Der ehemalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Willy Wimmer, besucht gegenwärtig die Halbinsel Krim. Im Exklusiv-Interview berichtet er von seinen Eindrücken. Die jüngste Aussage der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, Europa wolle eine russische Krim nicht anerkennen, bewertet er als "dumme Politik".
Herr Wimmer, Sie befinden sich aktuell auf der Krim, um sich selbst ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Sie haben dort auch bereits einige Gespräche geführt. Was sind Ihre ersten Eindrücke?
Es ist ein Heimspiel, das muss man wirklich sagen. Man fühlt sich hier sehr wohl. Die Gespräche sind sehr offen und konstruktiv, wie unter Freunden. Wir werden hier gut wahrgenommen und es ist alles sehr entspannt. Wir wohnen ja derzeit in Jalta und das ist eine liebenswürdige, charmante Stadt, wie man sie auch am Mittelmeer antreffen könnte. Es ist grandios, sich hier landschaftlich zu bewegen. Hinter der Stadt sind die schneebedeckten Berge. Es gibt kaum einen Platz auf dem Globus, den man sich malerischer denken kann
Mit wem haben Sie bereits Gespräche führen können?
Ich konnte im Rahmen unseres bisherigen Programms Einblicke in die Bedeutung von Jalta erhalten. Wir waren im Zarenschloss, wo auch die berühmte Konferenz von Jalta stattgefunden hat. Wir waren heute Morgen in einer Einrichtung, einer Art ‚Elite-Internat‘. Dort behandeln Hunderte von Schülerinnen und Schüler aus der Russischen Föderation und aus der ganzen Welt für drei Wochen bestimmte Themen. Aktuelles Thema ist der Kosmos. Das sind exzellente Schüler. Sie sind in einer Umgebung hier untergebracht, wo ich nur sagen kann: Das ist weltweiter Top-Standard. Wir haben auch junge Deutsche dort getroffen. Die haben uns gesagt, sie sind in großer Erwartung hierher gefahren, wussten aber nicht, was auf sie zukommt. Doch die russischen Schüler haben diese Deutschen mit solch einer Herzlichkeit begrüßt, das war schon beeindruckend
Morgen wird es in die politischen Gespräche gehen. Mit dem Ministerpräsidenten und dem Parlamentspräsidenten der Krim. Wir werden die Flotte in Sewastopol besuchen und werden Kränze auf dem deutschen und einem russischen Soldatenfriedhof niederlegen. Die politischen Themen werden dann anstehen, nachdem wir uns einen Einblick in die Gegebenheiten hier auf der südlichen Krim haben verschaffen können.
Lassen Sie uns auf die politische Situation schauen. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini hat jüngst in Moskau noch einmal klargemacht, dass die Europäische Union eine russische Krim „nicht anerkennen will“. Wie bewerten Sie diese Aussage?
Das ist jenseits jeder historischen Erkenntnis. Man muss das doch ganz nüchtern sehen: Wenn es in Kiew keinen Putsch gegeben hätte, dann wäre es auch nicht zu dieser Entwicklung gekommen. Die Ursache liegt also beim Putsch in Kiew - und das war in keinem Fall die Russische Föderation. Vor diesem Hintergrund ist das, was Frau Mogherini sagt, geschichtsfremd. Es ist politisch dumm. Anders kann man es nicht nennen. Weil die Kräfte, die den Putsch losgetreten haben, die gleichen Kräfte sind, mit denen Frau Mogherini und Brüssel in besonderer Weise verbunden sind.
Die Menschen auf der Krim haben von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch gemacht. Sie haben den Weg gewählt, der ihnen bei bisherigen Referenden, die nach 1992 auf der Krim durchgeführt wurden, nicht eingeräumt wurde. Also vor diesem Hintergrund sollte die EU, aber auch die Bundeskanzlerin, wenn sie in wenigen Tagen nach Russland reist, zu ihrer eigenen Verantwortung für die Entwicklungen in der Region Krim stehen.
Nun scheint es auch bei den Sanktionen gegen Russland innerhalb der EU unterschiedliche Meinungen zu geben. Warum bleibt Brüssel offiziell bei dieser harten Haltung gegenüber Moskau?
Man kennt ja die politischen Gegebenheiten. Wir müssen uns bei den Sanktionen über eines im Klaren sein: Es hat Sanktionen nur gegeben, weil diejenigen in Washington, die für den ukrainischen Putsch verantwortlich sind, den Europäern anschließend die Arme auf den Rücken gedreht haben, damit es zu diesen Sanktionen gekommen ist. Das hat Joe Biden ja auch so öffentlich gesagt. Die Amerikaner und Europäer haben mit ihrer Sanktionspolitik mehrere Fliegen mit einer Klatsche erledigt: Die haben die Ukraine vor vollendete Tatsachen gestellt. Die sind verantwortlich für den staatsrechtlichen Verlust der Krim für die Ukraine. Und die haben anschließend eine Sanktionspolitik gegenüber Europa diktiert. Das hat Europa in eine schwierige Lage versetzt.
Blicken wir auf die Rolle der ukrainischen Regierung. Präsident Petro Poroschenko hatte jüngst gesagt: Russland sei ein Krokodil, das viele füttern möchten, damit es sie heute nicht frisst. Womit würden Sie die Ukraine heute vergleichen?
Also ich bin oft genug in der Ukraine gewesen. Ich kenne Land und Leute. Die Menschen dort leben europäische Kultur. Wer in Lemberg oder Jalta war, der weiß, welche kulturelle Bedeutung die Ukraine für Europa hat. Wir leiden alle noch unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges. Dass es aber eine Regierung gibt, die nationalsozialistische Kräfte gegen die Russische Föderation im Donbass in Stellung gebracht haben - das kann doch nicht sein. Dass wir in unseren eigenen Ländern alles tun, um NS-Gedankengut wegzudrücken. Und andererseits unterstützen wir mit hunderten von Millionen Euro eine Regierung in der Ukraine, die sich genau dieser NS-Kräfte bedient. Das kriegt man doch nicht auf die Reihe. Herr Poroschenko sollte seine Villa in Jalta mal häufiger besuchen.
Einige Beobachter sagen, dass die ukrainische Regierung versucht, der Krim an verschiedenen Stellen Schaden zuzufügen. Konnten Sie davon etwas in Ihren Gesprächen mitbekommen?
Man muss das doch ganz nüchtern sehen. Die Menschen hier auf der Krim stehen vor einer Situation, die sie selbst nicht herbeigeführt haben. Die aber mit Sicherheit kompliziert ist. Man sollte von außen jetzt kein Öl ins Feuer gießen. Das sind Aktionen, die sind in hohem Maße dämlich. Mit so was sollte man sich nicht abgeben.
Welche Momente Ihrer Krim-Reise werden Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?
Das ist der Besuch auf den beiden Soldatenfriedhöfen. Bei Deutschen in meiner Generation geht das ja auch in die Familiengeschichte herein. Mein Vater kam nicht weit weg von hier in russische Kriegsgefangenschaft und hat dann als Gefangener im Bergwerk im Donbass gearbeitet. Er ist aus Gesundheitsgründen in die Heimat entlassen wurden, hat sie aber nie gesehen, weil er zwischen Krakau und Breslau im Zug verstorben ist. Das sind Dinge, da gibt es bei uns in Deutschland noch Millionen Betroffene.
Mein Fazit ist, es kann nur eine Konsequenz geben, in Anbetracht aller Dinge, die jetzt auch durch die Nato hochgefahren werden: Wir wollen keinen Krieg! Wir wollen keine Opfer! Das will auch die überwältigende Mehrheit der Deutschen.
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