Zehn Tonnen abgereichertes Uran sollen Nato-Flieger 1999 auf Jugoslawien abgeworfen haben – so die offizielle Zahl. Was die Fachleute alarmiert, ist der Anstieg der Krebsrate in Serbien seit dem Nato-Überfall: Mehr als um das Doppelte haben Todesfälle durch Leukämie zugenommen. Eine Ärzte-Gruppe will die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.
Sie würde gerne Bill Clinton und Tony Blair auf der Anklagebank sehen, sagt die serbische Neurochirurgin Danica Grujicic gegenüber der Agentur Sputnik. Die beiden „hatten ihre Freude daran, unsere Kinder sterben zu sehen“, so die Ärztin.
Grujicic ist Mitglied einer Expertengruppe, die die Folgen des Nato-Bombardements von 1999 für die Gesundheit der Menschen in Serbien untersuchen will. Zugegeben, eine sehr heikle Angelegenheit. „Ohne seriöse Daten kommen wir hier nicht aus. Würden wir jetzt schon über Klagen gegen Nato-Länder spekulieren, wäre dies unseriös“, sagt die Chirurgin.
Denn noch ist der direkte Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Uranmunition und der höheren Krebsrate nicht belegt. „Es gibt eine Unmenge an Daten, die über verschiedene Behörden verstreut sind.“
Der erste Schritt der Ärzte-Initiative ist deshalb: Daten, die über das ganze Land verteilt sind, sammeln und auswerten. „Wir sind überzeugt davon, beweisen zu können, dass der Nato-Angriff auf Jugoslawien eine Umweltkatastrophe regionalen Ausmaßes verursacht hat“, sagt Grujicic.
Ein klares Indiz dafür ist auch die Zunahme von Genmutationen in jenen Gebieten, wo die Nato-Kräfte Uranmunition abgeworfen haben: 27 Prozent der Menschen in diesen Gegenden weisen Missbildungen auf – gegenüber dem Landesdurchschnitt von maximal zwei Prozent.
Es gehe auch darum zu verstehen, welche Gebiete in Serbien wegen hoher Belastung durch radioaktive und chemische Stoffe besonders gefährdet seien. „Wir sind keine Panikmacher und behaupten auch gar nicht, dass ganz Serbien verschmutzt sei. Das sicher nicht. Aber es gibt bestimmte Gebiete, wo das Leben mehr gefährdet ist als in anderen“, sagt die Ärztin.
Deshalb sei es wichtig, nicht nur den Ist-Zustand festzustellen, sondern „Maßnahmen auszuarbeiten, die die Folgen dieses Horrors von 1999 wenn nicht beseitigen, so doch abmildern.“
Enorme Arbeit muss die Ärzte-Initiative noch leisten, um die schlimmen Folgen des Bombardements zu belegen – viel Zeit könnte vergehen, bis es soweit sei. Die Folgen des Nato-Angriffs würden noch in 100 bis 200 Jahren zu spüren sein. Aber dies beweise geradezu, dass „die Nato-Aggression auch ein Völkermord war. Darin bestand eben ihr hinterhältiger Plan“, sagt die Neurochirurgin.
Ihre eigenen Truppen hatte die Nato jedenfalls über mögliche Krankheiten gewarnt, die bei ihnen nach dem Einsatz in Jugoslawien auftreten könnten.
„Sie veröffentlichten damals eine Broschüre darüber, wie amerikanische Soldaten sich in jenen Teilen des Kosovo verhalten sollen, die bombardiert worden waren“, sagt Grujicic.
Italienische Soldaten seien aber nicht gewarnt worden. „Sie gewannen dann später Gerichtsprozesse gegen ihre eigenen Länder – besser gesagt ihre Familien gewannen die Prozesse, weil die meisten Soldaten vorher an Krebs gestorben waren.“ Fälle, die bis heute als „Balkan-Syndrom“ bekannt sind.
Skandalös nennt Grujicic die Tatsache, dass die Nato die Uranmunition ohne jede Notwendigkeit einsetzte. Die Allianz habe so ihren radioaktiven Müll loswerden wollen. „Wer behauptet, die Wirkung abgereicherten Urans sei überhaupt nicht schädlich, müsste mir erklären, warum man diesen Strahlenmüll in speziellen Lagern aufbewahrt statt mitten auf der Wiese.“
Abgereichertes Uran sei dabei nur die Spitze des Eisberges: „Nicht abzuschätzen sind die Folgen dessen, dass die Nato auch Chemiewerke in der Nähe serbischer Städte bombardiert hat – Ölraffinerien zum Beispiel.“
Am meisten unter dem Einsatz von Uranmunition gelitten hat die serbische Teilrepublik Kosovo. Doch Daten zu erheben, sei besonders schwierig: „Das Problem ist, dass an der Spitze dieses Quasi-Staates heute Menschen stehen, an deren Ruf und Integrität man durchaus zweifeln darf. Sie werden nicht zulassen, dass dort jemand über diese Probleme spricht und die Missstände anprangert.“
Aber auch wenn hinreichend Belege gesammelt werden: Eine Klage gegen die Nato sei ohnehin unmöglich – verklagt werden könnten nur die einzelnen Mitgliedsländer der Allianz. „Und es ist ja bekannt, wer sich beim Angriff auf Jugoslawien besonders hervorgetan hat: Die USA und Großbritannien“, so die Chirurgin.
„Heute höre ich einige Nato-Vertreter sagen, es tue ihnen leid, dass 1999 friedliche Zivilisten gestorben sind. Aber was sie getan haben, ist ein schreckliches Verbrechen. Und ich hoffe, sie werden sich dafür verantworten müssen.“
Vorerst aber müssen die Wissenschaftler die nötigen Daten bereitstellen. Aber es seien ja noch andere Länder bombardiert worden: Libyen, Syrien, Afghanistan, Irak, so die Chirurgin Grujicic. „Es gibt also die Möglichkeit, ein Gremium zu schaffen, in dem dann mehrere Generationen von Ärzten arbeiten könnten“, damit die Verbrechen aufgeklärt werden.
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