2025-10-24

Otfried Weise: VON DEN HAUSKATZEN geschrieben im Stil von Kahlil Gibrans Der Prophet



Und ein Schüler sprach zum Weisen:
„Meister, sprich zu uns von den Katzen,
den stillen Wesen, die unter uns leben,
doch niemandem gehören.“
Und der Weise lächelte und sprach:
In den Katzen wohnt ein Geheimnis,
das älter ist als der Mensch.
Sie sind die Töchter der Stille
und die Söhne der Unabhängigkeit.
Sie wandeln zwischen Nähe und Ferne,
zwischen Schlaf und Wache,
zwischen Welt und Traum.
Ihr Herz ist leise,
doch ihr Fühlen ist tief wie das Meer.

Sie kennen die Zärtlichkeit ohne Forderung,
und die Liebe ohne Besitz.
Sie suchen keine Hand, die sie hält –
nur eine, die versteht.
Denn Liebe, die gefangen nimmt,
ist ihnen fremd.
Sie kommen, wenn das Herz sie ruft,
und gehen, wenn der Wind sie verabschiedet.
Und beide Rufe sind tief und echt.

Ihre Freude ist nicht laut,
sie singt mit dem Glanz ihres Fells,
und im Zittern des Schnurrbarts,
das die Wunden der Welt besänftigt.
Sie lehren dich,
dass Vertrauen kein Gehorsam ist,
sondern eine stille Übereinkunft
zwischen zwei Seelen.
Und wenn sie dich ansehen,
siehst du dich selbst –
wie du wärst,
wenn du frei wärst.

Ihr Körper ist Sprache:
das sanfte Blinzeln – ein Ja,
der langsame Schritt – ein Lied der Sicherheit,
das Wegsehen – ein Akt der Würde.
Sie verbergen ihren Schmerz
so wie die Sonne die Nacht verbirgt –
nicht aus Täuschung,
sondern aus Stolz.
Denn sie wissen,
dass jedes Leiden vergeht,
wenn man sich ihm nicht ganz ergibt.
Manche nennen sie gleichgültig –
doch das Herz der Katze ist still,
nicht kalt.
Ihre Ruhe ist kein Mangel an Gefühl,
sondern die Vollendung desselben.
Denn sie liebt ohne Forderung,
sie schenkt ohne Erwartung,
und sie geht,
ohne etwas zurückzufordern.

Und der Schüler sprach:
„Meister, und was können wir von ihnen lernen?“
Und der Weise antwortete:
Lerne, still zu sein, wenn du fühlst.
Lerne, zu gehen,
wenn du bleibst, um dich selbst zu verlieren.
Lerne, zu ruhen,
ohne träge zu werden,
und zu lieben,
ohne zu fordern.
Denn in der Seele einer Katze
wohnt die Erinnerung an das Paradies:
ein Ort ohne Lärm,
ohne Zwang,
ohne Angst –
nur reines Sein.
Und wenn du jemals
das sanfte Schnurren in deinem Schoß hörst,
dann wisse:

DAS UNIVERSUM ATMET DURCH DICH.

Quelle: Otfried Weise

4 Kommentare:

  1. Dankeschön lieber Otfried für dieses wundervolle Kleinod 💖🐱

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  2. so ein schönes "betthupferl", danke!
    mein samtpfotenbegleiter hat sich grade vor ein paar wochen in die höheren dimensionen aufgemacht, - oft denke ich noch,
    ich höre ihn nach mir rufen...

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  3. 💐 Wunderschön 💜 Danke 🍄

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