Für die Zuschauer des Eurovision Song Contest war der Fall klar: Der russische Superstar Sergey Lazarev lieferte mit seinem Song „You are the only one“ die beste Show und gewann mit 361 Punkten eindeutig das Voting.
Doch neben den Zuschauern haben auch die Jurys ein Wörtchen mitzureden bei der Frage, wer alljährlich das Musikspektakel gewinnt - und damit im Folgejahr austragen darf. Denn diese Frage ist von zu großer wirtschaftlicher und politischer Bedeutung, als das man sie nur dem Publikum überlassen will.
So reicht der lange Arm der Veranstalterorganisation European Broadcasting Union (EBU) bis in die Jurys der Teilnehmerländer. Im Ergebnis gewann nicht etwa Russland in diesem Jahr den ESC, sondern die ukrainische Sängerin Jamala mit ihrem politischen Song „1944“.
Schon im Vorfeld protestierte Russland gegen den Beitrag, da dieser gegen die selbstgesetzten Statuten des ESC verstoße, keine politischen Botschaften in Liedern zuzulassen. Die Ukraine und die EBU argumentierten, dass es sich um die Verarbeitung persönlicher Trauer der krimtatarischen Sängerin handele und sich der Song auf Ereignisse in der Vergangenheit beziehe.
Durchaus eine zweifelhafte Interpretation, wenn man beachtet, wie der Beitrag noch während der ESC-Übertragung von den üblichen Verdächtigen politisch ausgeschlachtet wurde.
Das alles kann passieren und ist bis dahin nur mittelmäßig skandalös, schließlich ist der ESC schon seit langem kein rein musikalisches Ereignis mehr. Zur Farce verkommt aber all das, wenn ein Insider aus EBU-Reihen bereits im Vorfeld ankündigt, die Organisation werde alles tun um einen Sieg Russlands zu verhindern.
So geschehen am Freitag vor dem Spektakel: Der britische Mirror zitierte eine Eurovision-Quelle mit den Worten:
Das Gefühl ist, dass die European Broadcasting Union weiß, wie unpopulär ein russischer Sieg wäre und dass sie alles tun wird, was möglich ist, um anderen favorisierten Ländern zum Sieg zu verhelfen.
(The feeling is that the European Broadcasting Union know how unpopular a Russia win would be and will do everything possible to help the other favourites to victory.)
Da hilft es auch wenig wenn sich westliche Medien im Nachgang über die Reaktionen aus Russland amüsieren und das Land als "schlechten Verlierer" hinzustellen versuchen. Dass es letztendlich genau so kam, wie einen Tag zuvor in dem britischen Massenblatt angekündigt, ist evident. Dazu reicht ein vergleichender Blick auf das Abstimmungsverhalten des Publikums und der Jurys in einer Vielzahl der Länder. Für Russland stimmten diese wie folgt:
• Armenien. Zuschauer — 12 Punkte. Jury — 2 Punkte
• Australien. Zuschauer — 5 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Belgien. Zuschauer — 6 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Tschechien. Zuschauer — 10 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Estland. Zuschauer — 12 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Mazedonien. Zuschauer — 8 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Finnland. Zuschauer — 8 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Georgien. Zuschauer — 8 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Deutschland. Zuschauer — 12 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Ungarn. Zuschauer — 10 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Irland. Zuschauer — 8 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Israel. Zuschauer — 10 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Italien. Zuschauer — 8 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Litauen. Zuschauer — 8 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Polen. Zuschauer — 8 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Serbien. Zuschauer — 12 Punkte. Jury — 1 Punkte
• Slowenien. Zuschauer — 10 Punkte. Jury — 0 Punkte
• Ukraine. Zuschauer — 12 Punkte. Jury — 0 Punkte
• UK. Zuschauer — 7 Punkte. Jury — 0 Punkte
Besonders auffällig dabei ist auch, dass das ukrainische Fernsehpublikum den russischen Beitrag mit 12 Punkten bedachte. Ebenfalls 10 Punkte gab es von den russischen Zuschauern für die Ukraine. Der Verdacht drängt sich auf, dass hier vor allem ein Elitenkonflikt ausgetragen wird, den die Völker längst nicht mehr bereit sind mitzutragen.
Auch die 12 Punkte vom deutschen Publikum an Russland stehen im krassen Widerspruch zu der massiven Dämonisierungskampagne gegenüber Moskau, an denen sich deutsche Medien seit Jahren – offenbar vergeblich - abarbeiten.
Doch bei den Profijuroren zeigte die Stimmungsmache sichtlich Wirkung. Null Punkte aus Deutschland für Russland. Die deutsche Jury vergab die 12 Punkte hingegen politisch korrekt an Israel. Mit Sicherheit nicht aus musikalischen Gründen.
Dass die Schwarz-Weiss-Malerei, wonach Russland Minderheiten unterdrücke und die Post-Maidan-Ukraine ein Leuchtturm der Menschenrechte und Demokratie sei, eher ins Reich der Märchen gehört, muss die krimtatarische Sängerin Jamala nun überdies am eigenen Leib erleben. In Kiew ist längst nicht allen zum Feiern zu Mute, ob des Sieges.
Ukrainische Nationalisten zeigen sich erbost darüber, dass eine Sängerin mit multikulturellem Hintergrund das Land vertreten durfte. Igor Tokowenko von der rechtsradikalen ukrainischen Partei Swoboda wird etwa mit den Worten zitiert, Jamalas Sieg habe deutlich gemacht, dass die „Ukraine nicht für Ukrainer“ sei.
Einen Schritt weiter geht noch seine Parteikameradin Irina Farion, die auf Facebook den konservativen Publizisten Wacław Lipiński mit Worten zitierte, die in tiefbraune Ressentiments abdriften. In Bezug auf Jamala schrieb Farion:
Wird diese Verdammnis der demokratischen Ausrichtung der Nation nach den niedrigsten Menschen- und Ideentypen ewig auf der Ukraine lasten?
Im Internet formiert sich bereits Protest gegen die Entscheidung vom Samstag und den Modus der Punktevergabe beim Eurovision Song Contest. Die erfolgreichste Petition zu diesem Thema konnte bei Change.org bereits über 200.000 Unterstützer gewinnen.
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