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2019-12-03

Shai Tubali: Freiheit von der Denkmaschine – Lektion 4


In 21 Lektionen mit Shai Tubali wirst du die Möglichkeit haben zu lernen, deine meditative Präsenz von Grund auf zu entwickeln.

In den beiden vorhergehenden Artikeln schlug ich zwei wichtige Dinge vor, die du tun kannst, um dich von der Denkmaschine zu befreien: das Senden beruhigender Signale an das Gehirn und das Ausrichten auf exklusiv immer nur die eine Sache, die du gerade tust, ohne an deine nächste Aufgabe oder Herausforderung zu denken. Wenn du auch nur eine dieser Empfehlungen befolgt hast, ist dein Glaube an die Effizienz der Denkmaschine inzwischen sicherlich bereits etwas geschwächt.

Im Grunde ist dies das ganze Prinzip: Hör auf zu glauben, die Denkmaschine wäre effektiv und sie wird ihre Macht über dich verlieren. Und wenn die Denkmaschine ihre Kraft über dich verliert, erreichst du einen Zustand glückseliger Entspannung und Stille. An und für sich hat die Denkmaschine also absolut keine Macht. Denke niemals: „Dieser Gedanke ist so unglaublich mächtig, dass ich ihn nicht kontrollieren kann!“ Das ist eine vollkommene Illusion. Nur du bist es, der den Gedanken Kraft gibt. An sich sind sie nichts anderes als eine summende Fliege über deinem Kopf. Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, die augenscheinliche Macht der Denkmaschine auf dich zu reduzieren: Wenn du dein Smartphone gerade nicht benutzen musst, legst du es weg. Heutzutage haben Smartphones die Denkmaschine ersetzt. Das innere Phänomen hat nun eine äußere Form angenommen. Smartphones können als die physische Reflexion der Denkmaschine betrachtet werden: Genau wie die unaufhörlich aktive Denkmaschine in unserem Gehirn, schauen wir unaufhörlich und ohne triftigen Grund auf unsere Telefone.

Das Problem ist, dass wir auf diese Weise weder die Gelegenheit haben, uns der Denkmaschine bewusst zu sein, noch die Chance, wirklich einmal still zu sein. Wir sind permanent beschäftigt. Aber wenn du dein Handy weg legst, zumindest von Zeit zu Zeit, wirst du wieder etwas Gelegenheit für Wahrnehmung haben. Natürlich ist dies zu einer großen und tief verwurzelten Gewohnheit geworden. Unser Gehirn, das sich daran gewöhnt hat, immer mit dem einen oder anderen Gedanken beschäftigt zu sein, hat nun die innere Gewohnheit durch eine äußere ersetzt. Nur ist diese noch schlimmer: Sie lenkt dich davon ab, zu erkennen, dass du deinen Geist verändern musst.

Verstand, Gehirn und die Denkmaschine

Es ist an der Zeit, den Unterschied zwischen Geist, Gehirn und der Denkmaschine zu verstehen. Das Gehirn ist nur der physische Teil oder Ausdruck des Geistes. Doch der Geist an sich, ist viel größer als das Gehirn: Unser Verstand birgt sehr große Bereiche in sich, die wir nie erforschen, weil wir uns meistens auf einen nur sehr kleinen Teil von ihm ausrichten, den wir als „Denkmaschine“ bezeichnen. Unser Geist verfügt über viele Bereiche, die ein großes Potenzial an Verständnis und Intelligenz jenseits des gewöhnlichen Denkens beinhalten. Wenn du in deinem Kopf auf Reisen gehen würdest, kämst du nie an ein Ende. Der Verstand enthält auch Fähigkeiten wie Hören, stilles Gewahrsein und eine Verbindung mit etwas, das noch größer ist als der er: dem Bewusstsein. Behaltet euch diesen Begriff, denn das Bewusstsein wird im letzten Sieben-Artikel-Zyklus dieser Serie von 21 Artikeln sehr relevant werden.

Die Denkmaschine, wie ich bereits erklärt habe, ist im Gehirn beheimatet. Sie findet ihren Ursprung in einer sehr primitiven Gewohnheit: der Rolle des Gehirns als Beschützer des Organismus. Denke daran, dass diese Tendenz, nach einem Problem zu suchen und das Gefühl zu haben, dass etwas fehlt und repariert werden muss, nicht wirklich dein eigenes ist. Und auch die daraus resultierende Gewohnheit, jeden Moment und alle vergangenen und zukünftigen Ereignisse zu kontrollieren, hat nichts mit dir zu tun. Diese Tendenzen sind nur ein Teil einer primitiven Aktivität, die man überhaupt nicht braucht. Man kann ohne sie perfekt – eigentlich noch viel besser – leben. Idealerweise sollte dein Gehirn in deinem Geist ruhen. Doch es ist ohne guten Grund viel zu aktiv. Das ist fast wie ein Missbrauch, dieser im Grunde genommen schönen Energie, des Geistes. Und solange die gesamte Energie durch unnötiges Denken verschwendet wird, verharren alle wirklich großen Fähigkeiten des Geistes schlummernd und ungenutzt. Wie schade!

Dein Geist ist bereits frei

Das ist ein wichtiger Punkt: die Denkmaschine – mit all dem Lärm, den sie macht; ihren Wünschen, Ängsten, Sorgen und Konflikten – macht nur 0,0001% des Geistes aus. Dieser Prozentsatz ist natürlich nicht wissenschaftlich belegt! Man kann es sich aber wie das Verhältnis zwischen dem Nachthimmel und den Sternen vorstellen, die als helle Punkte darin erscheinen. Der Himmel ist endlos weit und der Abstand zwischen den Punkten ist riesig. Wenn wir jedoch auf den Nachthimmel schauen, sind wir es so gewohnt, diese hellen Pünktchen zu betrachten, dass wir den riesigen Raum ganz übersehen, der sie enthält und sie ermöglicht.

Die Denkmaschine versucht immer, deine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und dich davon zu überzeugen, dass sie gerade ein echtes Problem oder eine echte Schwierigkeit gefunden hat. Etwas, worüber du dir im Moment Gedanken machen solltest. Aber du musst nicht darauf achten. Auf die gleiche Weise kannst du deine Aufmerksamkeit auf den weiten Raum des Geistes lenken, anstatt dich lediglich auf einen hellen Punkt zu konzentrieren. Diese Möglichkeit ist bedeutsam, da sie das berühmte Missverständnis beseitigt, dass man alle Gedanken stoppen müsste, um entspannt und still zu sein. Wenn das wahr wäre – wenn man die Denkmaschine erst einmal ganz beruhigen müsste – würde das bedeuten, dass man voll und ganz von der Aktivität oder Nicht-Aktivität der Denkmaschine abhängig ist.

Um zu echter Stille zu gelangen, müsste man wer weiß wie lange, ja vielleicht in alle Ewigkeit warten, bis man es endlich schaffen würde, sie ganz zu stoppen. Und wie könnte man sie denn überhaupt anhalten? Diese Denkmaschine tut nun ihren Dienst bereits seit vielen tausend Jahren, also ist es eine Tatsache, dass niemand sie wirklich kontrollieren kann. Die gute Nachricht ist, dass auch niemand das muss. Sie darf tatsächlich immer weiter laufen und das ganze Orchester des Denkens und Fühlens zusammenrufen, um ihr allzu bekanntes Brummen zu erzeugen, während man völlig still und ungestört sein kann.

Wie ist das überhaupt möglich? Das klingt vielleicht nach einem Widerspruch: Schweigen, während die denkende Maschine so viel Lärm erzeugt. Das ist möglich, weil du einen Geist hast, der zu 99,9999% unbewegt ist. Ich werde es noch einmal sagen, falls du mir nicht glaubst: Du brauchst das mentale Geschwätz nicht zu beenden, um zu schweigen. Du kannst von ihm umgeben sein und trotzdem in tiefer Stille bleiben, ohne selbst dabei laut zu sein. Da die Denkmaschine in Wirklichkeit außerhalb von dir existiert, ist es allein deine Wahl, sie reinzulassen oder einfach dort zu draußen lassen, wo sie in der Ferne weiter brummt.

Dein drittes Auge ist dein Schlüssel zum Verstand

Wie funktioniert das? Das ist ziemlich einfach. Schließe jetzt deine Augen und suche nach einem Bereich in deinem Kopf oder um deinen Kopf herum, den du als gedankenfreien Bereich identifizieren kannst. Das muss nicht unbedingt wissenschaftlich sein: Finde intuitiv einen Ort, an den Gedanken nicht hin gelangen können. Dies wird dir dabei helfen, die Denkmaschine genau in Bezug zu diesem Ort zu lokalisieren. Traditionell kannst du deine Aufmerksamkeit auf den Bereich direkt über dem Punkt zwischen den beiden Augenbrauen auf der Höhe der unteren Stirn lenken. Dieser Punkt wird als „drittes Auge“ bezeichnet. Wir werden das dritte Auge in späteren Artikeln weiter erforschen und darauf meditieren.

Im Moment ist das Einzige, was du über diesen Ort wissen musst, dass wenn du deinen Fokus auf diesen Punkt verlagerst, es die Energie des Geistes konzentriert und die tiefe Intelligenz und das Bewusstsein des Geistes dort erweckt. Es ist, als ob du alle verstreuten Energien sammelst, die die Form der Gedanken dieser Denkmaschine annehmen und sie in einen konzentrierten Zustand verwandelst. Mit anderen Worten, du verbindest dein Gehirn mit deinem Geist. Das Gehirn muss die Denkmaschine nicht hervorbringen. Deshalb sprechen wir von Gehirn, Geist und der Denkmaschine. An sich kann das Gehirn wunderbar effizient sein. Es muss nur gut mit dem Geist verbunden sein und in ihm ruhen können. Befolge diese einfache Praxis so oft wie möglich den ganzen Tag über. Versuche nicht, den Inhalt der Denkmaschine zu stoppen oder zu verändern. Das ist eine unmögliche Aufgabe. Erinnere dich einfach und sanft daran, dass es genug Platz in deinem Kopf gibt, einen großen Raum, den die Denkmaschine nie einnehmen könnte.

Hier geht es zur englischen Version.

Dies ist die vierte von 21 Lektionen, die wir wöchentlich hier veröffentlichen. Sie dienen dazu, den Verstand still werden zu lassen. Du kannst auch zertifizierter Meditationlehrer werden. Infos unter http://shaitubali.com/de/schule-der-meditation/

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