Otfried Weise: ZUR WINTERSONNENWENDE

Wenn die Nacht ihren tiefsten Atem spürt
und das Licht sich bereit zeigt, anzuschwellen,
stehen wir an einem Durchgang.
Er muss nicht überwunden werden, will aber in seiner Bedeutung gesehen und anerkannt werden.
Er äußert sich wie ein inneres Anklopfen, das wir nur hören, wenn wir still werden und lauschen.

Ein neues Jahr hebt an – nicht als Bruch,
sondern als Weiterführung eines Weges,
den wir zwar schon lange gehen,
dessen Tiefe wie Intensität jetzt jedoch massiv zunimmt.
Vor allem verändert sich jetzt ein alles Entscheidendes:

Das Bewusstsein sinkt tiefer ins Herz.
Im kommenden Jahr wird Erkenntnis
viel weniger im Denken wohnen
sondern mehr im Spüren und in der INTUITION.
Wahrheit zeigt sich nicht in scharfen Argumenten,
sondern in Resonanz.
Was zutiefst gespürt wird, bleibt.
Wessen Frequenz mitschwingt, übernimmt,
was sich klar zeigt gibt den Ton an.

Unser Herzbewusstsein erweitert sich
wie Licht im Morgengrauen:
zuerst kaum sichtbar, dann unumkehrbar.
Mitgefühl wird klarer, nicht mehr nur weicher.
Grenzen werden liebevoller, nicht härter.
Wir lernen, dass Tiefe keine Schwere braucht
und Verbundenheit keine Auflösung der Individualität.
Viele erinnern sich, spüren Heimweh
ohne zu wissen, wonach.
Ein Sehnen nach Echtheit
führt Entscheidungen, Beziehungen, Worte.
Alte Geschichten verlieren ihre Macht,
weil wir aufhören, sie zu nähren.
Stattdessen lauschen wir dem,
was unter allem schon immer wahr ist.

Das neue Jahr lädt uns ein,
trotz der verbreitenden Hektik langsamer zu werden
und dadurch weiter wie tiefer zu sehen.
Präsenz wird zur stillen Revolution.
Zuhören zur heiligen Handlung.
Und jeder Moment, in dem wir uns selbst
nicht verlassen, verändert das Ganze.
So beginnt dieses Neue Jahr für die WACHEN
nicht mit einem Paukenschlag,
sondern mit einem offenen Herzen.

Das Licht kehrt zurück – und wir erkennen,
DASS ES NIE AUSSERHALB VON UNS IST.

Quelle: Otfried Weise