Die
Enthüllungsplattform WikiLeaks hat die Protokolle des deutschen
NSA-Untersuchungsausschusses öffentlich gemacht.
Im Internet könne man nun Vernehmungs-Protokolle auf 1380 Seiten lesen, teilte WikiLeaks dazu am Dienstag online mit. Bisher waren die Protokolle auch der öffentlichen Sitzungen nicht öffentlich zugänglich. Nun finden sich in den WikiLeaks-Dokumenten auch Protokolle nicht öffentlicher Sitzungen.
Heute, am Dienstag den 12. Mai, veröffentlicht WikiLeaks Protokolle aus zehn Monaten des laufenden 1. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestag zu den NSA-Aktivitäten in Deutschland. Obwohl viele der Sitzungen technisch gesehen öffentlich sind, wurde die tatsächliche öffentliche Kenntnisnahme behindert, da die Protokolle zurück gehalten werden, Aufnahmegeräte untersagt sind und Reporter in aufdringlicher Weise durch die Polizei beobachtet werden.
WikiLeaks veröffentlicht 1380 Seiten Transkriptionen nicht eingestufter (öffentlicher) Sitzungen. Zu Wort kommen 34 Zeugen – einschließlich 13 namentlich geheimgehaltener Zeugen des Bundesnachrichtendienstes (BND). Die Transkriptionen umfassen die ersten Sitzungen des Untersuchungsausschusses im Mai 2014 durchgängig bis Februar 2015.
WikiLeaks hat zudem zu jeder Sitzung sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch eine Zusammenfassung erstellt, um dem internationalen Stellenwert dieses Themas Rechnung zu tragen.
Der BND wird 1782 Mal erwähnt, die NSA 1671 Mal, die CIA 179 Mal, Edward Snowden 204 Mal und Bundeskanzlerin Angela Merkel 14 Mal.
Julian Assange, WikiLeaks Herausgeber, sagt: „In dieser wichtigen Untersuchung des Bundestag sind die deutsche und internationale Öffentlichkeit die Leidtragenden. Der Zweck dieser Untersuchung, beim Namen genannt, ist es aufzudecken wer verantwortlich dafür ist, dass die Rechte einer Großzahl von Menschen verletzt wurden, sowie wie diese Verstöße begangen wurden. Als Leidtragende hat die Öffentlichkeit das Recht die Arbeit des Untersuchungsausschusses einzusehen. Nur durch effektive öffentliche Aufsicht können die dem Untersuchungsausschuss gesetzten Ziele – Transparenz und Gerechtigkeit – erreicht werden.”
Der Ruf nach einem Untersuchungsausschuss zur NSA-Spionage in Deutschland wurde laut in der zweiten Hälfte des Jahres 2013, insbesondere nachdem bekannt wurde, dass die US gezielt das Telefon von Bundeskanzlerin Merkel ins Visier genommen hatten. Am 18. März 2014 wurde der Untersuchungsausschuss eingesetzt , Englische Version, um die Überwachungsaktivitäten der Vereinigten Staaten auf deutschem Boden zu untersuchen sowie in welchem Ausmaß deutsche Geheimdienste an dieser Spionage beteiligt waren.
Trotz des Mangels an einer zugänglichen öffentlichen Aktenlage, konnten diverse bedeutende Skandale durch die Aussagen der Zeugen aufgedeckt werden. Zum Beispiel stellte sich in der 26. Sitzung heraus, dass vom Bundeskanzleramt ein Brief direkt an Kai-Uwe Ricke, den damaligen (2002-2006) Vorstandsvorsitzenden der Deutsche Telekom AG, geschickt wurde. In diesem Schreiben wurde die Deutsche Telekom AG dazu angehalten, fortlaufende Massenüberwachung deutscher und internationaler Internet- und Telekommunikationsdaten am Frankfurter Knotenpunkt der Deutschen Telekom AG zuzulassen und zu unterstützen. Im Rahmen dieser Operation, Codename "Eikonal", wurden abgehörte Daten dann vom BND an die NSA weitergegeben. Der Brief war an Ricke adressiert und trug den Vermerk “persönlich”. Während der Vernehmung im Untersuchungsausschuss gab Ricke an, er habe solch einen Brief nie gesehen. Nachdem dieser Brief versendet worden war, wurde dem BND der geforderte Zugang ermöglicht . Der entsprechende Brief durfte im Untersuchungsausschuss öffentlich weder verlesen noch sein Inhalt diskutiert werden, da er als geheim eingestuft ist. Nichtsdestotrotz kamen die vorher nicht bekannte Existenz des Briefes sowie die Umstände der Beihilfe zur Kooperation durch den Prozess der Untersuchung ans Licht.
Indirekte Probleme, die im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss stehen, haben mit der Effektivität und Verantwortlichkeit des Prozesses selbst zu tun. Bild- und Tonaufnahmen sind verboten, damit sind offizielle, präzise und verbindliche Berichte über die öffentlichen Sitzungen nicht existent. Journalisten haben außerdem beklagt, dass weitere Bedingungen auf der Galerie (wo Gäste an den öffentlichen Sitzungen teilnehmen) den Zugang zusätzlich einschränken. Die Öffentlichkeit und die Medien spüren dies bei jeder Sitzung; einschließlich netzpolitik.org, deren Veröffentlichungen den Untersuchungssitzungen detailgetreu folgen, was während der Sitzungen von der Polizei sehr unmittelbar überwacht wird.
Die veröffentlichten Transkriptionen dokumentieren darüberhinaus, wie die Abwesenheit einer vollständigen öffentlichen Dokumentation dazu geführt hat, dass Zeugen den Untersuchungsprozess missbrauchen. Mindestens drei Mal widersprechen die öffentlichen Aussagen eines Zeugen denen, die er in geheimen Sitzungen macht. Die Transkriptionen zeigen außerdem, dass die Möglichkeiten der Untersuchungskommission Zeugen sorgfältig und gewissenhaft zu befragen beschnitten werden durch umfangreiche Schwärzungen. In einem Fall wurde die Sitzung unterbrochen, weil der Zeugen ungeschwärzte Dokumente zur Vorbereitung erhalten hatte, während den parlamentarischen Mitgliedern des Ausschusses nur eine geschwärzte Version zur Verfügung gestellt worden war.
Einer der größten Skandale, der aus dem Untersuchungsausschuss bisher hervorging, ist der aktuelle „Selektoren“ Spionagezieleliste-Skandal: Ein BND-Mitarbeiter hat hier offen gelegt, dass vom BND erwartet wurde, auf Anweisung der NSA tausende von Zielen auszuspähen. Diese Ziele beinhalteten Mitglieder der französischen Regierung sowie der europäischen Industrie. Damit stellt sich die Frage, ob Deutschland geeignet ist, eine Führungsrolle in der Europäischen Union zu übernehmen. Es zeigte sich so auch, dass die der Öffentlichkeit als Anti-Terrormaßnahmen verkaufte internationale Kooperation bei Massenüberwachungen in Wirklichkeit von den Vereinigten Staaten auch für Zwecke der Industriespionage genutzt wird sowie um sich geopolitische Vorteile gegenüber Mitgliedern der Europäischen Union zu verschaffen.
Die Kommission verlangte die Herausgabe der vollständigen „Selektorenliste“ von Zielen, die die NSA dem BND übergeben hatte. Der Kommission wurde mitgeteilt, dass zuerst die US um Erlaubnis für die (sogar vertrauliche) Herausgabe der Liste an die Kommission gebeten werden muss. Letzten Mittwoch, am 6. Mai 2015, als die Antwort angekündigt war, wurden Hinhaltetaktiken benutzt, die die deutsche Öffentlichkeit wie auch den parlamentarischen Untersuchungsausschuss ohne jegliche Möglichkeit ließen einzusehen, worauf es ihre eigenen Geheimdienste abgesehen haben.
Mit der heutigen Veröffentlichung will WikiLeaks etwas mehr des dringend benötigten Lichts in diese entscheidenden Prozesse bringen, indem Öffentlichkeit und Medien zu verbindlichen, zitierbaren Protokollen einen gleichberechtigten Zugang bekommen, ohne den ordentliche Analysen und Zurechnung von Verantwortung schief gehen müssen.
Quelle und weiterlesen: https://wikileaks.org/bnd-nsa/press/index.de.html
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