Die neue Regierung in Finnland hat sich darauf geeinigt, das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) zu testen. Im Kapitel „Gesundheit und Wohlfahrt“ des neuen Koalitionsvertrages zwischen der liberalen Zentrumspartei, der rechtspopulistischen Finns Party und der konservativen NCP ist die „Einführung eines Grundeinkommens-Experiments“ nun tatsächlich wortwörtlich festgeschrieben.
Acht von zehn Finnen gefällt das.
Bei einer Umsetzung in der nun beginnenden Legislaturperiode wäre es der erste Versuch eines europäischen Landes, ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen. Finnland erhofft sich davon eine effizientere Organisation des Sozialstaates, wenn alle Transferleistungen wie Kindergeld, Rente, Wohngeld und Sozialhilfe durch einen fixen Betrag zur Grundsicherung (der unabhängig von Alter und Einkommen monatlich ausgezahlt wird) ersetzt werden. Ursprünglich erreichte das Thema BGE die finnische Politik durch eine kleine Anfrage im Parlament zur wirkungsvolleren Armutsbekämpfung.
Zwar ist noch nicht näher geregelt, wie genau das Experiment ablaufen soll—doch auch die Finnen selbst scheinen die Idee generell eindeutig gutzuheißen. Von ganzen 79 Prozent Zustimmung ist in Umfragen die Rede. Die liberale Zentrumspartei befürwortete schon vor der Wahl das Grundeinkommen; es könnte also gut sein, dass die Partei eben mit dieser Idee die meisten Stimmen gewonnen hat.
Ihr Vorsitzender (und Finnlands neuer Premierminister) Juha Sipilä schlug bereits im September vergangenen Jahres vor, in städtischen Ballungszentren und Gegenden mit signifikant hoher Arbeitslosigkeit vorerst regionale Pilotprojekte mit bedingungslosem Grundeinkommen zu starten.
Auch parteiübergreifend ist das Grundeinkommen ein Dauerthema, für das sich direkt vor den Parlamentswahlen am 19. Juni dieses Jahres bereits eine klare Mehrheit fand: Eine Umfrage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks YLE ergab, dass insgesamt 65,5% der Parlamentskandidaten die Idee unterstützen. Selbst der konservativen und einwanderungskritischen Finn's Party (zuvor: „Wahre Finnen“) gefällt das.
In einer Marktforschung des Think Tanks e2 (in Auftrag gegeben von der Zentrumspartei) wurden 1268 Finnen um ihre Einstellung zum folgenden Satz gebeten: „Ich würde gern ein Grundeinkommen beziehen, wenn es den Lebensunterhalt der Menschen sicherstellt, [sozialen] Missbrauch reduziert und gleichzeitig Arbeit und Unternehmergeist fördert.“
Während die Unterstützung in den jüngeren Altersgruppen am stärksten ist, befürworten auch mehr als drei Viertel aller Senioren die Idee. Insgesamt stimmen vier von fünf Finnen (79%) dem bedingungslosen Grundeinkommen zu. Selbst Finnen mit einem hohen Einkommen unterstützen das Konzept. Am geringsten ist die Zustimmung unter Bauern—nur 15% der Befragten dieser Gruppe können sich bislang mit dem Modell anfreunden.
Alle bisherigen (wenn auch zaghaften) Experimente mit dem bedingungslosen Grundeinkommen waren soweit vielversprechend. So zeigte zum Beispiel ein 4-jähriges Experiment in der kanadischen Stadt Dauphin in den 1970er Jahren, dass die Gesellschaft insgesamt vom BGE profitierte, und dass—entgegen verbreiteter Kritik—auch niemand die Motivation verlor, zu arbeiten.
In der Schweiz liegt derzeit ein Antrag zur Einführung eines Grundeinkommens von umgerechnet 2080 Euro beim Parlament, 2016 soll es einen Volksentscheid geben. Allerdings scheiterte die Umsetzung bislang trotz öffentlichkeitswirksamer Promotionaktionen vor dem Schweizer Parlament am heftigen Widerstand aus den Fraktionen.
So soll das bedingungslose Grundeinkommen in der Schweiz funktionieren
In Deutschland sind solche konkreten Pläne bisher kein Thema auf der politischen Agenda. Dafür verlost die private Crowdfunding-Initiative Mein Grundeinkommen jeden Monat ein crowdgefundetes, bedingungsloses Grundeinkommen für ein Jahr und will damit zeigen, wie positiv die Auswirkungen auf Gesundheit, Wirtschaftsleistung und Arbeitsmotivation sein können. Und auch in Namibia lief über mehrere Jahre ein Sozialprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen: Das spendenfinanzierte Basic Income Grant (BIG) sollte den Bürgern eines Dorfes nahe Windhuk einen Sockelbetrag zur Verfügung stellen und die Veränderungen im Sechsmonatsabstand messen— das Projekt wurde aber 2013 überraschend wieder eingestellt.
Die konkreten Modelle, die momentan in Finnlands Parteien zur Umsetzung diskutiert werden, unterscheiden sich bisher noch sehr: Die linke Allianz schlägt magere 620 Euro vor, die Grünen haben einen Vorschlag eingereicht, der eher wie ein „Hartz IV plus“ daher kommt (440 Euro pro Monat). Beide Parteien hatten ihre Modelle bereits fest in ihrem Wahlprogramm verankert. Der wirtschaftsliberale Kandidat Björn Wahlroos hat für sein Modell wiederum zwischen 850 und 1.000 Euro pro Monat veranschlagt. Die Helsinki Times dagegen rechnet angesichts der Lebenshaltungskosten in dem Land vor: „Um Armut wirklich zu beseitigen, sollte jeder monatlich 1166 Euro monatlich erhalten.“
Es wird also höchste Zeit, dass der Testballon endlich startet. Nie zuvor war ein Pilotprojekt des vielleicht wichtigsten Konzepts für ein Update der Arbeits- und Sozialsysteme in Europa so nah.
Bei einer Umsetzung in der nun beginnenden Legislaturperiode wäre es der erste Versuch eines europäischen Landes, ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen. Finnland erhofft sich davon eine effizientere Organisation des Sozialstaates, wenn alle Transferleistungen wie Kindergeld, Rente, Wohngeld und Sozialhilfe durch einen fixen Betrag zur Grundsicherung (der unabhängig von Alter und Einkommen monatlich ausgezahlt wird) ersetzt werden. Ursprünglich erreichte das Thema BGE die finnische Politik durch eine kleine Anfrage im Parlament zur wirkungsvolleren Armutsbekämpfung.
Finnland traut sich. Bild: imago
Zwar ist noch nicht näher geregelt, wie genau das Experiment ablaufen soll—doch auch die Finnen selbst scheinen die Idee generell eindeutig gutzuheißen. Von ganzen 79 Prozent Zustimmung ist in Umfragen die Rede. Die liberale Zentrumspartei befürwortete schon vor der Wahl das Grundeinkommen; es könnte also gut sein, dass die Partei eben mit dieser Idee die meisten Stimmen gewonnen hat.
Ihr Vorsitzender (und Finnlands neuer Premierminister) Juha Sipilä schlug bereits im September vergangenen Jahres vor, in städtischen Ballungszentren und Gegenden mit signifikant hoher Arbeitslosigkeit vorerst regionale Pilotprojekte mit bedingungslosem Grundeinkommen zu starten.
Auch parteiübergreifend ist das Grundeinkommen ein Dauerthema, für das sich direkt vor den Parlamentswahlen am 19. Juni dieses Jahres bereits eine klare Mehrheit fand: Eine Umfrage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks YLE ergab, dass insgesamt 65,5% der Parlamentskandidaten die Idee unterstützen. Selbst der konservativen und einwanderungskritischen Finn's Party (zuvor: „Wahre Finnen“) gefällt das.
In einer Marktforschung des Think Tanks e2 (in Auftrag gegeben von der Zentrumspartei) wurden 1268 Finnen um ihre Einstellung zum folgenden Satz gebeten: „Ich würde gern ein Grundeinkommen beziehen, wenn es den Lebensunterhalt der Menschen sicherstellt, [sozialen] Missbrauch reduziert und gleichzeitig Arbeit und Unternehmergeist fördert.“
Während die Unterstützung in den jüngeren Altersgruppen am stärksten ist, befürworten auch mehr als drei Viertel aller Senioren die Idee. Insgesamt stimmen vier von fünf Finnen (79%) dem bedingungslosen Grundeinkommen zu. Selbst Finnen mit einem hohen Einkommen unterstützen das Konzept. Am geringsten ist die Zustimmung unter Bauern—nur 15% der Befragten dieser Gruppe können sich bislang mit dem Modell anfreunden.
Alle bisherigen (wenn auch zaghaften) Experimente mit dem bedingungslosen Grundeinkommen waren soweit vielversprechend. So zeigte zum Beispiel ein 4-jähriges Experiment in der kanadischen Stadt Dauphin in den 1970er Jahren, dass die Gesellschaft insgesamt vom BGE profitierte, und dass—entgegen verbreiteter Kritik—auch niemand die Motivation verlor, zu arbeiten.
In der Schweiz liegt derzeit ein Antrag zur Einführung eines Grundeinkommens von umgerechnet 2080 Euro beim Parlament, 2016 soll es einen Volksentscheid geben. Allerdings scheiterte die Umsetzung bislang trotz öffentlichkeitswirksamer Promotionaktionen vor dem Schweizer Parlament am heftigen Widerstand aus den Fraktionen.
So soll das bedingungslose Grundeinkommen in der Schweiz funktionieren
In Deutschland sind solche konkreten Pläne bisher kein Thema auf der politischen Agenda. Dafür verlost die private Crowdfunding-Initiative Mein Grundeinkommen jeden Monat ein crowdgefundetes, bedingungsloses Grundeinkommen für ein Jahr und will damit zeigen, wie positiv die Auswirkungen auf Gesundheit, Wirtschaftsleistung und Arbeitsmotivation sein können. Und auch in Namibia lief über mehrere Jahre ein Sozialprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen: Das spendenfinanzierte Basic Income Grant (BIG) sollte den Bürgern eines Dorfes nahe Windhuk einen Sockelbetrag zur Verfügung stellen und die Veränderungen im Sechsmonatsabstand messen— das Projekt wurde aber 2013 überraschend wieder eingestellt.
Die konkreten Modelle, die momentan in Finnlands Parteien zur Umsetzung diskutiert werden, unterscheiden sich bisher noch sehr: Die linke Allianz schlägt magere 620 Euro vor, die Grünen haben einen Vorschlag eingereicht, der eher wie ein „Hartz IV plus“ daher kommt (440 Euro pro Monat). Beide Parteien hatten ihre Modelle bereits fest in ihrem Wahlprogramm verankert. Der wirtschaftsliberale Kandidat Björn Wahlroos hat für sein Modell wiederum zwischen 850 und 1.000 Euro pro Monat veranschlagt. Die Helsinki Times dagegen rechnet angesichts der Lebenshaltungskosten in dem Land vor: „Um Armut wirklich zu beseitigen, sollte jeder monatlich 1166 Euro monatlich erhalten.“
Es wird also höchste Zeit, dass der Testballon endlich startet. Nie zuvor war ein Pilotprojekt des vielleicht wichtigsten Konzepts für ein Update der Arbeits- und Sozialsysteme in Europa so nah.
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