2015-06-19

Astronomen bauen ein Teleskop, das so groß wie die Erde ist

Es gibt Neues aus der wunderbaren Welt der technischen Gadgets, aber diesmal ist es garantiert kein Wearable: Astronomen haben ein Teleskop gebaut, das so groß wie die Erde ist.

By ESO/B. Tafreshi/TWAN (twanight.org) (http://www.eso.org/public/images/potw1222a/) [CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons
Denn im Herzen unserer Milchstraße sitzt ein gefräßiges Loch. Es ist winzig klein und hat doch schon die Masse von 400 Millionen Sonnen verschlungen. Ab und zu rülpst es etwas Strahlung aus. Dutzende Sterne kreisen darum. Ihnen dient das Ding, das sehr wahrscheinlich ein supermassives Schwarzes Loch ist, als Energiezentrum. Das Fressmonster im Zentrum unserer Galaxie hat auch einen Namen: Sagattarius A*, mit Sternchen, weil seine Entdeckung 1974 so aufregend war, dass sie ein Sternchen verdiente.

Mission: Den Ereignishorizont beweisen und das erste Bild eines Schwarzen Lochs machen.
Doch niemand hat es je gesehen. Deswegen möchte ein internationales Team aus Astronomen mit dem größten Teleskop aller Zeiten endlich das erste Bild eines Schwarzen Lochs machen.



Dieses Foto kommt vom European Southern Observatory und zeigt ein Schwarzes Loch in der Galaxie PK1830-211, das das tut, was es am besten kann: Energie verschlingen. Bild: imago / ESO

Aber wie will man etwas fotografieren, das Licht frisst? Nun, Einstein hat berechnet, dass um das Schwarze Loch ein ungefähr kreisförmiger Schatten des Ereignishorizonts sein müsste—das ist der Punkt, hinter dem alles Licht, alle Materie geschluckt wird. Und genau diesen Ereignishorizont gilt es mit dem neuen, erdballgroßen Teleskop experimentell zum ersten Mal zu beweisen.

Das Event Horizon Telescope ist eigentlich ein Netzwerk aus Radioobservatorien auf der ganzen Welt. Wenn alles funktioniert, werden die Aufnahmen 1000-fach höher aufgelöst als die des Hubble-Teleskops sein, und die Bilder gut genug sein, um durch den Nebel und den Staub zu blicken, der das Zentrum unserer Galaxie meistens verschleiert.

Wir haben auch schon die nächste Frage beantwortet, die sich jetzt stellt: Das passiert mit deinem Körper, wenn du in ein Schwarzes Loch fällst

Die Forscher wollen das mit einem griffig betitelten Verfahren namens „Langbasisinterferometrie“ erreichen. Das heißt eigentlich nur, dass verschiedene Observatorien weltweit zu Eckpunkten in einem riesigen Netz werden, die dann das endgültige Ereignishorizont-Teleskop bilden.



Mit dem Südpol-Teleskop (SPT) und dem Atacama-Pfadfinder-Experiment (APEX) wurde im Januar 2015 erstmals eine gemeinsame Beobachtung im Rahmen eines “Very Long Baseline Interferometry” Experiments durchgeführt. Bild: Dan Marrone | University of Arizona.

Chile, Hawaii, Spanien—je mehr Teleskope integriert werden, desto höher aufgelöst und schärfer wird nachher das Bild. Das System funktioniert sogar umso besser, je weiter die einzelnen Stationen voneinander entfernt sind. Das bedeutet, dass die Forscher zu den abgelegensten Punkten der Erde reisen müssen, um die Observatorien aufzurüsten und zu vernetzen. Im Januar schloss sich das ALMA an; ein wichtiger Teleskopverband in Chile.

Außerdem wurde das Netzwerk zu Beginn des Jahres zum ersten Mal getestet und über eine Distanz von 7000 km hinweg ausprobiert. Im April dieses Jahres kam der südlichste Punkt der Erde dazu: Die Astronomen konnten ein Teleskop mit zehn Metern Durchmesser in der Amundsen-Scott-Forschungsstation am Südpol miteinbeziehen.


Das ist die Teleskopengang ALMA in Chile mit 66 Stationen. Bild: imago / ALMA

Mit Hilfe des Teleskops wollen die Forscher aber nicht nur endlich den Ereignishorizont sehen, sondern auch den Prozess der Akkretion besser verstehen—oder wie wir Laien sagen: Wie das schwarze Loch frisst.

Die Position von Sagattarius-A* hat das Schwarze Loch übrigens selbst verraten, weil diese Objekte paradoxerweise mit die hellsten Objekte im Universum sind. Denn wenn ein Schwarzes Loch zum Beispiel einen Stern verschlingt, wird der erhitzt, während er hineintrudelt. Und gibt Strahlung ab, die so hell leuchtet, dass es den Sitz eines Schwarzes Lochs in ein gleißendes Spotlight rückt, wie hier zu sehen:



Nein, ich weiß leider nicht, was Maus und Schlange sind, aber das ist ein Bild vom Zentrum unserer Galaxie, und das helle Leuchten ist Sagittarius A*. Bild: Caltech | Gemeinfrei

Für die Grenze, an dem alles Licht hoffnungslos verschluckt wird—dem Ereignishorizont—gibt es nur theoretische Berechnungen. Aber hoffentlich nicht mehr lange. Insgesamt machen am Mammutprojekt Event Horizon-Teleskop 20 Universitäten und Forschungsinstitute mit. Ein Teil davon ist die Black Hole Camera, die ein Bonner und seine beiden europäischen Kollegen entwickeln. Die beiden Projekte werden inhaltlich eng zusammenarbeiten.

Verantwortlich für diese Kamera sind vor allem drei europäische Astrophysiker, die sich vor zwei Jahren erfolgreich um ein erstklassiges und sehr begerhtes EU-Forschungsgeld beworben hatten. Nun kann die Vernetzung der Stationen beginnen. „Schwierig daran ist vor allem die Gleichschaltung“, erzählt mir Herr Junkers vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie an der Uni Bonn. „Die Observatorien müssen alle mit unglaublich genauen Zeitmessern ausgestattet werden—also Atomuhren, die mitlaufen.“

Als würde man vom Mond aus versuchen, eine Orange auf der Erde zu erkennen.

Unser nächstbestes Schwarzes Loch ist übrigens ziemlich groß selbst für Schwarzes-Loch-Dimensionen: Etwa 30mal so groß wie die Sonne. Leider ist es trotzdem verdammt weit weg: Ungefähr so groß wie eine Orange auf der Erde, wenn man selbst auf dem Mond steht—26 000 Lichtjahre entfernt. Aber das Schwarze Loch rülpst ein bisschen und macht sich daher bemerkbar: Es sendet abgesehen von der Plasmastrahlung seiner Akkretion schwache Radiowellen aus, die seine Position verraten. Diese Radiowellen sind das letzte Lebenszeichen von den Gasmassen, von denen sich das Schwarze Loch ernährt.

Obwohl wir also schon einiges über diese faszinierenden Fressmonster wissen, ist eine Grundfrage noch nicht geklärt: Wir wissen trotz Einsteins Berechnungen noch immer nicht genau, ob es sie gibt (genauso wie wir genau genommen nicht wissen, ob es die Schwerkraft gibt—sie hat bislang nur immer funktioniert). Es könnte sein, dass sich in der Mitte unserer Galaxie auch etwas komplett anderes befindet, dass sich nur bislang noch niemand vorstellen kann. Die Astronomen wollen mit dem Bild von Sagittarius A* also auch Einsteins Relativitätstheorie einem Praxistest unterziehen. Und natürlich vor allem: Ein spektakuläres Foto vom großen Nichts machen. 
 
Quelle: http://motherboard.vice.com/de/read/astronomen-bauen-ein-teleskop-das-so-gro-wie-die-welt-ist-999

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