2016-01-30

Gewalt gegen Frauen in Köln: alle Spuren führen nach London

Von Karel Vereycken

„Es handelt sich nicht um wenige Vergewaltiger, die ihr Opfer abwechselnd mißbrauchen, sondern um Dutzende, ja sogar Hunderte von Männern, die sich auf eine oder mehrere Frauen stürzen, um ihnen die Kleider vom Leib zu reißen, sie anzufassen, mit ihren Fingern in sie einzudringen, sie zu schlagen oder sie zu verletzen.“


Ein Bericht der Ereignisse in Köln am Silvester? Nein! Die Beschreibung klingt zwar ähnlich, ist aber ein Auszug aus einem Artikel der französischen Tageszeitung Le Monde vom 25. April 2013 über das Phänomen des Taharrush (gewalttätige sexuelle Belästigung) in Ägypten.1 Als die Ägypterinnen und Ägypter 2013 auf dem Tahrir-Platz (Platz der Befreiung) in Kairo demonstrierten, organisierte die von der Muslimbrüderschaft und US-Präsident Obama unterstützte Regierung Mursi dort zahlreiche dieser Taharrush-Angriffe, um zu versuchen, die Protestbewegung zu brechen.

Allerdings ist dieses Verhalten Le Monde zufolge in dem Land dermaßen verbreitet, daß der Verfasser es die „elfte Landplage Ägyptens“ nennt; zugleich erläutert er jedoch, daß diese barbarische Praxis sich zum Teil mit „der zunehmenden Umwandlung der Gesellschaft seit der Mitte der 70er Jahre“ erklären läßt, als Präsident Nassers Erbe aufgegeben wurde:

„Die Ägypter wurden ermuntert, sich im Ausland Arbeit zu suchen. Viele Menschen aus armen Verhältnissen zogen in die Golfstaaten, um anschließend mit verschleierten Ehefrauen, wohlgefüllten Taschen und wahhabitischem Gedankengut zurückzukehren. Diese Neureichen hatten einen um so größeren Einfluß auf die Gesellschaft, als der islamische Aktivismus in die Wohnviertel einzog. Der Staat hatte sich im Zuge völliger wirtschaftlicher Liberalisierung aus Bereichen wie dem Gesundheitswesen zurückgezogen, was es fundamentalistischen Gruppen ermöglichte, seine Stelle einzunehmen - mit beachtlicher finanzieller Unterstützung aus Saudi-Arabien oder Katar.“

Fragen zu Köln

Der Kölner Taharrush erscheint in dieser Perspektive immer weniger als Einzelfall: In Hamburg, Frankfurt, Bielefeld und anderen Städten wurden die gleichen Belästigungen, Beleidigungen, Diebstähle und Vergewaltigungen verzeichnet. Allein in Köln wurden über 500 Anzeigen erstattet, in Hamburg wurden nach zehn Tagen 133 Fälle erfaßt.

Bundesjustizminister Heiko Maas schließt nicht aus, daß die Kölner Angriffe organisiert waren: „Wenn sich eine solche Horde trifft, um Straftaten zu begehen, scheint das in irgendeiner Form geplant worden zu sein. Niemand kann mir erzählen, daß das nicht abgestimmt oder vorbereitet wurde“, erklärte Maas gegenüber der Bild am Sonntag.

Fest steht, daß mindestens einige der Straftäter sich über soziale Medien (Twitter, Facebook) in Köln verabredet hatten und daß einige aus anderen Städten und sogar Nachbarländern wie Belgien und den Niederlanden angereist waren.

Man kann sich Fragen über das Verhalten der deutschen Polizei stellen. Hatte sie, wie die schwedische Polizei, Anweisung, die Ereignisse zu verschweigen, um die Regierungspolitik der massenhaften Aufnahme von Flüchtlingen nicht in Verruf zu bringen? Einiges spricht dafür. Nachdem es zwischen 21 Uhr und 8 Uhr morgens hunderte Fälle sexueller Belästigung und Handydiebstahls gegeben hatte, behauptete die Polizei am Neujahrstag in einer lakonischen Pressemitteilung, Silvester sei wie jedes Jahr fröhlich und ohne größere Zwischenfälle gefeiert worden! Wegen dieser falschen Erklärung mußte dann der Kölner Polizeipräsident den Hut nehmen. Streit gab es auch darum, ob die Polizei erwähnen dürfe, daß die Verdächtigen überwiegend aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum stammen und oft Asylbewerber oder illegale Einwanderer waren.

Erst als ein interner Polizeibericht zur Presse durchsickerte, kam der Skandal in Gang.

Die Empörung, die die Ereignisse auslösten, nachdem sie an die Öffentlichkeit gelangt waren, führte zu einem berechtigten Aufschrei und das wurde unverzüglich von der rechten Szene und der islamfeindlichen populistischen Rechten ausgenutzt, besonders von der Gruppe PEGIDA („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“). Und an der Spitze der PEGIDA-Demonstration am 9. Januar in Köln war ein gewisser Tommy Robinson aus Großbritannien zu sehen, Gründer der English Defense League (EDL) und heute führende Figur bei Pegida UK.


Teile und herrsche

In jahrhundertelanger Kolonialverwaltung hat das Britische Empire gelernt, sich selbst zu erhalten, indem es diejenigen, die sich ihm widersetzen könnten, spaltet und gegeneinander ausspielt. General Frank Kitson entwickelte die Methoden der „Gangs und Countergangs“, um die Herrschaft der Briten in Kenia (in den 1950er Jahren) zu sichern. In Ruanda und Burundi setzte Belgien seinerseits auf ethnische Faktoren und betrieb die Spaltung zwischen Hutus und Tutsis.

So ist auch PEGIDA nichts anderes als eine Schöpfung der Anglo-Amerikaner mit dem Ziel, daß ein Kontinentaleuropa, das die anglo-amerikanische Herrschaft über die Finanzordnung der Welt zunehmend in Frage stellt, sich selbst zerfleischt in einem großen „Kampf der Kulturen“, wie ihn die Neokonservativen Bernard Lewis und Samuel Huntington verkünden. Diese Operation läuft auf zwei Ebenen:

1. ein „salonfähiges Schaufenster“ offizieller politischer Parteien, wie Front National, Geert Wilders’ Partei für die Freiheit in den Niederlanden etc., und

2. härtere Operationen, am Rande der Legalität, an denen Hakenkreuz-Nostalgiker, Fußball-Hooligans und andere Dummköpfe beteiligt sind: ausländerfeindliche Gruppen zur Verteidigung einer nationalen oder regionalen „Identität“, islamfeindliche Rechtsextremisten, PEGIDA, etc.

Die amerikanischen Neokonservativen und Europa

Das alles begann 2007, als in Kalifornien der Neokonservative Avi Davis und der ehemalige 68er David Horowitz die American Freedom Alliance (AFA) gründeten. Es war dieser Horowitz, der dann Geert Wilders den drei amerikanischen Milliardären und deren Stiftungen (Olin, Bradley, Sarah Scaife) vorstellte, die die extreme Rechte in den USA und die israelischen Siedler finanzieren. Dies sind die gleichen Interessen, die auch Lyndon LaRouche verleumden.

Für Horowitz und die amerikanischen Neokonservativen ist Europa wie der Kanarienvogel im Bergwerk: Wenn sich Europa nicht gegen den „islamischen Faschismus“ wehrt, glauben sie, sei Amerika in Gefahr.

Daher die Offensive auf unserem Kontinent. 2008 versammelte die AFA zusammen mit der Europäischen Universität Rom (Università Europea di Roma) und der Lepanto-Stiftung (Fondazione Lepanto) bei einer Konferenz in Rom eine bunte Mischung von Rednern, die alle in einem Punkt übereinstimmten: dass Europa und Israel durch die „Islamisierung“ in ihrer Identität und auf ihrem Territorium bedroht seien und verteidigt werden müssten.

Unter den Rednern waren neben David Horowitz und Avi Davis:

Douglas Murray, Anhänger von Leo Strauss und Mitautor der neuen NATO-Doktrin eines nuklearen Präventivschlags, die in dem BerichtTowards a Grand Strategy for an Uncertain World: Renewing Transatlantic Partnership5 zusammengefaßt ist,

Pater Paolo Scarafoni von der erzkonservativen katholischen Bewegung Legionäre Christi, deren wohlhabender Gründer Marcial Marciel nach einer kirchlichen Untersuchung wegen des Vorwurfs langjährigen sexuellen Mißbrauchs von Jugendlichen sich auf Anweisung der Glaubenskongregation zu einem Leben des Gebetes und der Buße zurückziehen und auf jeden weiteren öffentlichen Auftritt verzichten mußte,

Roberto de Mattei, Vorsitzender der nach dem Sieg der Habsburger über die Türken 1571 benannten Lepanto-Stiftung,

Robert Spencer, Gründer und Leiter der Internetseite Jihad Watch, die radikalen Islam beobachtet,

Bat Ye’or, eine rechtsextremistische jüdische Intellektuelle, die einen Krieg gegen eine angebliche große islamische Verschwörung führt, deren Ziel es sei, unseren Kontinent in „Eurabia“ zu verwandeln,

Baroneß Caroline Cox, Mitglied des britischen Oberhauses und berüchtigt dafür, im Namen der „Verteidigung von Christen“ Afrika mit Krieg zu überziehen,

Flemming Rose, Feuilletonchef der dänischen Zeitung Jyllandsposten, die im September 2005 die berüchtigten „Mohammed-Karikaturen“ veröffentlichte, die später u.a. von France Soir und Charlie Hebdo abgedruckt wurden. Rose hat zugegeben, daß er damit bewußt im Dienste der amerikanischen Neokonservativen eine Provokation organisierte; sowie

Daniel Pipes vom neokonservativen Washingtoner Middle East Forum, das die Anwaltskosten des niederländischen Provokateurs Geert Wilders übernimmt. In Absprache mit Lynne Cheney, der Ehefrau des kriegslüsternen Vizepräsidenten von George W. Bush, gründete der mit Horowitz befreundete Pipes die Organisation Campus Watch, eine veritable Gesinnungspolizei an amerikanischen Universitäten.

Ganz im Stil von Orwells Neusprech sagt Wilders: „Ich hasse nicht die Muslime, ich hasse den Islam.“ Sophistisch gibt er vor, die Religionsfreiheit zu verteidigen. Nur sieht Wilders im Islam gar keine Religion, sondern eine totalitäre Ideologie. 2007 erklärte er gegenüber der ZeitungVolkskrant, der Koran sei „ein faschistisches Buch“ und müsse wie Hitlers Mein Kampf verboten werden.

Die untere Ebene

Eine Etage tiefer organisieren unzählige Bewegungen von „Identitätswahrern“ und „Abendlandrettern“ Offensiven vor Ort. Wenn der Populismus in den meisten europäischen Ländern Rückenwind hat, dann nicht nur, weil die Bevölkerung ihm auf den Leim geht, sondern auch, weil neue „Kommunikationsstrategien“ entwickelt wurden.

In Frankreich hat sich diese Arbeitsteilung ausgezahlt. Oben gewinnt Marine Le Pen an Ansehen, während unten Gruppen wie „Riposte laïque“ und „Bloc identitaire“ die Dreckarbeit machen. Das Musterbeispiel dieser neuen Strategie sind ihre Gelage mit Wein und Wurst vor Moscheen, mit denen „ohne jede Aggressivität“ betont werden soll: „das ist unsere Heimat“. Und wenn Muslime weder Alkohol noch Schwein mögen, dann könnten sie ja einfach „wieder nach Hause gehen“.

Im Mittelpunkt dieser Operation stößt man auf den berüchtigten Briten „Tommy Robinson“ - ein „patriotisches“ Pseudonym, das sich der junge Stephen Yaxley-Lennon zugelegt hat, um die Phantasie der englischen Jugend anzuregen. 2009 gründete er die English Defence League (EDL), eine auf Straßenaktionen spezialisierte Gruppierung, deren Fahne das Sankt-Georg-Kreuz zur Schau trägt, die alte Fahne Genuas, später die Flagge der Kreuzfahrer und heute die von England.

Schon bald nach ihrer Gründung vernetzte sich die English Defence League mit ähnlichen Organisationen in den Niederlanden (Dutch Defence League), Schweden, Dänemark und Deutschland. 2011 nahmen an einer Demonstration der EDL in Luton bei London Delegationen aus Frankreich (Vertreter von „Jeune Bretagne“ und „Bloc Identitaire“), Schweden, den Niederlanden, Deutschland und Wales teil.

Der norwegische Terrorist Anders Behring Breivik, Sympathisant der Norwegian Defence League, hat nie verheimlicht, daß er mit der EDL Kontakt hatte. 2011 hatte Breivik 77 junge Sozialisten ermordet und 151 verletzt, die an einem Zeltlager auf einer norwegischen Insel teilnahmen, weil er meinte, sie würden mit ihrem Multikulturalismus Europa der Islamisierung öffnen.

In Deutschland

Ein anderer Flügel von Tommy Robinsons European Defence League ist die deutsche Bewegung HoGeSa („Hooligans gegen Salafisten“), die von Mitgliedern der German Defence League gegründet wurde. Das Motto ist: Weil der Staat vor der islamischen Invasion kapituliert, nehmen wir die Dinge selbst in die Hand. Bestehend aus Hooligans und Neonazis, wurde HoGeSa 2014 bekannt durch Straßenkämpfe in Köln gegen Einwanderer, die sie verdächtigten, Salafisten zu sein. Heute spielt HoGeSa sich als „Verteidiger der Frauen“ auf, die Opfer des Taharrushwaren. Nach den Gewalttaten in der Silvesternacht in Köln demonstrierten PEGIDA und HoGeSa, mit Tommy Robinson an der Spitze. Robinson seinerseits hat 2013 die EDL (zumindest nach außen hin) verlassen und statt dessen die PEGIDA-Bewegung in England aufgebaut.

Unmittelbar nach den Ereignissen in Köln forderte die New York Times Kanzlerin Merkel zum Rücktritt auf, damit ihr Land und Europa nicht „einen zu hohen Preis für ihre hochherzige Torheit“ zahlen müßten.

Somit schließt sich der Kreis:
Der salafistische Wahhabismus ist das eine Produkt des großen Laboratoriums des Britischen Empire, der Antisalafismus nach Art von PEGIDA ein anderes. Die Strippenzieher ergötzen sich daran, die roten Ameisen und die schwarzen Ameisen aufeinanderzuhetzen. Jedenfalls so lange, wie es ihren Interessen dient.

Anmerkungen:

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