Ja, die Strahlen der Sonne sind mit kleinen Güterwagen voll Lebensmittel zu vergleichen. Sie kommen mit großer Geschwindigkeit auf der Erde an, wo sie sich entleeren und ihre Schätze abladen, dann kehren sie auf einem unsichtbaren Weg aufs Neue zur Sonne zurück. Es ist ein ganz außergewöhnlicher Kreislauf. Und in diesen kleinen Waggons sind nicht nur Lebensmittel, sondern auch Geschöpfe, die auf die Erde kommen, um eine Arbeit zu verrichten, und dann wieder zur Sonne zurückkehren, um sich zu erholen, sich aufzuladen. Das ist neu für euch, nicht wahr?
Doch was ihr auch nicht wisst ist, dass dieser Kreislauf der Sonnenstrahlen im Raum sich auch im Menschen wiederfindet. Unser Herz, das ist die Sonne, die Züge mit Strahlen zu allen Orten des physischen Körpers schickt, die von Millionen Bewohnern bevölkert sind: Dort laden sie ab, aber natürlich verlieren sie an Reinheit, deshalb folgen sie vor ihrer Rückkehr zur Sonne einer bestimmten Route, um die unterwegs angehäuften Abfälle loszuwerden und sich zu reinigen. Der Kreislauf des Blutes durch die Arterien und Venen wiederholt nur den Kreislauf des Sonnenlichts im Raum. Denn das Sonnensystem ist ein Organismus mit der Sonne als dem Herzen, und das Licht ist das Blut, das das Herz ausschickt, um die verschiedenen Teile dieses Organismus zu ernähren. Die ganze Schöpfung empfängt ihre Versorgung durch diese Strahlen, die die Erde besuchen, den Ozean, die Atmosphäre, den Raum, die anderen Planeten und die Geschöpfe, die dort leben.
Jeder Sonnenstrahl ist eine Energiequelle. Da die heutigen Versorgungsmittel wie Kohle, Erdöl, Uran und so weiter sich erschöpfen werden, wird sich die Menschheit deshalb in der Zukunft mehr und mehr den Strahlen der Sonne zuwenden, deren Möglichkeiten unendlich sind. Doch das Sonnenlicht ist nicht nur eine Energie, die man auf der physischen Ebene verwenden kann. Das Licht ist ein lebendiger Geist, der von der Sonne kommt und eine direkte Verbindung mit unserem Geist hat.
Jeder Sonnenstrahl, der auf einen Gegenstand oder ein Wesen gleich welcher Art fällt, bringt ihm etwas. Selbst die Steine brauchen dieses Leben, das sie von der Sonne empfangen. Denn die Steine sind, obwohl sie leblos scheinen, lebendig. Dieses Leben ist bei den Pflanzen noch mehr erkennbar, die dank des Sonnenlichts wachsen und sich vermehren. Bei den Tieren wandeln sich die Sonnenstrahlen nicht nur in Vitalität um, sondern auch in Sensibilität. Ja, dank der Sonnenstrahlen beginnen die Tiere, Leid und Freud zu empfinden. Bei den Menschen schließlich wandeln sich die Strahlen der Sonne in Intelligenz um, denn erst ab dem Menschenreich findet das Licht eine so vollständige Aufnahme, dass es sich als Gedanke manifestieren kann. Der Geist, der aus dem Mund eines Menschen zu euch spricht, ist eine Emanation des Sonnenlichts. Es ist das Licht, das denkt, das spricht, das singt, das erschafft. In dem Maß, wie sich das Licht in der menschlichen Seele Bahn bricht, spiegelt es sich in Form von Intelligenz, Liebe, Schönheit, Edelmut und Kraft wider.
Nur die Sonnenstrahlen sind fähig, das Leben im Menschen zu erhalten, zu nähren und zu stärken, doch er muss lernen, sie aufzunehmen. Wenn ihr euch von ganzem Herzen den Strahlen der Sonne öffnet, werdet ihr die Arbeit spüren, die sie dann für eure Regenerierung, eure Auferweckung tun.
Doch um zu spüren, was die Sonnenstrahlen sind, wie mächtig, rein und göttlich sie sind, müsst ihr euch natürlich jeden Tag auf ihre Begegnung vorbereiten, sonst werdet ihr wie alle diese schlafenden, unwissenden Leute bleiben, die die Sonnenstrahlen vorbeigehen lassen, ohne sich der Reichtümer bewusst zu sein, die sie enthalten. Nachher beklagen sie sich: »Ich habe Hunger, ich habe Durst, ich bin arm, schwach, dunkel, wer hilft mir?« Und dabei war alles in diesen Strahlen! Und wenn ihr diejenigen kennen würdet, die sie schicken!… Ja, denn in der Sonne wohnen Wesen, die uns weit überlegen sind, die uns ansehen, uns manchmal zulächeln, doch wir, wo sind wir in dieser Zeit…? Ich weiß sehr wohl, dass es schwierig ist, den Menschen beizubringen, dass das Licht mehr ist als eine physische Schwingung, dass es ein lebendiger Geist ist. Und weil sie dieser Vorstellung gegenüber verschlossen sind, können sie von der Sonne nicht alle ihre Segnungen empfangen.
Ihr müsst euer Leben so gestalten, dass das Licht darin immer mehr Platz einnimmt. Aber vor allem müsst ihr seine Gegenwart in jedem Ding wahrnehmen, um daraus Nutzen ziehen zu können. Wenn ihr euch beim Essen bewusst seid, dass die Nahrung, das Getreide, das Obst, das Gemüse, eine Verdichtung der Sonnenstrahlen sind, denen sie ausgesetzt waren, schafft ihr die besten physiologischen Bedingungen, damit diese Strahlen von eurem Organismus gut absorbiert und gut verteilt werden. Wenn ihr in der Überzeugung atmet, dass ihr durch die Atmung das Licht in euch aufnehmen könnt, versetzt ihr euch in den Zustand, das himmlische Licht, den Geist Gottes, zu empfangen. Denn wie ich euch schon sagte, ist das Licht, das von der Sonne kommt, nur die materiellste Form des Lichts. Darüber hinaus gibt es noch andere Arten von subtilerem Licht, das euch das ewige Leben bringen wird, wenn ihr euch mit ihm verbinden könnt.
Wenn ihr am Morgen die Sonne betrachtet, denkt, dass diese Strahlen, die bis zu euch kommen, lebendige Geschöpfe sind, die euch bei der Lösung eurer täglichen Probleme helfen können… aber nur bei denen von diesem Tag, nicht bei denen von morgen. Am nächsten Tag müsst ihr sie erneut um Rat fragen, und wieder nur für diesen Tag. Sie werden euch niemals für zwei oder drei Tage im Voraus antworten. Sie werden sagen: »Beunruhigt euch nicht! Kommt morgen wieder, und wir werden euch antworten.« Jeden Tag, wenn ihr esst, legt ihr in euren Magen auch keinen Vorrat für eine Woche an, sondern nur für den Tag. Ihr esst für heute, und morgen beginnt ihr wieder neu. Nun, mit dem Licht muss man es genauso machen, denn das Licht ist eine Nahrung, die ihr jeden Tag aufnehmen und verdauen müsst, damit es in euch zu Gefühlen, Gedanken, Inspirationen wird… Warum verhaltet ihr euch dem Licht gegenüber nicht mit derselben Logik wie gegenüber der Nahrung? Ihr sagt: »Es stimmt, gestern habe ich gegessen, doch das zählte nur für gestern, heute möchte ich auch essen.« Mit dem Licht ist es dasselbe, ihr braucht es täglich, um sich von ihm zu ernähren.
Ihr könnt euch zum Beispiel angewöhnen, folgende Übung zu machen: Ihr seid beim Sonnenaufgang und wartet auf den ersten Strahl. Ihr seid wachsam, aufmerksam, und wenn dieser erste Strahl erscheint, trinkt ihr ihn, ihr atmet ihn ein… So fangt ihr an, die Sonne zu trinken. Statt sie nur zu betrachten und sie einzuatmen, trinkt ihr sie, esst sie und denkt dabei, dass dieses Licht, das lebendig ist, sich in allen Zellen eurer Organe ausbreitet, dass es sie stärkt, belebt, reinigt. Diese Übung hilft euch, euch zu konzentrieren, und die Ergebnisse sind phantastisch: Euer ganzes Wesen erschauert, und es gelingt euch zu spüren, dass ihr das Licht wirklich trinkt.
Schon vor Tausenden von Jahren haben die Weisen Indiens in ihren heiligen Büchern die Bedeutung verkündet, die sie der Sonne gaben. Nehmen wir nur die Puranas.
Im Agni-Purana wird die Sonne als eine Manifestation Vishnus angesehen und als Quelle aller Dinge.
Das Matsya-Purana sagt, dass die Sonne anbeten heißt, Brahma, Vishnu und Shiva anbeten – die Trinität, die dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist der christlichen Religion entspricht.
Im Markandeya-Purana wird die Sonne die Stätte des Wissens genannt, die Vertreiberin der Dunkelheit, die vollkommene, fleckenlose Seele, die universale Ursache, das Materielle und das Immaterielle, und sie wird als Urkraft angesehen, die in allen Manifestationen des Wassers, der Erde, des Winds und des Feuers existiert. Es wird auch gesagt, dass derjenige, der jeden Morgen mit Respekt und Ehrfurcht, mit Demut und Frieden in seinem Herzen, der Sonne entgegengeht, die Gnade Lakshmis gewinnt, der Gottheit der Liebe und der Schönheit. Wer die Sonne mit voller Aufmerksamkeit anbetet, wird von Sünden befreit und genießt Immunität gegen alle Krankheiten.
Das Brahma-Purana stellt die Sonne als Auge der drei Welten dar, als Herrn des Universums, Keim der Aktion, Hafen der Barmherzigkeit und Symbol der Aktion an sich.
Das Brahmanda-Purana stellt die Sonne als Ursprung aller Aktivität auf der Welt dar.
Das Linga-Purana stellt sie als universelle Ordnung dar.
Das Padma-Purana nennt bestimmte tantrische Hymnen, die man bei der Anbetung der Sonne rezitieren soll, um alle Arten von physischen und psychischen Krankheiten zu heilen.
Im Brahmavaivarta-Purana heißt es, dass die Sonne von Krankheit heilt, von Traurigkeit, geistiger Unruhe und Angst befreit. Sie gewährt Glück, Erlösung, den Glauben und alle Arten von Segnungen.
Durch alle Zeiten hindurch hat die initiatische Wissenschaft die physische Sonne immer als eine Repräsentation der wahren geistigen Sonne angesehen, die das Zentrum des universellen Wissens und der universellen Kraft ist, manifestiert in den Strahlen der sieben Farben. Wenn ich euch jetzt einen Rat geben kann, würde ich euch deshalb sagen: Lasst alles liegen, studiert nur die Sonnenstrahlen. Wenn ihr wüsstet, was ein Strahl der Sonne an Kraft, Reichtum, Klarheit, Reinheit, Intelligenz enthält!… Ja, Intelligenz, das überrascht euch? Aber niemand auf der Erde ist so intelligent wie die Strahlen der Sonne, kein Gelehrter, kein Genie…
Dieser Text stammt aus dem Buch »Das Licht, lebendiger Geist« von Omraam Mikhael Aivanhov, Kapitel 2: »Die Sonnenstrahlen: Ihre Natur und ihre Aktivität«.
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