2018-09-07

Ein 24-Jähriger startet jetzt seinen schier unmöglichen Kampf gegen Ozean-Plastik


Den Pazifik entmüllen: Die Vision des holländischen Wunderkinds Boyan Slat soll endlich Realität werden. Seine Erfindung wird jedoch ganz anders aussehen, als er geplant hatte.

Es musste nur dieser 18-jährige Niederländer mit seinen hellblauen Augen und den Harry-Potter-Haaren kommen, und die halbe Welt schien die Lösung für ein globales Problem gefunden zu haben: Es war 2012, der junge Mann war Boyan Slat und die Bühne, auf der er stand, war die eines TED-Talks. Der Zeitpunkt war perfekt: Viele Zuschauer auf YouTube sahen zum ersten Mal, was für ein Ausmaß der Plastikmüll in den Weltmeeren angenommen hatte. Wie viele Tonnen Plastikmüll inzwischen in unseren Ozeanen treiben, lässt sich nicht valide bestimmen. Experten gehen davon aus, dass jährlich acht Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren landen.

Ein besonderes Problem sind dabei fünf große Müllstrudel, in denen sich der Plastikmüll sammelt. Der größte soll dreimal so groß wie Frankreich sein. Bisher weiß niemand genau, wie der Plastikmüll aus den Meeren gefischt werden kann. In der Zwischenzeit bedroht er das maritime Ökosystem und die dortigen Nahrungsketten. Doch Slat präsentierte bei seinem TED-Vortrag gleich auch eine Lösung für das Problem: sein Projekt namens "The Ocean Cleanup".

Seitdem sind sechs Jahre vergangen. Aus dem Wunderkind Boyan ist der Entrepreneur Slat geworden. "Wenn wir begreifen, dass Wandel wichtiger als Geld ist, wird auch das Geld kommen", sagte Slat noch 2012. Das Geld kam. Insgesamt sammelte Slat mit seiner Firma 320 Millionen Dollar, umgerechnet etwa 275 Millionen Euro. Selbst Facebook-Investor Peter Thiel legte sein Geld beim holländischen Hoffnungsträger an.

65 Mitarbeiter hat das Unternehmen mittlerweile, sie alle werkelten jahrelang an einer riesigen schwimmenden Barriere. Ihre Basis haben sie an der TU in Delft, wo wir Boyan vor vier Jahren für eine Videodokumentation besucht haben.


Slat plant jetzt, seine Barriere mitten im sogenannten Great Pacific Garbage Patch zu verankern. Hier sollen Meeresströmungen so ausgenutzt werden, dass sich das Plastik an der Oberfläche sammelt und in die Mitte der U-förmigen Barriere treibt. Ein Schiff soll den Müll dann regelmäßig einsammeln, damit das Plastik recycelt werden kann.

Bis die Barriere den Müllstrudel im Pazifik erreicht, sind noch Tests notwendig

Am 8. September wird die erste Barriere von San Francisco Richtung Plastikmüll vor der Küste Kaliforniens transportiert. Hier sollen noch einige Tests durchgeführt werden, bevor die Barrieren dann 2020 endgültig zum Garbage Patch gebracht werden sollen. Von der Grundidee ähnelt das alles zwar dem, was Boyan Slat schon 2012 vorgestellt hatte. Wer aber einen Blick in die aktuelle Version des Projekts wirft, der sieht auch, dass es einige Unterschiede und Weiterentwicklungen gibt. Nicht alles funktioniert tatsächlich so, wie Slat es sich ursprünglich vorgestellt hatte.


Diese Route nimmt die erste Barriere des Projekts am Samstag, dem 8. September 2018 | Bild: The Ocean Cleanup

So sah der Plan zunächst vor, einige wenige Barrieren zu verankern, die aber jeweils eine Länge von 100 Kilometern haben sollten. Aus Kostengründen sollen nun aber 60 kurze Barrieren installiert werden, die lediglich einen Kilometer lang sind.

Slat ist sich sicher, dass das nicht nur billiger, sondern auch effektiver ist: Sobald alle dieser Barrieren installiert seien, könne man in fünf Jahren die Hälfte des an der Oberfläche schwimmenden Plastiks im Great Pacific Garbage Patch einsammeln, sagt Slat.

Bei einem anderen Punkt musste "The Ocean Cleanup" jedoch zurückrudern. Zu Beginn des Projekts verkündete Slat, dass Meereslebewesen keinen Schaden von seiner Erfindung nehmen würden. Fische könnten unter der Barriere durchschwimmen und würden nicht von den Recycling-Schiffen aufgesammelt werden. Das Ziel, was auch Wissenschaftler bei bisherigen Aufräumplänen vor große Herausforderungen stellte: Es sollten keinerlei Lebewesen betroffen sein und keine Fische sterben. Experten verweisen jedoch darauf, dass die Plastikablagerungen mittlerweile selber zum Lebensraum von Tieren und Pflanzen geworden seien. Die Folge: Lebewesen werden sicherlich zu Tode kommen.

Experten kritisieren das Ocean Clean Up Project – aber sehen auch die Chancen

Die Firma investierte kräftig ins Marketing: Das Logo prangt auf Transportflugzeugen, regelmäßig werden Journalisten in die Niederlande eingeladen, um die Entwicklung des Projekts zu verfolgen. Auch ist Boyan Slat als Galionsfigur des Projekts ein dankbarer Interviewpartner für Geschichten. Einige Wissenschaftler kritisieren, dass Medien häufig zu positiv berichtet hätten und zu selten die Bedenken abgebildet hätten, die etablierte Experten äußern.

Die Folgen könnten durchaus fatal sei. Schließlich ist es eine Illusion zu denken, dass man alles Plastik ohne Weiteres aus den Weltmeeren fischen könnte. Mikroplastik und Plastik auf dem Boden des Ozeans sind Probleme, die auch Boyan Slat mit seinem Projekt nicht lösen wird. Die meisten Kritiker sind sich jedoch auch einig, dass eine öffentlich diskutierte Idee wie "The Ocean Cleanup" besser als Nichtstun ist.

Quelle: https://motherboard.vice.com/amp/de/article/3ke8bj/plastikmuell-im-pazifik-niederlaender-startet-aufraeumaktion

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