2016-05-11

Gentechnik: Die CRISPR-Cas Revolution


In der Gentechnik bahnt sich Großes an. Mit einer Methode namens CRISPR-Cas können Wissenschaftler das Erbgut von Lebewesen gezielt manipulieren. An die Stelle ungenauer und fehlerhafter Verfahren tritt jetzt eine punktgenaue und hocheffiziente Gen-Chirurgie.

Die CRISPR-Cas Methode (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) ist ein biochemisches Verfahren, um DNA gezielt zu schneiden und zu verändern. Gene können mit der CRISPR-Cas Methode eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden, auch Nukleotide in einem Gen können geändert werden. Sie wurde erstmals 2012 von Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna zum Genome Editing verwendet. Die wissenschaftliche Fachzeitschrift „Science“ erklärte die Methode zum wissenschaftlichen Ereignis des Jahres 2015.

„Das ist fast zu schön, um wahr zu sein“, jubeln die Forscher und glauben nach 25 Jahren voller Rückschläge an einen Durchbruch für die Gentherapie. Die Fachzeitschriften präsentieren fast im Wochenrhythmus neue Ideen. Eine Impfung gegen Herzinfarkt wäre möglich, die Malaria könnte für immer verschwinden und das ausgestorbene Mammut würde möglicherweise dank CRISPR-Cas wieder auferstehen. Und schließlich – davon träumen viele Wissenschaftler – wird der Mensch demnächst seine eigenen Gene umschreiben. Umstrittene Experimente an menschlichen Embryonen haben in China bereits begonnen.

CRISPR-Cas stammt aus Bakterien

CRISPR-Cas ist ein molekularer Werkzeugkasten, das aus einem adaptiven antiviralen Abwehrmechanismus aus Bakterien entstammt. Er steuert einzelne Positionen im Erbmolekül DNA gezielt an und schneidet das Erbmolekül – punktgenau und fehlerfrei. Dann wird die alte Erbinformation durch die neue Erbinformation ersetzt. Kranke Gene lassen sich dank CRISPR-Cas gezielt reparieren. Die Natur wird korrigierbar.

Seit 25 Jahren versuchen Mediziner durch die Manipulation von Erbanlagen in Körperzellen Krankheiten zu heilen: Erbkrankheiten, Krebs, Stoffwechsel- und Infektionskrankheiten. Die Möglichkeiten schienen unbegrenzt. Aber der anfänglichen Euphorie folgten zahlreiche Rückschläge. Mangelnder Erfolg, Nebenwirkungen und Todesfälle ruinierten den Ruf der Gentherapie. Durch CRISPR-Cas entsteht nun neue Hoffnung.

In Zellkulturen im Labor konnten die Forscher bereits Huntington und Mukoviszidose besiegen. Biotechnologiefirmen widmen sich mit neuem Schwung der Sichelzellanämie und der Bluter-Krankheit, und Forscher träumen bereits von einer Impfung gegen den Herzinfarkt. Die größte Herausforderung jedoch ist die Bekämpfung der Immunschwäche AIDS. Auch hier glauben die Forscher an einen baldigen Erfolg. Am Institut für Zell- und Gentherapie der Universität Freiburg sucht Toni Cathomen nach Methoden, die Blutzellen von HIV-Infizierten vor den HI-Viren schützen.

Noch ist unklar, wie häufig bei CRISPR-Cas fehlerhafte Schnitte auftreten. Das bedeutet: Auch CRISPR-Cas verursacht Schnitte, die die Forscher so nicht vorausgesehen haben. Und bei der Gentherapie bedeutet jeder falsche Schnitt ein Krebsrisiko.

Toni Cathomen warnt: „Gentherapie-Konzepte mit CRISPR-Cas sind noch nicht praxisreif. Das wird in den nächsten fünf Jahren sicherlich in die Klinik kommen. Im Moment müssen wir zeigen, dass diese Nukleasen auch sicher sind. Und da gibt es bisher wenige Studien, die zeigen, dass die Methode so sicher ist, dass man mit gutem Gewissen auch in die Klinik gehen kann.“

In den USA forderten führende Wissenschaftler Anfang 2015 ein Moratorium. Die Anwendung von CRISPR-Cas bei menschlichen Keimzellen solle so lange unterbleiben, bis klar ist, wo die Gefahren liegen. Denn eine genetische Veränderung in der Keimbahn lässt sich nicht rückgängig machen. Wissenschaftler in China beteiligten sich nicht an der Diskussion. Angeblich gibt es dort vier Arbeitsgruppen, die die Methode in diesem umstrittenen Bereich ausprobieren.

Dazu ein Kommentar von Guido V. :

Teufelskreis

Wenn Krankheiten verschwinden, weil ihre Symptome mittels Gentechnik aufgelöst werden können, bedeutet das aber nicht die eigentliche Ursache der Krankheiten aus der Welt geschaffen zu haben. Während diese Ursachen bestehen bleiben, z. B. beim Herzinfarkt, werden neue Ursachen durch die Manipulation entstehen, die zu anderen Krankheiten führen werden, zusätzlich zu den Nebenwirkungen der Manipulation an sich.

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