Einstein weist in einem Gespräch mit Heisenberg 1926 auf einen weiten Aspekt des Wissen-Schaffens hin: „Vom prinzipiellen Standpunkt aus betrachtet ist es ganz falsch, eine Theorie nur auf beobachtbare Größen gründen zu wollen. Denn es ist ja in Wirklichkeit ganz umgekehrt. Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann.”
Vergegenwärtigen wir uns für einen kurzen Moment diesen entscheidenden Satz:
„Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann.”
(Programmierung)
Die in unserem Geist vorhandenen Vorstellungen und Ideen bestimmen und ermöglichen eine Interpretation von Sinneseindrücken. Einstein greift damit auf ein altes Sokrates-Argument zurück, der gesagt hat: „Um zu wissen, was Gerechtigkeit ist, muss man wissen, was Wissen ist; und um dies zu wissen, muss man einen ungeprüften Vorbegriff von Wissen haben. Daher kann man gar nicht zu klären versuchen, was man weiß oder was man nicht weiß. Weiß man, so bedarf es keiner Untersuchung; weiß man nicht, so weiß man nicht einmal, wonach man suchen soll.”
Einstein fährt in diesem Sinne im Gespräch mit Heisenberg fort: „Die Beobachtung ist ja ein sehr komplexer Prozess. Der Vorgang, der beobachtet werden soll, ruft irgendwelche Geschehnisse in unserem Messapparat hervor. Als Folge davon laufen in diesem Apparat dann weitere Vorgänge ab, die schließlich auf Umwegen den sinnlichen Eindruck und die Fixierung des Ergebnisses in unserem Bewusstsein bewirken. Auf diesem langen Weg müssen wir wissen, wie die Natur funktioniert, wenn wir behaupten wollen, dass wir etwas beobachtet haben. Nur die Theorie erlaubt uns, aus dem sinnlichen Eindruck auf den zugrunde liegenden Vorgang zu schließen.”
Sokrates‘ und Einsteins Gedanken sind wesentlich für das Verständnis jeder Wahrnehmung: Bei jeder Beobachtung gelangen „Geschehnisse” wie Licht, bewegte Luft (Töne), Gerüche, Wärme oder Kälte direkt oder über Messapparate zu unseren Sinnesorganen. Dadurch erleben wir zunächst die „Erscheinungswelt” der Sinneseindrücke, welche erst durch eine Interpretation der Wahrnehmung zur „Bühne der Lebenden” wird, wie die griechischen Philosophen dies zutreffend bezeichnen. Doch:
„Erscheinen heißt stets: anderen so und so zu scheinen, und dieses Scheinen verändert sich mit dem Standpunkt und der Perspektive der Schauenden. Mit anderen Worten, jedes Erscheinende erhält kraft seiner Erscheinungshaftigkeit eine Art Schleier, der es durchaus verbergen oder entstellen kann.”
Mit Hilfe von Weltbildern (Programmierungen) lernen wir also, die Erscheinungswelt der Sinne – die Phänomene – in einer bestimmten Art und Weise zu interpretieren. Wenn ich Licht sehe, kann ich dies als eine angenehme Sicherheit oder Wärme wahrnehmen oder ich kann eine Gefahr erkennen wie bei einer Explosion. Die ungeprüften Vorstellungen oder Theorien in meinem Geist sind Voraussetzungen für jeweilige Interpretationen. Diese Interpretationsmuster wiederum basieren auf vergangenen Wahrnehmungen und daraus entwickelten Erfahrungen, die seit vielen hunderttausend Jahren teils bewusst, teils intuitiv in meinem Geist und dem der Menschheit abgespeichert werden.
Einsteins Beschreibung des Wissenschaftsprozesses stellt die Wissenschaftstheorie endgültig vom positivistischen Kopf auf die relativistischen Füße. Nicht die Beobachtung selbst erlaubt das Aufstellen von Theorien. Vielmehr bedarf es eines Weltbildes – eines komplexen Systems aus vielen kompatiblen Theorien – um etwas beobachten zu können. Dieser Strategie folgte auch Galilei, indem er eine neue Weltsicht mit der Kraft seiner Worte als Ausdruck seiner Ideen erschuf – ganz ohne Daten. Er nahm das heliozentrische Weltbild als gegeben an und beschrieb von diesem aus alle ihm bekannten Phänomene. Dementsprechend gilt: Stelle ich mich auf den Standpunkt einer Atomtheorie mit Atomen und Elektronen als Partikel, dann werde ich Atome und Elektronen beobachten. Stelle ich mich auf den Standpunkt einer Theorie, die die Materie ohne Teilchen beschreibt, werde ich Entsprechendes beobachten. Das, was wir im „Schauspiel des Lebens” beobachten, ist abhängig von den eigenen geistigen Vorstellungen, die wiederum selbst das Ergebnis vorheriger Interpretationen sind. Insofern sind unsere Ideen die besten Beweise für die Existenz eines nicht materiellen Geistes.
Der größte Teil unserer Vorstellungen entsteht aus Konventionen, die wir beispielsweise als Baby durch Kommunikation mit unseren Eltern lernen: Essen und Trinken tun gut, genauso Schmusen oder Singen. Später lernen wir viele tausend Worte und Begriffe als Verabredungen über Bedeutungen. So wird ein kugeliges Ding mit dem Begriff Ball ausgestattet. Weitere Vorstellungen ergeben sich aufgrund von Handlungen aller Art. Jede Handlung hinterlässt im Geist eine neue Datenspur, die wiederum den weiteren Blick auf die Welt prägt. Denn „wir sind von dieser Welt und nicht bloß in dieser Welt; wir sind selbst Erscheinungen, da wir ankommen und fortgehen, erscheinen und verschwinden.”
geschrieben von Hans Korfmacher
Quelle: https://denkeandersblog.wordpress.com/2015/12/10/beobachtungen-sind-interpretationen-des-aeusseren/
Vergegenwärtigen wir uns für einen kurzen Moment diesen entscheidenden Satz:
„Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann.”
(Programmierung)
Die in unserem Geist vorhandenen Vorstellungen und Ideen bestimmen und ermöglichen eine Interpretation von Sinneseindrücken. Einstein greift damit auf ein altes Sokrates-Argument zurück, der gesagt hat: „Um zu wissen, was Gerechtigkeit ist, muss man wissen, was Wissen ist; und um dies zu wissen, muss man einen ungeprüften Vorbegriff von Wissen haben. Daher kann man gar nicht zu klären versuchen, was man weiß oder was man nicht weiß. Weiß man, so bedarf es keiner Untersuchung; weiß man nicht, so weiß man nicht einmal, wonach man suchen soll.”
Einstein fährt in diesem Sinne im Gespräch mit Heisenberg fort: „Die Beobachtung ist ja ein sehr komplexer Prozess. Der Vorgang, der beobachtet werden soll, ruft irgendwelche Geschehnisse in unserem Messapparat hervor. Als Folge davon laufen in diesem Apparat dann weitere Vorgänge ab, die schließlich auf Umwegen den sinnlichen Eindruck und die Fixierung des Ergebnisses in unserem Bewusstsein bewirken. Auf diesem langen Weg müssen wir wissen, wie die Natur funktioniert, wenn wir behaupten wollen, dass wir etwas beobachtet haben. Nur die Theorie erlaubt uns, aus dem sinnlichen Eindruck auf den zugrunde liegenden Vorgang zu schließen.”
Sokrates‘ und Einsteins Gedanken sind wesentlich für das Verständnis jeder Wahrnehmung: Bei jeder Beobachtung gelangen „Geschehnisse” wie Licht, bewegte Luft (Töne), Gerüche, Wärme oder Kälte direkt oder über Messapparate zu unseren Sinnesorganen. Dadurch erleben wir zunächst die „Erscheinungswelt” der Sinneseindrücke, welche erst durch eine Interpretation der Wahrnehmung zur „Bühne der Lebenden” wird, wie die griechischen Philosophen dies zutreffend bezeichnen. Doch:
„Erscheinen heißt stets: anderen so und so zu scheinen, und dieses Scheinen verändert sich mit dem Standpunkt und der Perspektive der Schauenden. Mit anderen Worten, jedes Erscheinende erhält kraft seiner Erscheinungshaftigkeit eine Art Schleier, der es durchaus verbergen oder entstellen kann.”
Mit Hilfe von Weltbildern (Programmierungen) lernen wir also, die Erscheinungswelt der Sinne – die Phänomene – in einer bestimmten Art und Weise zu interpretieren. Wenn ich Licht sehe, kann ich dies als eine angenehme Sicherheit oder Wärme wahrnehmen oder ich kann eine Gefahr erkennen wie bei einer Explosion. Die ungeprüften Vorstellungen oder Theorien in meinem Geist sind Voraussetzungen für jeweilige Interpretationen. Diese Interpretationsmuster wiederum basieren auf vergangenen Wahrnehmungen und daraus entwickelten Erfahrungen, die seit vielen hunderttausend Jahren teils bewusst, teils intuitiv in meinem Geist und dem der Menschheit abgespeichert werden.
Einsteins Beschreibung des Wissenschaftsprozesses stellt die Wissenschaftstheorie endgültig vom positivistischen Kopf auf die relativistischen Füße. Nicht die Beobachtung selbst erlaubt das Aufstellen von Theorien. Vielmehr bedarf es eines Weltbildes – eines komplexen Systems aus vielen kompatiblen Theorien – um etwas beobachten zu können. Dieser Strategie folgte auch Galilei, indem er eine neue Weltsicht mit der Kraft seiner Worte als Ausdruck seiner Ideen erschuf – ganz ohne Daten. Er nahm das heliozentrische Weltbild als gegeben an und beschrieb von diesem aus alle ihm bekannten Phänomene. Dementsprechend gilt: Stelle ich mich auf den Standpunkt einer Atomtheorie mit Atomen und Elektronen als Partikel, dann werde ich Atome und Elektronen beobachten. Stelle ich mich auf den Standpunkt einer Theorie, die die Materie ohne Teilchen beschreibt, werde ich Entsprechendes beobachten. Das, was wir im „Schauspiel des Lebens” beobachten, ist abhängig von den eigenen geistigen Vorstellungen, die wiederum selbst das Ergebnis vorheriger Interpretationen sind. Insofern sind unsere Ideen die besten Beweise für die Existenz eines nicht materiellen Geistes.
Der größte Teil unserer Vorstellungen entsteht aus Konventionen, die wir beispielsweise als Baby durch Kommunikation mit unseren Eltern lernen: Essen und Trinken tun gut, genauso Schmusen oder Singen. Später lernen wir viele tausend Worte und Begriffe als Verabredungen über Bedeutungen. So wird ein kugeliges Ding mit dem Begriff Ball ausgestattet. Weitere Vorstellungen ergeben sich aufgrund von Handlungen aller Art. Jede Handlung hinterlässt im Geist eine neue Datenspur, die wiederum den weiteren Blick auf die Welt prägt. Denn „wir sind von dieser Welt und nicht bloß in dieser Welt; wir sind selbst Erscheinungen, da wir ankommen und fortgehen, erscheinen und verschwinden.”
geschrieben von Hans Korfmacher
Quelle: https://denkeandersblog.wordpress.com/2015/12/10/beobachtungen-sind-interpretationen-des-aeusseren/
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