2017-04-26

Bio- und Fair-Label auf dem Prüfstand: Studie bringt große Unterschiede ans Licht – „Bio“ ist also nicht gleich „Bio“ und „Fair“ ist nicht gleich „Fair“


Kaum ein Produkt kommt noch ohne aus: Label dienen Verbrauchern als schneller Wegweiser durch die Vielfalt der Warenangebote. Doch nicht bei jedem Label erschließt sich sofort, was es bedeutet oder wie hilfreich es tatsächlich ist. Wer ethisch konsumieren will, bewegt sich durch ein Labyrinth aus Siegeln und Standards.

Die meisten Konsumgüter haben heute eine globale Geschichte: Sie werden an vielen unterschiedlichen Orten der Welt produziert und schließlich ganz woanders verkauft. Wir haben Ihnen bereits ausreichend Beispiele aufgezeigt:

Ja, verrückter geht es nicht mehr: Eier aus der Ukraine und aus Argentinien, Geflügel aus Brasilien und Thailand. Deutschland importiert Eier in die Ukraine und diese verkauft die Eier nach Indonesien. Rindfleisch aus Argentinien, Paraguay und auch aus den USA, während China Fleisch „Made in Germany“ bevorzugt. Was hier nicht verzehrt wird, geht dann nach Afrika. So exportiert Deutschland Fleisch nach China, bekommt aber Fleisch aus Thailand. Während in Lateinamerika für den intensiven Anbau von Soja für Futtermittel immer mehr Regenwälder und Savannen brandgerodet werden, um die Tiere in Deutschland damit zu füttern, erhalten wir auch Fleisch aus Brasilien und Argentinien. Siehe: Verrückter geht es nicht mehr! EU will mit 15 Mio. Euro Fleischverzehr ankurbeln – Eier aus Ukraine und Argentinien – Geflügel aus Brasilien und Thailand und demnächst Hormonfleisch aus den USA

Auch die Jeanshose ist ein Weltenbummler . Da soll uns mal jemand erklären, was denn eigentlich das Label *Made in Germany* für einen Sinn hat. Ein Produkt ist multinational und hat oft eine Weltreise hinter sich, eine Jeanshose als Weltenbummler oft über 50 000 km.
Und da sich mit den Labels mehr Geld verdienen lässt…

Der Verbraucher hat die Liebe zur Heimat entdeckt. Nachdem sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass eine normale Tomate vom heimischen Gemüsebauern auch aus ökologischen Gründen dem spanischen Bioprodukt vorzuziehen ist, setzen Hersteller und Einzelhandel verstärkt auf die Regional-Schiene. Und es lässt sich, wer hätte es gedacht, in der Tat mehr Geld damit verdienen. Nach einer Testphase wurde festgestellt, dass wir Verbraucher gern mehr zahlen, wenn uns Produkte aus der Region angeboten werden.

Mit dem Label „Regional“ wollen nun einige der größten deutschen Handelsketten profitieren. Nach einer Testphase in 2013 stiegen Lidl, Edeka und Rewe pünktlich zum Start der Internationalen Grünen Woche in Berlin 2014 in großem Stil in das „Regionalfenster“ ein. Es informiert auf den Verpackungen über die Herkunft der Hauptzutaten und den Herstellungsort des Produkts. Nicht nur der Bundesverband des deutschen Lebensmittelhandels lobt diese Herkunftskennzeichnung, auch – und das ist keine Selbstverständlichkeit – die Öko-Wirtschaft. Doch, wenn gar nicht „regional“ ist, was als regional ausgezeichnet wird? So kauften Tester 2011 in einem Lidl-Markt im mecklenburgischen Neustrelitz Birnen-Johannisbeersaft, der im bayrischen Lindau hergestellt wurde. Bei einer Entfernung von gut 800 Kilometern ist das Siegel „Ein Gutes Stück Heimat“ doch ein wenig irreführend. Siehe Gefallener „gelber Engel“ – Willkommen im Label-Dschungel – Verbraucherschutz? Augenwischerei?


In einer groß angelegten Studie im Rahmen der Kampagne SUPPLY CHA!NGE hat die Christliche Initiative Romero 92 Siegel, Label und Initiativen auf soziale und ökologische Kriterien und auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft.

Auffällig sind die großen Unterschiede zwischen den Labels. Trotz Lippenbekenntnissen nach dem schrecklichen Unglück in der Textilfabrik Rana Plaza, bei dem am 24. April 2013 mehr als 1130 Menschen starben, tragen Unternehmensinitiativen wie die BSCI (Mitglieder sind u. a. Deichmann, Edeka und Aldi) zu keiner substantiellen Verbesserung in den weltweiten Nähfabriken bei.

Die „SAI Platform“ (Mitglieder sind etwa McDonald’s, Nestlé, Coca Cola und Unilever) preist die bloße Einhaltung nationaler Gesetze als Nachhaltigkeitsprogramm an. Das utz-Siegel und das Logo der Rainforest Alliance, das sich auf vielen Schokoprodukten findet, gehen nur minimal über die gesetzlichen Vorschriften hinaus.


http://www.saiplatform.org/join-sai-platform/members

„Hier wird gleich zweimal betrogen“, verdeutlicht die Leiterin der Studie, Sandra Dusch Silva, „einmal die Verbraucher, denen vorgegaukelt wird, ein nachhaltiges Produkt zu kaufen, und natürlich die Menschen, die die Produkte unter unwürdigen Bedingungen herstellen und für die sich nichts verbessert.“ Nur wenige Initiativen wie die Fair Wear Foundation im Bereich Textilien betrachten wirklich die Prozesse vor Ort, die zu Verbesserungen führen.

Wenig Transparenz und Wirkungsmessung

Generell fiel bei der Untersuchung auf, dass es kaum Instrumente gibt, um die Wirkung der Programme zu messen. „Was nützt der schönste Plan, wenn wir am Ende nicht wissen, ob er funktioniert?“, so Sandra Dusch Silva.

Nachholbedarf besteht außerdem bei der Transparenz: Während Testsieger wie Gepa fair+ transparent arbeiten und so an Glaubwürdigkeit gewinnen, herrscht vor allem bei Siegeln und Standards für faire Produkte Nachholbedarf. Sandra Dusch Silva: „Bei Öko-Standards ist die Transparenz teils vorbildlich. Paradoxerweise heißt es dann aber bei Sozialstandards, eine transparente Lieferkette sei aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht umsetzbar.“

Wegweiser als Handbuch und Pocket-Guide

„Bio“ ist also nicht gleich „Bio“ und „Fair“ ist nicht gleich „Fair“. Das sollten sowohl Verbraucher wissen als auch Unternehmen, die bisher nur darauf achteten, dass ihre Einkäufe „irgendwie“ zertifiziert waren. Für sie hat die Christliche Initiative Romero die Ergebnisse in einem 172-seitigen „Wegweiser durch das Label-Labyrinth“ verständlich zusammengefasst. „Wir möchten den Verbrauchern eine konkrete Orientierungshilfe im „Label-Labyrinth“ an die Hand geben“, erklärt Sandra Dusch Silva. Geplant ist deshalb auch ein Pocket-Guide fürs Portemonnaie.

„Wegweiser durch das Label-Labyrinth“ (172 Seiten)

Leseprobe: https://is.gd/I0mSkT

Mehr Informationen http://www.ci-romero.de

Vom staatlichen Bio-Siegel bis hin zu konzerneigenen Etiketten – in Deutschlands Supermarktregalen gibt es mehrere hundert verschiedene Lebensmittel-Labels. Steigen Sie noch durch?

Vertrauen Sie nicht blind den Aufdrucken. Informieren Sie sich, was welches Label bedeutet. Wenn Sie wissen wollen, was wirklich drin ist im Produkt: Schauen Sie vor allem auf die Zutatenliste. Denn viele Verbraucher lassen sich von Werbe-Aufschriften verführen.

„Verbraucher sind für die Wirtschaft das, was der Wähler für die Politik ist.“ – Jim Turner

Netzfrau Doro Schreier

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