2015-04-22

Big Brother Awards 2015: Amazon, Hello Barbie und der BND

Ich war ja am Wochenende beim BigBrother Award 2015 in Bielefeld. Und es war wie immer eine klasse Veranstaltung. Besonders erschrocken haben mich jedoch über die Machenschaften der Firma Amazon, die gleich mehrere Preise abgeräumt haben. 
Ich kann mich den Worten von der Netzkultur nur anschliessen und mich für diese leider von Jahr zu Jahr notwendiger werdende Veranstaltung bedanken. Leider habe ich es nicht rechtzeitig geschafft einen eigenen Artikel zu schreiben. Darum übernehme ich hier den Text


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Freitag war es mal wieder soweit: Die Datenschutz-Negativpreise des „Big Brother Awards 2015“ wurden verliehen. Der der Star des Abends war 2015 Amazon, denn gleich zwei Datenkraken heimste der Online-Shop-Gigant mit dem miesen Ruf bei der arbeitenden Bevölkerung ein: Für Wirtschaft und Arbeitswelt. Den Technik-Preis bekam erstmals eine Puppe: mit “Hello Barbie” -dem SpyToy der Firmen Mattel und Toytalk, das schon Kinder daran gewöhnt bespitzelt zu werden -nicht nur von den eigenen Eltern. Doch der BND musste nicht weinen, er wurde für vorbildliche Zusammenarbeit mit der NSA geehrt. Ebenso die (Ex-) Bundesminister Hermann Gröhe (Gesundheit), Thomas de Maizière und Hans-Peter Friedrich (Innen). Als “Neusprech” belobigt wurde der Versuch, uns die Vorratsdatenspeicherung als “digitale Spurensicherung“ unterzujubeln.

Die Big Brother Awards prämieren Datensünder in Wirtschaft und Politik und wurden deshalb von Le Monde „Oscars für Datenkraken“ genannt. Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden fragwürdige Praktiken mit diesen Preisen ausgezeichnet. In Deutschland werden sie organisiert und ausgerichtet von Digitalcourage (Bielefeld), Mitveranstalter sind unter anderem die DVD, ILMR und der CCC.

Technik: „Hello Barbie“


„Hello Barbie“, vertreten durch die beteiligten Hersteller Mattel und Toytalk, erhält den BigBrotherAward in der Kategorie Technik. Die Puppe ist ausgestattet mit Mikrofon und WLan. Damit zeichnet sie Gespräche auf, sendet diese zur Analyse in die Cloud und formuliert eine mehr oder weniger passende Antwort. So werden die Träume und Sorgen junger Konsument.innen auf zentralen Servern gesammelt. Diese akustische Überwachung im Kinderzimmer sendet Helikopter-Eltern sogar einen täglichen Report. In Deutschland ist diese Barbie (noch) nicht erhältlich.

Wirtschaft: Amazon Mechanical Turk und Elance-O-Desk

Die Crowdworking-Plattformen Amazon Mechanical Turk und Elance-oDesk erhalten den BBA 2015 in der Kategorie Wirtschaft für die Umsetzung des digitalen Tagelöhnertums. Ein Trend, der nicht nur unsere Arbeitswelt umkrempeln wird. Job-Häppchen ohne Mindestlohn, ohne Krankenversicherung, ohne Urlaubsanspruch und ohne Solidarität werden als „Freiheit“, „Flexibilität“ und „flache Hierarchien“ verkauft. Bei Elance-oDesk überwacht eine „Team-App“ Tastenanschläge und Mausbewegungen auf dem Computer des Auftragnehmers und sendet regelmäßig Screenshots an die Auftraggeberin. Elance-oDesk Deutschland-Chef Nicolas Dittberner nennt das „Aufbau von Vertrauen“.

Arbeitswelt: Amazon Logistik

Die beiden Amazon-Töchter in Bad Hersfeld und Koblenz erhalten den BigBrotherAward 2015 in der Kategorie Arbeitswelt für Klauseln in ihren Arbeitsverträgen, die die Persönlichkeits-rechte der Arbeitnehmer.innen verletzen. So verlangen die Firmen von ihren Beschäftigten die Zustimmung zur Verarbeitung ihrer persönlichen Daten (u.a. Gesundheitsdaten) in den USA. Außerdem behält sich Amazon das Recht vor, den Gesundheitszustand seiner Beschäftigten praktisch jederzeit feststellen zu lassen, und zwar von Ärzt.innen, die das Unternehmen benennt.

Behörden & Verwaltung: Bundesnachrichtendienst (BND)

Edward Snowden NSA & BND-Enthüller
Der Bundesnachrichtendienst (BND) erhält den BigBrotherAward 2015 in der Kategorie Behörden/Verwaltung, weil er aufs Engste in den menschenrechtswidrigen NSA-Über­wachungsverbund verflochten ist, weil er täglich Millionen Telekommunikationsdatensätze sammelt und solche massenweise an NSA & Co. übermittelt – darunter auch grundrechtlich geschützte Daten von Bundesbürgern. Trotz seiner ausufernden Praxis und der dreisten Vertuschungen seiner illegalen Praktiken wird er nicht etwa rechtsstaatlich gezügelt, sondern weiter digital aufgerüstet.

Politik: Thomas de Maizière und Hans-Peter Friedrich

Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich erhalten den BigBrotherAward 2015 in der Kategorie Politik für die systematische und grundlegende Sabotage der geplanten Europäischen Datenschutzgrundverordnung. Statt – wie öffentlich behauptet – Deutschlands hohes Datenschutzniveau nach Europa zu tragen, ließen beide Innenminister ihre Beamt.innen in enger Kooperation mit Lobbyverbänden den europäischen Datenschutz ins Gegenteil verkehren. So sollen Errungenschaften wie die Datensparsamkeit, informierte Zustimmung der Nutzer.innen und die Zweckbindung quasi abgeschafft werden.

Verbraucherschutz: Bundesministerium für Gesundheit

Das Bundesministerium für Gesundheit, vertreten durch Minister Hermann Gröhe, erhält den BBA 2015 in der Kategorie Verbraucherschutz. Das Ministerium hat mit seinen eHealth-Projekten die Vertraulichkeit zwischen Ärzt.innen und Patient.innen massiv gefährdet und erschüttert. Gleichzeitig wurden dadurch Milliardensummen aus dem Gesundheitssystem in die Taschen von börsennotierten Konzernen verschoben. Gesund gestoßen haben sich daran die Finanzmärkte, nicht die Patient.innen. Die elektronische Gesundheitskarte (BBA 2004) war nur ein Teil davon.

Neusprech: Digitale Spurensicherung

Exemplarisch für die beständigen Versuche, den Bürgern gegen ihren Willen das Überwachungskonzept der Vorratsdatenspeicherung unterzujubeln, erhält der Ausdruck „digitale Spurensicherung“ einen Neusprech-Award. Es ist nur eine von vielen Wortneuschöpfungen, mit denen die anlasslose Sammlung aller Kommunikationsdaten verschleiert werden soll. Doch sie zeigt eindrücklich, wie hartnäckig die Befürworter dieses Konzeptes seine wahre Natur verbergen wollen.

Publikumspreis 2015

Auch im Jahr 2015 wurde das Publikum befragt, welcher Preis besonders „beeindruckt, erstaunt, erschüttert, empört, …“ hatte. Die Stimmen waren diesmal recht gleichmäßig verteilt, aber mit ein wenig Vorsprung vor dem Rest des „Feldes“ gewann der Preis in der Kategorie „Politik“, der an Bundesinnenminister de Maizière und Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich gegangen war; die Laudatio war von unserem Jury-Gast aus Wien, Max Schrems präsentiert worden. Hier eine Auswahl aus den Kommentaren, die auf den Wahlzetteln hinterlassen wurden:

„Die Begründung für die Preise sind dieses Jahr so gleichwertig, dass ich mich einfach nicht entscheiden kann! Daher kein Kreuz.“

„Die Wahl fällt so schwer … Im Grunde hat jeder Kandidaten mein Kreuz verdient. Zuerst dachte ich daran, meine Wahl ‚Barbie‘ zu geben (Technik), weíl ich es infam finde, wie Konzerne sich auf dem Weg über die Kinder – die sich am wenigsten wehren können – ihre digitale Macht sichern. Wenn ich aber daran denke, dass Politiker zu willfährigen Erfüllungsgehilfen der Datenindustrie werden und deren Treiben das Mäntelchen der Legalität und Korrektheit verschaffen – dann kann mein Kreuz nur bei Politik stehen!“

„Das Ausspionieren von Kindern, verbunden mit dem Vertrauensbruch seitens der Eltern durch die Weitergabe, ist widerlich. Hier werden Menschen ausspioniert, die die Konsequenzen überhaupt nicht einordnen können.“

„Wie Kinder bereits an totale Überwachung gewöhnt werden, lässt in eine erschreckende Zukunft blicken.“

„Mit Steuergeldern Steuerzahler.innen überwachen und das ‚Nachrichtendienst‘ nennen ist wie Feuer legen und von warmer Atmosphäre sprechen.“

„Eigentlich gehören für mich BND, Gesundheitsministerium und Innenministerium – weil sie gemeinsam den Großangriff auf unsere Demokratie zeigen, und dass zusammen die gesamte Bundesregierung täglich und unverschämt lügt.“

„Die Art und Weise, wie schleichend die Solidarität innerhalb der Beschäftigten und der Gesellschaft untergraben wird, ist beispielhaft und antidemokratisch.“

[über Amazon Mechanical Turk] „krass … das war mir nicht klar, dass das eigentlich gute am Internet, die freie Meinungsäußerung, völlig hintergangen und manipuliert wird.“

„Ich bin gegen Sklaverei.“

„Krankenkassengelder sollen nicht für die E-Card ausgegeben werden, sondern für Patienten und Berufe im Gesundheitswesen: Ärzte, Krankenschwester, Pfleger!“

„Unglaublicher Eingriff in die Privatsphäre“

„Die EGK ist nicht freiwillig, und ohne Aufklärung der Bevölkerung eingeführt worden. Abweichler verlieren praktisch ihren Versicherungsschutz bei Weigerung, mit direkten gesundheitlichen Folgen.“
Die Jury 2015

Rena Tangens & padeluun Digitalcourage e.V., Sönke Hilbrans Deutsche Vereinigung für Datenschutz 

 

e.V., Frank Rosengart & Linus Neumann Chaos Computer Club e.V., Prof. Dr. Peter Wedde, Dr. Rolf Gössner Internationale Liga für Menschenrechte e.V.

Quelle: https://jasminrevolution.wordpress.com/2015/04/19/big-brother-awards-2015-hello-barbie/

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