Manchester (Großbritannien) – Mediziner der University of Manchester entwickeln derzeit einen neuen Diagnostik-Test zur Früherkennung von Parkinson. Ein Großteil des Erfolgs verdankt das Projekt der ungewöhnlichen Fähigkeit der Krankenschwester Joy Milne, die eine Erkrankung an der Parkinson-Krankheit schon Jahre vor der medizinischen Erstdiagnose sprichwörtlich riechen kann.
Erstmals auf ihre Fähigkeit aufmerksam wurde Milne, als sie bei ihrem eigenen Mann einen eigenartigen Geruch feststellt, der sich auch durch geseigerte Hygienemaßnahmen nicht beheben ließ. Während sie die Geruchsveränderung zunächst hinnahm, wurde bei ihrem Mann sechs Jahre später (!) Parkinson diagnostiziert. Auf einem ersten Treffen einer Betroffenengruppe bemerkte die damalige Krankenschwester dann, dass auch alle anderen Teilnehmer der Selbsthilfegruppe genau so rochen, wie jener Geruch, der ihr vor Jahren bei ihrem Mann so unangenehmen aufgefallen war.
Hintergrund:
Tatsächlich ist schon lange bekannt, dass einige Tiere Krankheiten beim Menschen erschnüffeln können. Während Hunde scheinbar in der Lage sind, Lungenkrebs zu riechen und Fruchtfliegen Brustkrebs erkennen können, werden Riesenhamsterratten sogar schon zur Tuberkulose-Erkennung trainiert. Obwohl die Erfolgsquoten in den Tierexperimenten respektabel sind, spielt die Geruchsdiagnostik in der medizinischen Diagnose bislang immer noch – wenn überhaupt – nur eine deutlich untergeordnete Rolle.
Wie die CBC-Radiosendung “As It Happens” nun berichtet, haben die Wissenschaftler um Perdita Barren vom Manchester Institute of Biotechnology seit 2015 in einer Studie in Zusammenarbeit mit Milne 10 Moleküle identifiziert, die sie mit der Krankheit assoziieren und die über die Talgabgabe der Haut austreten. Auf der Grundlage dieser Entdeckung zeigen sich die Mediziner nun zuversichtlich, ein neues Testverfahren zur vorzeitigen Pakinson-Diagnose entwickeln zu können. Mit Hilfe eines kleinen Massenspektrometers, soll dieses sogar transportabel an Klinken eingesetzt werden können.
Tatsächlich wurde der von Milne beschriebene Geruch bereits 1927 in einem Fachartikel des Kardiologen David Creston beschrieben – seither und bislang jedoch offenbar ignoriert.
– Das CBC-Interview mit Joy Milne finden Sie HIER
GreWi-Kommentar:
Man stelle sich die Wirkung dieser Fähigkeit oder Gabe beispielsweise im Mittelalter oder in wissenschaftsfernen Kulturen vor. Man stelle sich vor, dass Menschen hier nicht nur wahrscheinlich dazu in der Lage waren, sondern diese Fähigkeit – wenn auch nicht medizinisch-diagnostisch, aber vielleicht zumindest in ihrer Konsequenz, dem mittelfristigen Eintreten physischer Beschwerden oder gar dem Tod – erkannt und dies ihren Mitmenschen auch mitteilten und vielleicht sogar “eingesetzt” haben. In einem wissenschaftsfernen soziokulturellen Umfeld, wäre die einzige Erklärung für diese Fähigkeit entweder in göttlichem Zauber- und Heilkunst oder in Hexerei zu sehen.
Somit kann die Fähigkeit von Joy Milne als anschauliches Beispiel dafür betrachtet werden, wie das Verschreien vermeintlich übersinnlicher oder übernatürlicher Phänomene als angebl. Pseudowissenschaft oder esoterischer Aberglaube Erkenntnis auch behindern kann. Die Beschreibung der Geruchsveränderung durch Creston schon vor fast 100 Jahren und deren ignorieren durch die Medizin unterstreicht dieses Risiko hinzu. Ebenso wie blinde Gläubigkeit, so kann also auch blinde Skepsis Erkenntnis und Fortschritt behindern – ein ausgewogener und ergebnisoffener Forschungsansatz erweist sicher wieder einmal als der wohl zielführendere Weg.
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