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2019-03-21

GLÜCKLICHSEIN IST GRÜN GEFÄRBT


geschrieben von Steve Taylor, Ph.D., Gastautor für Wake Up World, übersetzt von Antares

Stelle dir vor, du realisierst, dass du nicht so glücklich bist, wie du es in deinem Leben sein solltest, und du entscheidest, einige Schritte unternehmen zu müssen, um dein Wohlbefinden zu erhöhen. Es gibt eine Reihe neuer Aktivitäten und Praktiken, die du aufnehmen könntest: Meditation, Tanzen, Singen, Laufen, achtsam ausgeführte Handlungen voller Güte, religiöse Anbetung und so weiter. Untersuchungen haben gezeigt, dass all diese Aktivitäten das Wohlbefinden steigern können. Jedoch eine der wirkungsvollsten Dinge, die du tun kannst, gemäss der Forschung, ist, mit dem Gärtnern zu beginnen.

Lass mich zunächst sagen, dass ich selbst kein Gärtner bin. Ich habe Gartenarbeit immer mit harter Arbeit assoziiert. Abgesehen davon, dass ich regelmässig meinen Rasen mähe (was mir wirklich Spass macht), habe ich nie viel Zeit für diese Aktivität aufgewendet. Jedoch beginne ich darüber nachzudenken, ins Gärtnern einzusteigen.

Eine im vergangenen Jahr im Vereinigten Königreich veröffentlichte Studie ergab, dass 80% der Gärtner mit ihrem Leben zufrieden sind, verglichen mit dem Durchschnitt von 67%. Die Umfrage ergab auch, dass die Gärtner, die der Tätigkeit die meiste Zeit widmeten, am glücklichsten waren. Diejenigen, die mehr als 6 Stunden pro Woche im Garten arbeiteten, hatten ein um 7% höheres Wohlbefinden als diejenigen, die weniger gärtnerten. 93% der Gärtner glaubten auch, dass die Aktivität ihre Stimmung verbesserte. (1)

Diese Ergebnisse ähneln einer früheren US-Studie mit 600 Gärtnern, die ergab, dass diejenigen, die fünf Stunden oder mehr pro Woche gärtnern, deutlich glücklicher waren als gewöhnlich. Diese Studie ergab, dass die Aktivität auch einen ausgeprägten körperlichen Nutzen hatte: Im Durchschnitt hatten die 600 Gärtner eine deutlich bessere allgemeine Gesundheit, weniger chronische Gesundheitsprobleme und eine längere Lebensdauer.

Aufgrund von Erkenntnissen wie diesen – und einem wachsenden Interesse am Thema „Ökotherapie“ im Allgemeinen – wurde im Vereinigten Königreich begonnen, das Gärtnern als Therapie für Menschen mit Depressionen und Angstzuständen einzusetzen. Als eine Alternative zur Verschreibung von Antidepressiva melden Ärzte in einer Pilotstudie ihre Patienten für 12-wöchige Gartenkurse an. Das Projekt „Grozone“ vermittelt den Patienten grundlegende gärtnerische Fähigkeiten und ermutigt sie, ihre eigenen Pflanzen anzubauen, die sie anschliessend mit nach Hause nehmen können. Neben dem Akt der Gartenarbeit selbst ist man überzeugt, dass die Bewegung im Freien und der soziale Kontakt auch für die Patienten von Vorteil sein werden. (2)

Warum wirkt sich die Gartenarbeit so positiv auf das Wohlbefinden aus?

Ich würde eine Reihe von Gründen unterbreiten, weswegen die Gartenarbeit einen so positiven Effekt haben kann. Diese reflektieren die Tatsache, dass es, obwohl es oberflächlich gesehen als eine sehr einfache Tätigkeit erscheint, eine Reihe von unterschiedlichen Aspekten beim Gärtnern gibt.

Zu allererst hat es sich inzwischen fest etabliert, dass der Kontakt mit der Natur im Allgemeinen eine starke therapeutische Wirkung hat (daher der Begriff „Ökotherapie“). Untersuchungen haben gezeigt, dass ein täglicher Spaziergang in einem Park oder durch die Landschaft die Symptome von Menschen mit Depressionen und Schizophrenie verbessert. Der Kontakt mit der Natur verbessert auch die Konzentration und das Wohlbefinden von Kindern. Gärtnern kann daher offensichtlich als eine Form der Ökotherapie angesehen werden.

Dies bringt uns zu der Frage, weswegen diese Ökotherapie effektiv ist. Ich meine, dass ein Anteil dieses Grundes darin besteht, dass der Mensch – und alle unsere evolutionären Vorfahren – seit fast unserer gesamten Existenz eng mit der Natur verbunden sind. Erst in der jüngsten Zeit sind viele von uns auf menschengemachte Umgebungen beschränkt. Der Kontakt mit Grünräumen ist für uns daher wie eine Rückkehr nach Hause und füllt uns mit dem selben Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit. Das Gärtnern hat einen starken Bezug dazu, denn es ist ein so uralter Zeitvertreib. Die Mensch pflegen und bebauen den Boden seit 10.000 Jahren, und schon vorher war der Lebensstil der Jäger und Sammler, den unsere Vorfahren führten, verbunden mit einem ständigen Kontakt mit der Vegetation (besonders für die Sammlerinnen). Die symbiotische Beziehung mit der Natur, die das Gärtnern mit sich bringt, ist für uns instinktiv, ein kraftvoller Teil unseres menschlichen Erbes.

Flow und Achtsamkeit

Ein weiterer wichtiger Grund, warum das Gärtnern einen so positiven Effekt haben kann, ist, dass es eine effektive Möglichkeit ist, den psychologischen Zustand des „Flows“ (des im-Fluss-Seins“) zu erzeugen – den Zustand der aktiven Absorption, in dem wir unser Bewusstsein von uns selbst und das der Zeit verlieren. Wie Mihaly Csikszentmihalyis Forschung gezeigt hat, schwindet im Flow das normale unruhige (und oft negative) Geschnatter unseres Geistes dahin, und wir fühlen uns wach und lebendig, als ob unsere mentale Energie intensiver geworden wäre.

Gleichzeitig – oder zu anderen Zeiten – kann das Gärtnern einen Zustand der Achtsamkeit induzieren. Flow und Achtsamkeit sind einander ähnliche Zustände, jedoch besteht der Hauptunterschied zwischen ihnen darin, dass unsere Aufmerksamkeit im Flow monofokussiert ist, auf ein bestimmtes Objekt oder einen konkreten Bereich beschränkt und das, was ausserhalb dieses Bereichs liegt, wird dadurch ausgeschlossen. Achtsamkeit lenkt unsere Aufmerksamkeit jedoch offen und panoramaartig, wachsam für das gesamte Feld des Gewahrseins. Achtsamkeit bedeutet, in der Gegenwart zu leben, frei von den Ängsten der Zukunft und offen für die Schönheit und das Wunder der Welt zu sein. Nach ein oder zwei Arbeitsstunden wechselt ein Gärtner mutmasslich regelmässig vom Flow zur Achtsamkeit und wieder zurück – und vielleicht auch zu einigen Zwischenzustände.

Gärtnern bietet auch ein Erfolgserlebnis – du kannst die greifbaren Ergebnisse deines Tuns sehen, auch wenn dies Wochen oder Monate dauern kann, bis sich jene entfalten. Gärtnern schliesst körperliche Aktivität mit ein und auch das Hegen, das Aufziehen und Pflegen – alle diese Dinge sind dafür bekannt, das Wohlbefinden zu steigern.

Und eines der besten Dinge des Gärtnerns besteht darin, dass es kostenlos ist. (Tatsächlich könnten dich andere Leute sogar dafür bezahlen.) Der wegbereitende positive Psychologe Michael Fordyce beobachtete, dass die meisten der Erfahrungen, die uns Wohlbefinden bringen, sehr geringe Kosten und sehr wenig Planung oder Organisation mit sich bringen. Und das Gärtnern ist eines der besten Beispiele dafür. Warum sollten wir Tausende von Pfund oder Dollar für materielle Güter ausgeben, deren positive Wirkung schnell verblasst, wenn wir einfach ein paar alte Sachen anziehen und in unseren Garten gehen können? Und – wie Psychologen und Mediziner zu erkennen beginnen: Warum müssen Millionen von Pfund/Euro/Dollar für Psychopharmaka ausgegeben werden, wenn kurze Zeiträume des Kontaktes mit der Natur genauso – oder vielleicht sogar effektiver sind als diese?

Referenzen:

(1) http://www.gardenersworld.com/downloads/PDFs/happiness-survey-results.pdf
(2) http://www.valeroyalccg.nhs.uk/news_items/7303-grozone-Projekt – zielt auf die Verbesserung der psychischen Gesundheit von Menschen in der Region ab.

Über den Autor:



Steve Taylor ist Senior Dozent für Psychologie an der Leeds Beckett University, Großbritannien. Seine neuesten Bücher sind TheCalm Center und Back to Sanity: Healing the Madness of the Human Mind. Er ist auch der Autor von The Fall, WakingFromSleep und Out Of TheDarkness. Seine Bücher wurden in 19 Sprachen veröffentlicht. Seine Forschungen erschienen im Journal of Transpersonal Psychology, The Journal of Consciousness Studies, The Transpersonal Psychology Review, The International Journal of Transpersonal Studies sowie in den populären Medien in Großbritannien, darunter im BBC World TV, The Guardian und The Independent.

Als Autor von Out Of TheDarkness ist eines von Steves Forschungsinteressen „die Erfahrungen des Erwachens“ – Momente, in denen sich unser normales Bewusstsein intensiviert und wir ein Gefühl von Verbindung und Bedeutsamkeit spüren. Was verursacht diese Erfahrungen? Ist es möglich, sie zu kontrollieren? Steves Arbeit untersucht auch die Quellen des psychologischen Leidens – Warum fällt es den Menschen so schwer, zufrieden zu sein? Seine Forschung zeigt auch, dass viele Erfahrungen des Erwachens durch intensive psychische Turbulenzen wie Depressionen und Verluste ausgelöst werden.

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