer Kreis“ noch als „matriarchal“ noch anderweitig gedeutet, denn es ging nur um den speziellen Entwicklungsschritt dieser Klientin im Jetzt, nicht um eine verallgemeinernde Wahrheit. Bei anderen Spontanritualen entstanden auch männliche Kreise, gemischte Kreise, Traumaufstellungen usw., und jedes Mal enthielt dieser einzelne Schritt die Kraft des mystischen Erlebens, ohne dass ein religiöser Inhalt benannt werden musste.
Damit vereint Psychoenergetik westliches und östliches Denken zu einer realistischen und praktischen Therapiemethode, die uns heutigen Menschen nicht nur helfen kann zu leben, sondern auch die Kraft hat, Menschen mit verschiedensten spirituellen Erfahrungen zu verbinden.
Lietratur: „Die Spur des verborgenen Kindes“, dtv München, 1998, S. 23 und Nimm deine Couch und geh, Kösel-Verlag 1992, S. 51
Quelle: https://www.sein.de/die-psychoenergetik-nach-schellenbaum-was-aus-uns-heraus-ins-leben-draengt/
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Die Methode führt aus dem engen Ich-Verhaftet-Sein früherer tiefenpsychologischer Ansätze hinaus. Sie versteht sich nicht nur im psychotherapeutischen Sinne des Heilens, sondern vor allem als Prozess und Weg zum sinnlichen Erwachen zu sich selbst in Verbindung zum Du und zur Welt. So stellt die Psychoenergetik kein festes Lehrgebäude dar, das anhand theoretischer Erkenntnisse und Strukturen erfassbar und nur auf bestimmte psychische Störungen anwendbar ist. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine tiefenpsychologische Methode, die ganz allgemein blockierte menschliche Lebensenergie wieder zum Fließen bringen kann.
Wie können wir uns das vorstellen? Die Arbeit C. G. Jungs wurde vor allem durch die Strukturierung der psychologischen Typen und Funktionen geprägt sowie durch die Herausarbeitung der Archetypen und des kollektiven Unbewussten. Begriffe wie introvertiert, extravertiert, Anima, Animus und Schatten gehören inzwischen zum allgemeinen Wortschatz für diejenigen, die sich mit traumatischen Erlebnissen, deren Auflösung und psychischer Integration sowie mit dem Thema Individuation beschäftigen.
Potential, das zur Entwicklung drängt
Auch in der Psychoenergetik dreht sich alles um das Auflösen von Blockaden, um Individuation und um die Entfaltung unseres Lebenspotentials. Jedoch geht die Psychoenergetik davon aus, dass in jedem Menschen vom Beginn seines Lebens an eine Energie existiert, die naturbedingt zur Entwicklung drängt. Diese Entwicklungsenergie zeigt sich in direkter oder versteckter Form im körperlichen Ausdruck bei der verbalen Äußerung einer psychisch aufgeladenen Situation. Diesem Ausdruck bewusst nachzuspüren, um dem ans Tageslicht zu verhelfen, was in uns lebendig sein will, ist der Kern-Ansatz der Psychoenergetik. Das bedeutet, sich auf diese innere Entwicklungskraft einzulassen, die aus uns selbst heraus wegweisend ist und uns zur Wandlung drängt. Diese Entwicklungsmacht zeigt sich zunächst als winziges leibliches Energiesignal innerhalb unseres konkreten Lebens beim Schildern einer energiegeladenen Situation. Geht man dieser Spur nach und gibt diesem Impuls im Bewusstsein genügend Raum, kann dadurch ein größerer Entwicklungsschritt eingeleitet werden, wie bei einer Geburt. Dieser jedoch ist bei jedem Menschen ein anderer und daher weder planbar noch vorhersehbar. Vielmehr ergibt er sich aus dem eigenen Potential, das ins Leben drängt. Begleitet und in wacher Resonanz mit dem Therapeuten erhält der Klient die Ermutigung, die er braucht, um den eigenen Schritt zu tun und auf eigene Weise im größeren Ganzen mitzuschwingen. Das macht Psychoenergetik nicht nur für den therapeutischen, sondern für jeden anderen Entwicklungsprozess handhabbar. Dazu sagt Schellenbaum: „Die Psychoenergetik richtet ihre Aufmerksamkeit gleichzeitig auf die `winzige Bewegung` des Körpers und die verbale Äußerung. Würde sie das eine oder andere aus dem Auge verlieren, wäre das Gespür für die derzeitige Energiebewegung oder -stockung verloren … Die Grundfrage lautet also immer: Befinde ich mich in einer ganzheitlichen Lebensbewegung oder stocke ich?“
Spürbewusstsein
Der Begriff „Spürbewusstsein“ gehört zur unmittelbaren Arbeit. Er bezeichnet denjenigen Prozess, der spürend nach der Entschlüsselung der leiblichen Botschaft aus dem Unbewussten sucht und dabei die Beziehung zur jetzigen Lebenssituation herstellt. Spürbewusstsein ist damit ein Akt der Zuwendung und Hingabe an das Leben, wie es sich gerade in mir regt. Als unvoreingenommene, nicht wertende Wahrnehmung dessen, was ist, realisiert Spürbewusstsein die Grunddimension der Liebe. Es ist Demut im Sinne des Verzichts darauf, anders sein zu wollen, als man ist.
Dabei legt Psychoenergetik Wert auf die Verwendung des Wortes „Leib“, der hier als geistig-beseelter Körper gilt, als das „Bauchgefühl“ oder als „siebter Sinn“. Mit dem Leib ist bei Schellenbaum stets der beseelte und geistig reflektierte Körperausdruck gemeint, im Gegensatz zum nur physischen und reflexhaften Körper.
(Ohne hier näher darauf einzugehen sei an dieser Stelle auf die Psycho-Bionik und die Alexander-Methode verwiesen, die genau umgekehrt arbeiten. Hier werden mit Bewusstmachung des Traumas und zielgerichteten Gedanken Fehlhaltungen und Krankheiten des Körpers zugunsten gesünderer Haltungen verändert. Doch auch hier dient die Einheit von Körper, Psyche und Geist als Grundlage.)
Die Psychoenergetik sieht gelungene Entwicklung immer in Verbindung zum Du und zur Welt und ist deshalb am effektivsten in Gruppen wirksam. Das heißt, in einem lebendigen Prozess, in dem sowohl die individuelle als auch die bezogene Lebensenergie freigesetzt und wirksam werden kann, denn seelische Wandlung findet nie in isolierter Individuation statt, sondern sie wird geweckt und getragen durch ein förderndes soziales Umfeld. So wird der individuelle Prozess eines Klienten immer in Resonanz mit einer Gruppe erlebt, als Erfahrung der Identität in Beziehung zum Du, zur Welt. Viele spontane Gesten eines Klienten besitzen rituellen Charakter und sie erhalten dann im Akt der Wiederholung durch die Gruppe eine unterstreichende, vertiefende, eindrücklichere, ja, oft sogar religiöse Bedeutung, wie beim Gesang eines Chores. Das heißt, es geht bei dieser Methode auch um die Beziehung zum Universalen und zur All-Einheit, weshalb Psychoenergetik auch die spirituelle Erfahrung mit einbezieht – ja, sogar hervorruft.
Spontanrituale führen zu einer von innen formenden zentralen Macht
So schreibt Schellenbaum: „Manchmal erwähnen Selbstinitianden nach erfolgtem Spontanritual die religiöse Gestimmtheit, in der sie dieses erlebt hätten. Sie verstehen darunter, dass sie sich einer von innen her formenden zentralen ‚Macht‘ überlassen haben, und eben dies ist ein Kennzeichen religiösen Erlebens. Therapie und Religiosität sind miteinander identisch, falls beide als die Einstellung begriffen werden, durch die der Mensch sich den Selbstgestaltungsimpulsen wach und mithandelnd überlässt.“ 2
Doch wie können wir uns das in der praktischen Arbeit vorstellen? Ganz konkret wird bei einem therapeutischen Gruppengeschehen, dem Spontanritual, ein Klient in die Mitte des Kreises gebeten und aufgefordert, eine energiegeladene Situation zu schildern. Das kann ein Traum oder eine Lebenssituation oder ein gerade anstehendes Problem sein, das er oder sie zu lösen hat. Die mitspürenden Gruppenteilnehmer werden dabei als „dritter Leib“ bezeichnet. Aufmerksam verfolgen Therapeut und Gruppenteilnehmer alle körperlichen Bewegungen und Gesten während der Schilderung, um zu erspüren, wo sich ein energiegeladener Ausdruck zeigt. Das kann eine plötzliche kleine Bewegung sein, die etwas Gesagtes unterstreicht, oder aber ein winziges Steckenbleiben im Bewegungsfluss, das zum Geschilderten im Widerspruch steht. Es kann eine veränderte Atmung, ein Unterschied in der stimmlichen Modulation, ein verlangsamter Schritt, ein Heben oder Senken der Stimme, eine Selbstberührung, ein plötzlicher Schmerz und vieles andere sein. Auf jeden Fall aber ist es ein Signal, das den aufmerksam spürenden Teilnehmern, die sich in Resonanz mit dem Klienten befinden, nicht entgeht und sich in einem einzigen Moment ereignet. Dieser Moment wird „existenzieller Moment der Empfängnis“ genannt. Ein Moment, der etwas Heiliges an sich hat, denn es ist ein Erwachen zu sich selbst, ein totales Staunen angesichts dessen, worin wir uns vorfinden – wie es im Moment einer großen Liebe, die in uns aufbricht, geschieht. Dieses „Heilige“ wird in der Psychoenergetik als „inhaltslose Religion“ bezeichnet. Doch welches Erleben ist gemeint?
Psychoenergetik: Die Verbindung von westlichem und östlichem Denken zu einer realistischen und praktischen Therapiemethode
Ich erinnere mich an ein Spontanritual, in dem eine Klientin ein Problem mit ihrer Tochter schilderte und keine Lösung fand. Peter Schellenbaum forderte alle Frauen in der Gruppe auf, sich zu melden, falls sie eine Tochter hätten. Wir bildeten einen Kreis um die Klientin und sagten nacheinander spontan, wie wir uns verhalten würden. Die Klientin hörte sich alles an und wurde dann gefragt, was sie am meisten ergriffen hätte. Sie sagte dann ebenso spontan, welche Äußerung es war und an welcher Stelle sie dies körperlich gespürt hatte. Wir wiederholten nun alle diese Äußerung, legten die Hände auf dieselbe Körperstelle und spürten die Kraft, die vom inneren Impuls dieser Problemlösung und von der momentanen Einheit von uns „Töchtermüttern“ ausging. Jedoch wurde dies weder als „emanzipatorisch“, noch als „magischer Kreis“ noch als „matriarchal“ noch anderweitig gedeutet, denn es ging nur um den speziellen Entwicklungsschritt dieser Klientin im Jetzt, nicht um eine verallgemeinernde Wahrheit. Bei anderen Spontanritualen entstanden auch männliche Kreise, gemischte Kreise, Traumaufstellungen usw., und jedes Mal enthielt dieser einzelne Schritt die Kraft des mystischen Erlebens, ohne dass ein religiöser Inhalt benannt werden musste.
Damit vereint Psychoenergetik westliches und östliches Denken zu einer realistischen und praktischen Therapiemethode, die uns heutigen Menschen nicht nur helfen kann zu leben, sondern auch die Kraft hat, Menschen mit verschiedensten spirituellen Erfahrungen zu verbinden.
Lietratur: „Die Spur des verborgenen Kindes“, dtv München, 1998, S. 23 und Nimm deine Couch und geh, Kösel-Verlag 1992, S. 51
Quelle: https://www.sein.de/die-psychoenergetik-nach-schellenbaum-was-aus-uns-heraus-ins-leben-draengt/
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