2025-10-06

Klaus Praschak: Der Spannungsfall


Ich möchte jetzt ein sehr aktuelles politisches Thema aufgreifen, dass viele spirituelle Menschen beschäftigt. Wie kann man spirituell verstehen, was sich wie ein Albtraum anfühlt, ohne das Leid der Menschen zu verharmlosen oder in „Lichtflucht“ zu gehen. Wenn ein solcher Notstand geschieht, ist das zunächst eine zutiefst menschliche Krise. Angst, Ohnmacht, Unsicherheit sind natürliche Reaktionen. Spirituell reife Haltung bedeutet hier nicht, das Leid zu leugnen oder sich in „alles hat seinen Sinn“ zu flüchten, sondern hier wird Mitgefühl zur Handlung. Wer innerlich wach ist, bleibt handlungsfähig. Er hilft, teilt, organisiert, tröstet, erinnert an Menschlichkeit.

In Krisenzeiten wird das, was wir im inneren Garten kultiviert haben, zur Frucht: Mitgefühl, Ruhe, Klarheit, Vertrauen. So wird Spiritualität praktisch. Das äußere Chaos ist wie ein Sturm, der die Wurzeln eines Baumes prüft. Wer tief verwurzelt ist, kann anderen Schutz geben.
Und genau darin liegt die wahre Aufgabe des spirituellen Menschen, „nicht nur das Licht sehen, sondern auch in der Dunkelheit leuchten“.

Auf einer höheren Ebene lässt sich ein solcher kollektiver Zusammenbruch auch als Ausdruck eines globalen Transformationsprozesses verstehen. Nicht weil jemand „leiden muss“, sondern weil Bewusstsein sich nur wandelt, wenn alte Systeme ihre Grenzen erreichen. Das Prinzip „Ursache und Wirkung“ wirkt auch auf kollektiver Ebene: jahrzehntelanger Materialismus, Entfremdung, Abhängigkeit von äußeren Strukturen erzeugen irgendwann ein Ungleichgewicht, das nach Ausgleich ruft. Wenn äußere Sicherheiten wegbrechen, wird der Mensch gezwungen, innere Sicherheiten zu entdecken: Vertrauen, Solidarität, Intuition, Einfachheit, spirituelle Selbstverantwortung. Das Leid an der Oberfläche ist das Symptom, jedoch die tiefere Heilung geschieht, wenn Menschen beginnen, sich gegenseitig als Teil eines größeren Lebens zu erkennen.

So wird das scheinbar Zerstörerische zum Geburtskanal einer neuen Bewusstseinskultur.

Wie in der Natur, im Herbst fallen die Blätter, damit im Frühling Neues wachsen kann.

Leid ist sicherlich kein Ausdruck von Liebe, denn es ist vielmehr ein Signal oder ein Aufschrei des Lebens, das uns zeigen will, dass etwas in uns oder um uns aus dem Gleichgewicht geraten ist. Doch wenn wir ihm mit Bewusstsein begegnen, wenn wir es nicht verdrängen, nicht hassen, sondern verstehen, dann wird es zu einer machtvollen Lehrmeisterin, die uns tiefer in die Liebe hineinführt, als es reines Glück je könnte. Stell dir vor, Liebe wäre ein Feuer.

Solange es nur sanft glimmt, wärmt es angenehm. Doch wenn das Leben uns in die Glut des Leids stellt, dann wird dieses Feuer reinigend. Es verbrennt die Masken, das Ego, die Selbsttäuschungen. Zurück bleibt etwas Wesentliches, Nacktes, Wahres - das Herz. Das Leiden zeigt uns, wo wir noch nicht lieben können. Es entlarvt unsere Abhängigkeit, unsere Angst, unseren Widerstand.

Und genau in dem Moment, wo wir nicht mehr fliehen, sondern ja sagen, „auch das darf sein“, verwandelt sich Schmerz in Mitgefühl, Angst in Vertrauen, Ohnmacht in Hingabe. Dann erkennt die Seele: „Ich leide nicht, weil Gott mich vergessen hat, sondern weil ich vergesse, dass ich Liebe bin.“ Es gibt zwei Formen des Leidens, die erste ist das unbewusste Leiden, das durch Widerstand oder durch Festhalten am Alten entsteht und es wiederholt sich solange bis wir hinsehen. Die zweite Form ist bewusstes Leiden, das entsteht wenn wir bewusst durch das Leiden hindurchgehen, um wahrhaft zu verstehen. Es reinigt, öffnet und wandelt. Das zweite Leiden ist das „Leiden der Geburt“. Es ist kein sinnloses Opfer, sondern ein Teil der Evolution des Bewusstseins.

Leid wird zu Liebe, wenn es Mitgefühl hervorbringt. Wenn ein Mensch, der Schmerz erfahren hat, milder, verständnisvoller, weiser wird. Wenn er durch sein eigenes Dunkel anderen Licht bringen kann. Dann ist das Leiden nicht umsonst gewesen, denn es ist zum Werkzeug der Liebe geworden.

Klaus Praschak
Bild: printerest. de danke

Quelle: Klaus Praschak

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