2015-03-09

Buchempfehlung: Jean Ziegler - "Ändere die Welt"


Seit Jahrzehnten prangert Jean Ziegler Elend, Unterdrückung und Ausbeutung an, er verunglimpfte einen Schweizer Bankmanager als „Geier“, man zerrte ihn vor den Kadi. In dem Sachbuch „Ändere die Welt“ für er seine Mission fort. Am 15.3. tritt Ziegler in der Comedia auf.  Von 
Jeder und jede von uns muss in jedem Augenblick seines und ihres Handelns klar wählen, wo er oder sie steht“, schreibt Jean Ziegler. Wenn jemand das Recht hat, diese Haltung einzufordern, dann ist es der Schweizer Soziologe, Politiker, Menschenrechtler, Globalisierungskritiker, Kommunist und Konzernschreck. Seit Jahrzehnten prangert er Elend, Unterdrückung und Ausbeutung an, er verunglimpfte einen Schweizer Bankmanager als „Geier“, viele Eidgenossen nannten ihn „Landesverräter“, man zerrte ihn vor den Kadi. „Um mich finanziell zu ruinieren, und so zum Schweigen zu bringen, wurden neun Prozesse gegen mich angestrengt“, schreibt Ziegler in „Ändere die Welt“. Die Schadensersatzforderungen summierten sich auf mehrere Millionen Schweizer Franken, da Ziegler alle Prozesse verlor. „Ich (war) am Ende tatsächlich ruiniert“.

„So furchtbar wie eh und je“

Finanziell vielleicht, seine Mission, seinen Feldzug gegen die „Tyrannei der Oligarchen des globalen Finanzkapitals“ setzte er fort, wofür dieses Buch, auch eine persönliche Bilanz, fulminant Zeugnis ablegt. Hunger und Not sieht Ziegler nach Europa zurückgekehrt, die Welt sei wieder voller Kriege, „so furchtbar wie eh und je“, klagt er. „Nach den blutigen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien, auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak wüten heute Kriege in Syrien, im Jemen, im Ostkongo, im Süden und Westen des Sudan, in der Zentralafrikanischen Republik, in Myanmar, auf den Philippinen und weiteren Regionen der Welt“. Ziegler nennt den Dschihadismus, den christlichen, jüdischen, hinduistischen und buddhistischen Fundamentalismus, sieht die „Feinde der Vernunft“ aber auch in westlichen Ländern am Werk, wo antidemokratischen Kräfte sich ausbreiten. Beispiel USA, die – neben 112 anderen Staaten – Folter als notwendig billigen.
Aus der Anamnese folgt die Therapie: Ziegler legt mit „Ändere die Welt“ ein Handbuch für den Kampf gegen die „kannibalische Weltordnung“ vor. Denn am Ende kann und muss die „neue, weltumspannende Zivilgesellschaft“ gegen die Ungerechtigkeit aufstehen. „Alles, was das Böse braucht, um zu triumphieren, ist das Schweigen der guten Menschen“, zitiert Ziegler warnend den schottischen Philosophen Edmund Burke.

Klassenkampf

Die Arbeit des Intellektuellen (und damit des Soziologen Ziegler) ist für den Schweizer „subversiv“ – das heißt ein Akt, der in Konflikt mit den herrschenden sozialen Strukturen gerät. Denn es werden Strategien ans Licht gebracht, wie gesellschaftliche Strukturen entstehen. „Kein Machthaber kann das dulden“, schätzt Ziegler. Das hört sich nach Klassenkampf an, ist es irgendwie auch.
Denn eines seiner Hauptanliegen ist die Entlarvung der seiner Auffassung nach menschenfeindlichen Ökonomie: „Heute ist die mächtigste und zugleich die gefährlichste metasoziale Begründungsweise die »Naturalisierung« ökonomischer Fakten.“ Die Ökonomen, die Manager und Banker, die er auch schon mal als Halunken, Räuber oder Mörder bezeichnet, „berufen sich auf sogenannte »Naturgesetze der Wirtschaft«, um den Menschen aus seiner eigenen Geschichte zu vertreiben, um präventiv jeden Ansatz von Widerstand zu brechen und ihre Profite abzusichern.“ Ziel: Die Selbstregulierung des Weltmarktes, endlich befreit von aller Einmischung von Staaten, Gewerkschaften, Bürgern.
Die schlimmste Konsequenz aus der als neoliberal klassifizierten Politik ist das „durch Unterernährung und Hunger verursachte Massaker an Millionen von Menschen“. Für Ziegler „ein skandalöser Ausdruck des Kampfes der Reichen“. Sein Urteil: „Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet“.
Er appelliert an „alle Aktivisten der weltweiten Zivilgesellschaft“, die er durch den „moralischen Imperativ“ angetrieben sieht, die Kräfte zu bündeln für „eine solidarische Gesellschaft, die Humanisierung des Menschen, die Entfaltung all seiner unendlichen schöpferischen Kräfte, seiner Fähigkeit, glücklich zu sein, zu lieben, kurzum seiner Freiheit“.
Und den Verzagten, den Gleichgültigen, den Entrechteten gib Ziegler, der sich selbst nicht als Idealisten, sondern als vernunftbegabt sieht, noch einen Rat: „Es gibt keine Ohnmacht in der Demokratie“.

Lit.Cologne: Lesung mit Jean Ziegler am 15.3. in der Comedia.

Jean Ziegler: „Ändere die Welt!“, dt. von Ursel Schäfer, Bertelsmann, 288 S., 19,99 Euro. E-Book: 15,99 Euro. 


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