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2016-11-09

Warum Trumps Wahlsieg NICHT überrascht: Linke-Chefin Wagenknecht im Sputnik-Interview



Wenn die Menschen vom Establishment die Nase voll haben, wählen sie gegen die „gekauften Politiker“, wie Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht im Sputnik-Interview sagt. Dass in den USA nun der Republikaner-Kandidat Donald Trump Präsident wird, ist für sie durchaus nachvollziehbar und zu erwarten gewesen.

Frau Wagenknecht, Sie haben heute durchklingen lassen, dass Sie das Wahlergebnis in den USA nicht wirklich überrascht. Warum haben Sie damit eine andere Meinung als die Bundesregierung?

Politiker, die jetzt schockiert tun und mit langen Gesichtern dastehen, haben eben auch wirklich nichts verstanden. Die Menschen in den USA haben ja nicht in erster Linie Donald Trump gewählt, sie haben Veränderung gewählt. In einem Land, wo die mittleren Löhne niedriger sind als vor vierzig Jahren und wo alle Zugewinne seit vielen Jahren in die Taschen der oberen Zehntausend fließen, muss man sich nicht wundern, dass die Menschen die Nase voll haben vom Establishment, von einem „weiter so“. Im Grunde ist es das große Versagen der Demokraten, dass sie eine Kandidatin aufgestellt haben, die diese Unzufriedenheit und diesen Veränderungswillen überhaupt nicht anspricht, sondern sogar abstößt. Insoweit war es für mich nicht erstaunlich. Ich bin überzeugt: Wenn die Demokraten den Mut gehabt hätten, mit Bernie Sanders in diese Wahl zu gehen, dann hätten wir heute einen anderen US-Präsidenten.

Ein demokratisches Wahlergebnis sollte zunächst einmal respektiert werden. Inwieweit ist es aber auch eine Absage an die Demokratie, in der Form, wie wir sie jetzt haben? Es ist ja eine Entwicklung, die wir derzeit in vielen Ländern beobachten.

Die Menschen wenden sich von den etablierten Parteien ab und teilweise auch von der Demokratie, weil sie immer wieder erleben: Sie wählen die Einen, dann die Anderen, es wird aber immer wieder Politik gegen ihre Interessen gemacht. Eine Politik, wo große Wirtschaftslobbys das Sagen haben und sich auch durchsetzen können, wo Politiker gekauft sind. Auch Hillary Clinton ist quasi die Inkarnation eines gekauften Politikers – sie wurde finanziert von der Wall Street, von der Rüstungslobby, sogar von Saudi Arabien und Katar. Und das wussten die Menschen. Es gab eine Umfrage, wer ehrlicher und authentischer ist. Natürlich wussten die Leute, dass Trump im Wahlkampf die Unwahrheit gesagt hat. Aber im Vergleich zu Hillary Clinton, die als verschlagen gilt, war er offenbar für viele trotz seiner Unehrlichkeit der authentischere Politiker. Ich bin natürlich nicht froh darüber, wenn rechte Politiker die Unzufriedenheit in ihre Richtung ablenken, aber man muss sagen: Das ist die Quittung für jahrelange Politik, die von den anderen Parteien in den USA gemacht wurde. Auch unter Obama hat sich für viele Menschen, gerade auch für die Arbeiterschicht, nichts verbessert.

Bei Clinton wäre wahrscheinlich auch die Außenpolitik von vornherein festgelegt gewesen. Könnte der Wahlsieg Donald Trumps auch eine Chance auf eine neue Ausrichtung der Außenpolitik sein?

Das muss man abwarten. Bei Hillary Clinton war es tatsächlich so, dass man die große Sorge haben musste, dass der Krieg in Syrien noch einmal eskaliert. Sie hatte gesagt, sie wolle dort eine Flugverbotszone. Es ist völlig klar, dass man die überhaupt nur im direkten Konflikt mit Russland hätte durchsetzen können. Es wäre die Gefahr eines großen Krieges gewesen, der weit über Syrien hinausgegangen wäre. Bei Trump würde ich aber auch nicht meine Hand ins Feuer legen, welche Außenpolitik er macht. Das hängt ja auch davon ab, wer seine Berater werden, wer Außenminister wird, wie er auch als Präsident unabhängig von denen agieren kann, die bisher in der Rüstungslobby immer auf Kriege um Rohstoffe und Einflusssphären gedrückt haben. Ich kann nicht sagen, das wird jetzt alles friedlich, aber es ist zumindest offen und wir warten mal ab.

Was glauben Sie wird sich überhaupt mit einem Präsidenten Trump ändern? Bei Obama hatte man ja auch gedacht, dass sich vieles ändern würde.

Auch das ist nicht hundertprozentig entschieden. Natürlich ruhen jetzt die Hoffnungen der Menschen auf ihm, dass er für mehr soziale Gerechtigkeit sorgt. Das hat er aber so überhaupt nicht im Programm. Was er heute angekündigt hat, ist ein großes Infrastrukturprogramm, was natürlich Not tut in den USA und was auch Arbeitsplätze bringen würde. Aber Fragen sozialer Sicherung, Wiederherstellung eines Sozialstaates – den die USA vor langer Zeit auch mal hatten – das alles ist gar nicht auf seiner Agenda. Wir werden sehen, wie er sich verhält. Ob Menschen enttäuscht werden oder ob er vielleicht Dinge macht, die man gar nicht erwartet.

Mehr: https://de.sputniknews.com/politik/20161109313289987-trumps-wahlsieg-nicht-ueberrascht-wagenknecht/

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