Das Börsenbeben der vergangenen Tage hat nicht nur Milliardenvermögen vernichtet, sondern unter Experten zu erheblicher Unsicherheit und grundverschiedenen Einschätzungen geführt.
Die einen behaupten, es handle sich um eine seit Längerem überfällige Korrektur, die keinerlei Anlass zur Panik gebe. Die anderen warnen, die Welt stünde nach dem historischen Kurssturz des Dow Jones unmittelbar vor einem finanziellen Armageddon.
Die unterschiedlichen Beurteilungen verwundern nicht, wenn man bedenkt, dass sich die Finanzwelt in einer Situation befindet, die es so noch nie gegeben hat: Erstens wird seit 2008 mehr Geld ins System gepumpt als jemals zuvor, zweitens wird das Geld zu immer günstigeren Konditionen vergeben und drittens gelten die größten Banken der Welt seit mittlerweile zehn Jahren als „too big to fail“, können also jedes denkbare Risiko eingehen, ohne einen Bankrott fürchten zu müssen.
Die Kombination dieser drei Faktoren hat dazu geführt, dass im vergangenen Jahrzehnt immer mehr Geld in die Finanzspekulation und im Verhältnis dazu immer weniger in die Realwirtschaft geflossen ist. Das Ergebnis dieses Prozesses sind eine nur mäßig wachsende Weltwirtschaft und riesige Blasen an den Anleihen-, Aktien- und Immobilienmärkten.
Kein Wunder, dass der Kurssturz so heftig ausfällt
Beim ständigen Aufwärtstrend der vergangenen Jahre ist es nicht verwunderlich, dass ein Kurssturz beim Dow Jones so heftig ausfällt wie der der vergangenen Woche. Nüchtern betrachtet betrug der Rückgang über mehrere Tage jedoch kaum mehr als zehn Prozent, fällt also unter Börsen-Insidern nicht in die Kategorie „Kurssturz“, sondern gilt lediglich als „Kurskorrektur“. Beruhigend wirkt diese Einschätzung aber nur, wenn man einen sehr wichtigen Aspekt außer Acht lässt: Die Verschuldung von Staaten, Konzernen und Privathaushalten nämlich, die weltweit in den vergangenen Jahren explodiert ist und dazu geführt hat, dass auch an den Finanzmärkten immer mehr auf Kredit spekuliert wird. Diese Spekulation mit geliehenem Geld birgt eine immense Gefahr, denn sie kann in Krisenzeiten zu einem Phänomen führen, das die Amerikaner als „Margin Call“ bezeichnen – der Rückforderung von Krediten bei fallenden Kursen.
Ein solches Ereignis führt dazu, dass die verschuldeten Organisationen zur Zurückzahlung ihrer Schulden schnell wieder zahlungsfähig werden und daher unter Hochdruck Vermögenswerte verkaufen müssen. Passiert das in großem Stil, zieht es die Preise in die Tiefe, was wiederum zur Folge hat, dass andere aus Angst vor Verlusten nachziehen, ebenfalls verkaufen und die Preise so noch weiter nach unten reißen – womit das gefürchtete Phänomen einer „Börsenpanik“ eintritt. Bisher haben die Zentralbanken, allen voran die US-Zentralbank Federal Reserve, eine solche Panik verhindert. Sie haben in riesigem Ausmaß Staats- und Unternehmensanleihen sowie Aktien aufgekauft und die Märkte so vorübergehend beruhigt. Sie können das auch weiterhin tun, und im äußersten Notfall könnte auch die größte Finanzorganisation der Erde, der IWF, mit seiner eigenen Währung, den nur zwischen Regierungen handelbaren „Sonderziehungsrechten“, eingreifen.
Diese Rettungsmöglichkeiten lassen viele Beobachter schlussfolgern, dass das System gar nicht untergehen könne. Das aber übersieht die negativen Folgen der Zentralbankeingriffe: Sie entwerten nämlich die jeweilige Währung und entziehen ihr das Vertrauen. Die alles entscheidende Frage lautet also nicht: Wie lange können die Zentralbanken Geld drucken und damit auf Biegen und Brechen einkaufen? sondern: Wann beginnen die Marktteilnehmer sich wegen des Wertverlustes der betroffenen Währungen aus diesen zu verabschieden? Für das System gibt es keine Rettung mehr Wenn dieser Punkt – das Ende des bisher scheinbar unbegrenzten Vertrauens in den Wert des Geldes – erreicht ist, gibt es kein Halten mehr. Dann muss das bestehende System zwangsläufig in sich zusammenbrechen...
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