2015-09-24

Forscher verbinden Gehirne über das Internet

Was US-amerikanischen Wissenschaftlern soeben im Experiment gelungen ist, wäre vor ein paar Jahren noch in die Kategorie "Science-Fiction" gefallen: ein Dialog zwischen zwei Menschen, die Hirnströme über das Internet austauschen.


Wenn man sich's genau überlegt, ist im Grunde jede Unterhaltung ein Mirakel. Im Hirn des Sprechers sorgen elektrische Ströme dafür, dass sich die Muskeln in Mund und Kehlkopf bewegen und die Stimmbänder zu schwingen beginnen. Der Schall tritt an das Ohr des Zuhörers, wo das Ganze wieder in elektrische Erregungen übersetzt wird.

Diese wandern durch den "Nervus acusticus" bis in die Großhirnrinde - dann hört der Hörer, obwohl es im Gehirn ziemlich still ist. Das Gleiche gilt für das Sehen: Im Kopf ist es stockdunkel, das tut der Farbenpracht der Welt freilich keinen Abbruch.

Die Studie

"Playing 20 Questions with the Mind: Collaborative Problem Solving by Humans Using a Brain-to-Brain Interface", Plos One (23.9.2015).

Versuch: Fragen, ohne zu sprechen

Wäre es auch möglich sich zu unterhalten, ohne die Muskeln und die Sinnesorgane zu benutzen – quasi von Hirn zu Hirn? Ja, lautet die Antwort von Andrea Stocco. Der Psychologe von der University of Washington hat nun folgenden Versuch durchgeführt: Er platzierte zwei Probanden in Räumen seiner Universität. In Raum eins befand sich der "Befragte" (B) - er trug eine EEG-Kappe, die seine Hirnströme aufzeichnete, und bekam auf einem Bildschirm verschiedene Dinge gezeigt, zum Beispiel einen Hund.

In Raum zwei, anderthalb Kilometer entfernt, befand sich der "Fragesteller" (F). Auch er sah diese Objekte auf einem Bildschirm – seine Aufgabe bestand darin herauszufinden, was B gerade gesehen hatte.

University of Washington
Experiment: Der Befragte mit EEG-Kappe
Das konnte er mittels einer "Frage" tun: Die bestand darin, das betreffende Bild, etwa den Hund, mit dem Cursor zu berühren. Dadurch begannen auf dem Bildschirm von B zwei Lampen in unterschiedlicher Frequenz zu blinken. Eines stand für die Antwort "Ja", das andere für "Nein". B brauchte bloß auf das richtige Licht zu schauen, seine Hirnströme wurden in ein digitales Signal übersetzt und via Internet zu F geschickt, was wiederum eine Haube aktivierte, die F auf seinem Kopf trug.

Die Haube erzeugte ein Magnetfeld und stimulierte Fs Sehzentrum in der Großhirnrinde. Lautete die Antwort "Ja", sah F plötzlich Licht. Natürlich kein echtes, aber für die Neuronen im Sehzentrum macht das keinen Unterschied.

Nächster Schritt: "Brain Turorials"

Wie die Forscher im Fachblatt "Plos One" schreiben, funktionierte das Experiment bei den insgesamt zehn Studienteilnehmern recht gut. Die Trefferquote betrug 72 Prozent. Der Versuch könnte laut den Wissenschaftlern auch zu medizinischen Anwendungen führen. Stocco und sein Team wollen nun "Brain Turorials" entwickeln, bei denen ein gesunder Mensch seine Hirnströme zum Beispiel auf Schlaganfallpatienten überträgt.


"Die Evolution hat eine gewaltige Zeitspanne gebraucht, um die Kommunikation zwischen Menschen oder Tieren zu entwickeln. Kommunikation funktioniert nur dann, wenn Gehirne Signale verarbeiten", sagt Stocco. "Wir öffnen nun diese Box - und übertragen diese Signale direkt von einem Gehirn auf ein anderes."

Robert Czepel, science.ORF.at / http://science.orf.at/stories/1763119/

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