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2016-03-16

Die Analyse der ältesten menschlichen DNA stellt unsere Evolution auf den Kopf


Dem Evolutionsbiologen Matthias Meyer vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig ist es gelungen, die älteste menschliche DNA zu sequenzieren, die jemals entdeckt wurde. Die Ergebnisse, welche die in Nordspanien gefundenen Fossilien liefern, sind so spektakulär, dass möglicherweise sogar wichtige Entwicklungsschritte der menschlichen Evolution umgeschrieben werden müssten.

Die 430.000 Jahre alten Skelette wurden bereits 1997 in der Höhle Sima de los Huesos, der „Knochengrube“, entdeckt. Bisher nahm man an, es handele sich um frühe Vorfahren des Neandertalers, doch eine diese Woche in Nature veröffentlichte Studie zeigt, dass es sich bei den 28 Skeletten bereits um vollständige Neandertaler handelt. Das würde die Ursprünge des Neandertalers um 100.000 Jahre vordatieren.


Mit solch einer neuen Zeitrechnung müsste auch ein anderes wichtiges Ereignis der Menschheitsgeschichte neu betrachtet werden: Die Trennung der Neandertaler vom in Sibirien lebenden Denisova-Mensch. Denn die neuen Ergebnisse legen nun nahe, dass die Abspaltung der Steinzeitmenschen, die auf die gleichen Urahnen zurückzuführen sind, zur Zeit der spanischen Sima-Menschen bereits stattgefunden hatten.

Eine 2013 von denselben Forschern veröffentlichte Studie besagt nämlich, dass die mitochondrielle DNA (die doppelsträngige DNA im Inneren der zelleigenen Motochondrien) den Denisova-Menschen ähnlicher als den Neandertalern sei. Die Denisova hatten sich jedoch später tausende Kilometer entfernt im Süden Sibiriens angesiedelt und sind zwar eng mit dem Neandertaler und dem modernen Homo sapiens verwandt, genetisch jedoch von beiden unterschiedlich.

„Diese Ergebnisse liefern uns wichtige Ankerpunkte für die Zeitlinie der menschlichen Evolution“, so der an der Forschung beteiligte Evolutionsgenetiker Svante Pääbo in einer Erklärung des Max-Planck-Instituts. „Diese stimmen mit einer sehr frühen Abweichung der Erblinie des modernen Menschen von dem archaischen Menschen überein.“

Die DNA-Analyse lässt nun den Schluss zu, dass sich die Trennung der beiden Urzeitmenschen-Gattungen bereits vor 765.000 Jahren vollzogen haben muss. Vorherige Studien hatten diese Abspaltung auf einen Zeitraum von 315.000 bis 540.000 Jahren geschätzt, was jedoch Unstimmigkeiten in einigen Fossilfunden aufwirft. Diese ließen sich mit den neuen Ergebnissen erklären.


Ausgrabungsarbeiten in der Sima de los Huesos | Bild: Javier Trueba, Madrid Scientific Films

Wenn die Ergebnisse und daraus folgenden Interpretationen korrekt sind, dann müsste ein Teil der menschlichen Evolution neu geschrieben werden. Denn der bisher als Urahn aller modernen Menschen, Neandertaler und auch Denisova-Menschen angesehene Homo heidelbergensis könnte somit nicht die Wiege der Menschheit sein. Er hat die Erde nämlich erst ungefähr 65.000 Jahre nach der nun neu datierten Trennung der beiden Urspezies betreten.

Stattdessen könnte der neue vielversprechende Kandidat Homo antecessor unser neues Familienoberhaupt werden. Fossilien dieser Gattung werden auf ein Alter von bis zu 900.000 Jahren geschätzt und ihre Gesichtsknochen weisen bereits relativ „moderne“ Merkmale auf.

Doch die neue Studie ist nicht nur in ihren Ergebnissen über die Entwicklung der Menschheitsgeschichte spannend. Allein schon die Sequenzierung solch uralter DNA ist ein Erfolg, denn Knochen bauen sich über die Jahrtausende ab und werden dabei stark verunreinigt. Dafür dass Meyer die Nukleotid-Abfolge der DNA aus Proben eines Schneidezahns und eines Oberschenkelknochens so genau rekonstruieren konnte, erntet er von seinen Wissenschaftskollegen große Anerkennung.

„Es ist bereits sehr ambitioniert, und das auch noch zu schaffen, ist ganz besonders beeindruckend“, so Ludovic Orlando, der am dänischen Natural History Museum über antike DNA forscht. Wir dürfen gespannt sein, welche Erkenntnisse über unsere Evolution die archäologischen Analysen uralter DNA noch bergen.

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