„Ich kann das wirkliche Problem nicht definieren, darum vermute ich, dass es kein wirkliches Problem gibt, aber ich bin nicht sicher, dass es kein wirkliches Problem gibt.“
Der amerikanische Physiker Richard Feynman sagte dies über die berüchtigten Rätsel und Widersprüche der Quantenmechanik, deren Theorie von Physikern genutzt wird, um die winzigsten Objekte im Universum zu beschreiben. Aber er könnte genauso gut über das gleichermassen verzwickte Problem des Bewusstseins gesprochen haben.
Einige Wissenschaftler denken, dass wir bereits verstehen, was Bewusstsein ist oder auch, dass es eine blosse Illusion sei. Aber viele andere spüren, dass wir überhaupt nicht erfasst haben, woher Bewusstsein kommt.
Das immer wiederkehrende Rätsel des Bewusstseins hat einige Forscher sogar dazu gebracht, Quantenphysiker dazu aufzurufen, es zu erklären. Diesem Begriff wird immer mit Skepsis begegnet, was nicht überraschend ist: es klingt nicht vernünftig, ein Mysterium mit einem anderen zu erklären. Aber solche Ideen sind weder eindeutig unsinnig, noch sind sie unbegründet.
Zum grossen Unbehagen der Physiker scheint sich einerseits der Geist seinen Weg in die frühe Quantentheorie zu erzwingen. Darüber hinaus wird über Quantencomputer vorausgesagt, dass sie fähig sind, Dinge zu leisten, die gewöhnliche Computer nicht können, was uns daran erinnert, wie unsere Gehirne Dinge erreichen können, die immer noch jenseits künstlicher Intelligenz liegen. „Quanten-Bewusstsein“ wird weitestgehend als mystisches Lockmittel verspottet, jedoch will es einfach nicht verschwinden.
(Quelle: Mehau Kulyk/Science Photo Library)
Quantenmechanik ist die beste Theorie, die wir haben, um die Welt auf der praktischen Ebene von Atomen und subatomaren Partikeln zu beschreiben. Deren vielleicht renommiertestes Rätsel ist die Tatsache, dass sich das Ergebnis eines Quantenexperiments abhängig davon ändern kann, ob wir entscheiden, einige Merkmale der beteiligten Partikel zu messen oder nicht.
Als dieser „Beobachter-Effekt“ von den frühen Pionieren der Quantentheorie das erste Mal wahrgenommen wurde, waren sie zutiefst besorgt. Er schien die Grundvoraussetzung hinter jeder Wissenschaft zu gefährden: dass es da draussen eine gegenständliche Welt gibt, unabhängig von uns. Wenn die Welt sich abhängig davon verhält, wie – oder ob – wir sie betrachten, was kann „Realität“ dann tatsächlich bedeuten?
Der berühmteste Eingriff des Geistes in die Quantenmechanik geschieht im „Doppelspalt-Experiment“
Einige dieser Forscher fühlten sich gezwungen zu schlussfolgern, dass Objektivität eine Illusion sei und dass dem Bewusstsein eine aktive Rolle in der Quantentheorie erlaubt sein muss. Für andere wiederum ergab dies keinen Sinn. Sicher, Albert Einstein murrte einst, dass der Mond nicht nur existiert, wenn wir ihn anschauen!
Heute vermuten einige Physiker, dass, ob Bewusstsein die Quantenmechanik beeinflusst oder nicht, es genau genommen deswegen entstehen könnte. Sie glauben, dass die Quantentheorie erforderlich sein könnte, um vollständig zu verstehen, wie das Gehirn arbeitet.
Könnte das bedeuten dass, eben weil Quantenobjekte anscheinend an zwei Orten gleichzeitig sein können, ein Quantengehirn daher an zwei sich gegenseitig ausschliessenden Ideen zur gleichen Zeit festhalten kann?
Diese Konzepte sind spekulativ und es kann sich herausstellen, dass die Quantenphysik weder für die Funktionsweise oder bei der Arbeit des Geistes eine grundlegende Rolle spielt.
Zumindest zeigen diese Möglichkeiten einfach, auf welch merkwürdige Art die Quantentheorie uns zu denken zwingt.
Das berühmte Doppelspalt-Experiment (Quelle: Victor de Schwanberg/Science Photo Library)
Die berühmteste Einmischung des Geistes in die Quantenmechanik findet mit dem „Doppelspalt-Experiment“ statt. Stell dir einen Lichtstrahl vor, der auf eine Leinwand scheint, die zwei eng aneinander liegende parallele Schlitze hat. Ein Teil des Lichts scheint durch die Schlitze hindurch, worauf es eine andere Leinwand trifft.
Licht kann als eine Art Welle betrachtet werden und wenn Wellen aus zwei Schlitzen wie diesen auftauchen, können sie einander beeinträchtigen. Wenn ihre Spitzen zusammenfallen, verstärken sie einander, wohingegen das Zusammentreffen einer Spitze und eines Wellentals sie aufhebt.
Diese Wellenbeeinflussung wird Diffraktion [Beugung] genannt und sie erzeugt eine Reihe von sich wandelnden hellen und dunklen Streifen auf der hinteren Leinwand, wo die Lichtwellen entweder verstärkt oder aufgehoben werden.
Die Schlussfolgerung scheint zu sein, dass alle Partikel gleichzeitig durch beide Schlitze gelangen.
Dieses Experiment wurde vor 200 Jahren als Eigenart des Wellenverhaltens verstanden – lange bevor die Quantentheorie existierte.
Das Doppelspalt-Experiment kann auch mit Quantenpartikeln wie Elektronen durchgeführt werden; winzige, geladene Partikel, die Bestandteile von Atomen sind. In einer kontraintuitiven Drehung können sich diese Partikel wie Wellen verhalten. [Kontraintuitiv = entgegen der Intuition oder dem gesunden Menschenverstand; der Intuition widersprechend]. Das bedeutet, dass sie eine Beugung durchlaufen können, wenn ein Strahl von ihnen durch die zwei Schlitze gelangt. Dann erzeugen sie ein Interferenzmuster.
Nun nehmen wir an, dass die Quantenpartikel nacheinander durch die Schlitze geschickt werden und deren Ankunft auf der Leinwand ebenso nacheinander gesehen wird. Nun ist da anscheinend nichts, was jedes Partikel auf seiner Strecke beeinträchtigen kann – aber dennoch zeigen die Muster des Partikelaufpralls, der sich im Laufe der Zeit aufbaut, Interferenzstreifen.
Die Folge scheint zu sein, dass jedes Partikel gleichzeitig durch beide Schlitze dringt und sich selbst beeinträchtigt. Diese Kombination von „beiden Teilen gleichzeitig“ ist als Superpositionszustand [Überlagerungszustand] bekannt.
Aber hierin liegt die wirklich merkwürdige Sache.
Das Doppelspalt-Experiment
(Quelle: GIPhotoStock/Science Photo Library)
Wenn wir einen Melder innerhalb eines Spalts oder direkt dahinter platzieren, können wir herausfinden, ob jedes einzelne Partikel hindurch gelangt oder nicht. In diesem Falle aber verschwinden die Beeinträchtigungen. Durch das blosse Beobachten des Partikelweges – sogar wenn diese Beobachtung die Bewegung des Partikels nicht stören sollte – verändern wir das Ergebnis.
Der Physiker Pascual Jordan, der in den 1920er Jahren mit dem Quantenguru Niels Bohr in Kopenhagen arbeitete, drückte es so aus: „Beobachtungen stören nicht nur, was gemessen werden soll, sie erzeugen es… Wir zwingen [ein Quantenpartikel], eine bestimmte Position einzunehmen.“ Anders ausgedrückt sagte Jordan: „Wir selbst produzieren die Messergebnisse.“
Wenn das so ist, scheint die objektive Realität den Bach hinunter zu gehen.
Und es wird sogar noch absonderlicher.
Partikel können zwei Zustände haben. (Quelle: Victor de Schwanberg/Science Photo Library)
Wenn die Natur ihr Verhalten abhängig davon ändert, ob wir „zuschauen“ oder nicht, könnten wir versuchen, sie auszutricksen, damit sie uns in die Karten schauen lässt. Um das zu tun, könnten wir messen, welchen Pfad ein Partikel durch die Doppelschlitze nahm, aber nur nachdem es sie passiert hat. Bis dahin sollte es „entschieden“ haben, einen oder beide Pfade zu nehmen.
Allein schon die Feststellung, mehr als irgendeine physikalische Störung, die durch die Messung verursacht wurde, kann den Zusammenbruch erzeugen.
Ein Experiment, um dies zu bewerkstelligen, wurde in den 1970er Jahren vom amerikanischen Physiker John Wheeler geplant und dieses „Verzögerte Wahl“-Experiment wurde im folgenden Jahrzehnt durchgeführt. Es setzt raffinierte Technik ein, um Messungen auf den Wegen der Quantenpartikel durchzuführen (im Allgemeinen Lichtpartikel, Photonen genannt), nachdem sie die Wahl getroffen haben sollten, ob sie einen Weg nehmen oder eine Überlagerung von beiden.
Siehe: Quanten-Experimente zeigen, wie die Gegenwart die Vergangenheit ändern kann und das ist noch nicht alles…
Genau wie Bohr zuversichtlich voraussagte, stellte sich heraus, dass es keinen Unterschied macht, ob wir die Messungen verzögern oder nicht. Solange wir den Weg der Photonen messen, bevor deren Ankunft bei einem Detektor schliesslich registriert wird, verlieren wir alle Eingriffe. Es stellt sich heraus, genau wie es Bohr zuversichtlich voraussagte, dass es keinen Unterschied macht, ob wir die Messung verzögern oder nicht. Solange wir den Photonenweg messen, bevor deren Ankunft an einem Messwertgeber schliesslich registriert wurde, verlieren wir jegliche Einflussnahme.
Es ist so, als ob die Natur nicht nur „wüsste“, dass wir zusehen, sondern auch, ob wir planen, dabei zuzusehen.
Eugene Wigner (Quelle: Emilio Segre Visual Archives/American Institute of Physics/Science Photo Library)
Immer, wenn wir in diesen Experimenten den Weg eines Quantenpartikels entdecken, „kollabiert“ seine Wolke möglicher Routen in einen einzigen klar definierten Zustand. Ausserdem deutet das Experiment der ‚Verzögerten Wahl‘ an, dass eher der reine Akt der Wahrnehmung als irgendeine physikalische Störung, verursacht durch Messung, den Kollaps verursachen kann. Aber bedeutet dies, dass ein echter Kollaps nur stattgefunden hat, wenn das Ergebnis einer Messung sich auf unser Bewusstsein auswirkt?
Es ist schwer, der Schlussfolgerung zu entgehen, dass Bewusstsein und Quantenmechanik irgendwie verbunden sind
Diese Möglichkeit wurde in den 1930er Jahren vom ungarischen Physiker Eugene Wigner eingeräumt. „Daraus ergibt sich, dass die Quantenbeschreibung von Objekten durch Eindrücke beeinflusst wird, die in mein Bewusstsein dringen“, schrieb er. „Solipsismus könnte demnach mit der derzeitigen Quantenmechanik in Einklang stehen.“ [Solipsismus: erkenntnistheoretische Lehre, die alle Gegenstände der Aussenwelt und auch sogenannte fremde Ichs nur als Bewusstseinsinhalte des als allein existent angesehenen eigenen Ichs sieht.]
Wheeler zog sogar den Gedanken in Betracht, dass die Gegenwart lebender Wesen, die in der Lage sind, „wahrzunehmen“, das umgewandelt haben, was vorher eine Vielzahl von möglichen Quanten-Vergangenheiten in einer konkreten Geschichte war. So gesehen sagte Wheeler, dass wir seit dessen Anbeginn Teilnehmer in der Evolution des Universums sind. Laut seinen Worten leben wir in einem „teilnehmenden Universum“.
Bis zum heutigen Tag finden Physiker keine Übereinkunft, wie man diese Quantenexperimente interpretieren kann; und in gewissem Masse liegt es (im Moment) an dir, was du daraus machst. Aber es ist so oder so schwer, die Schlussfolgerung zu vermeiden, dass Bewusstsein und Quantenmechanik irgendwie miteinander verbunden sind.
Zu Beginn der 1980er Jahre schlug der britische Physiker Roger Penrose vor, dass die Verbindung auch in die andere Richtung funktionieren könnte. Er sagte: ob Bewusstsein die Quantenmechanik beeinflussen kann oder nicht, vielleicht ist die Quantenmechanik am Bewusstsein beteiligt.
Penrose fragte, was wäre, wenn es molekulare Strukturen in unseren Gehirnen gäbe, die in der Lage sind, ihren Zustand als Reaktion auf ein einzelnes Quantenereignis zu verändern. Könnten dann nicht diese Strukturen einen Superpositionszustand annehmen, genau wie die Partikel im Doppelspalt-Experiment? Und könnten diese Quanten-Superpositionen dann auf die Art auftauchen, wie Neuronen getriggert werden, um mit elektrischen Signalen zu kommunizieren?
Vielleicht, sagt Penrose, ist unsere Fähigkeit, scheinbar unvereinbare mentale Zuständen zu unterstützen, keine Eigenart der Wahrnehmung, sondern ein echter Quanteneffekt.
Vielleicht ist die Quantenmechanik am Bewusstsein beteiligt
Letzten Endes scheint das menschliche Gehirn in der Lage zu sein, kognitive Prozesse zu handhaben, die die Leistungsfähigkeit digitaler Computer immer noch bei weitem überschreiten. Vielleicht können wir sogar rechnerische Arbeiten ausführen, die für gewöhnliche Computer unmöglich sind, welche jene die klassische digitale Logik verwenden.
Penrose schlug erstmals in seinem Buch The Emperor’s New Mind von 1989 vor, dass Quantum die Funktion der menschlichen Wahrnehmung beeinflusst. Das Konzept wird Orch-OR genannt, kurz für „orchestrated objective reduction“ [inszenierte objektive Reduzierung]. Der Begriff „objektive Reduzierung“ bedeutet dass, wie Penrose glaubt, der Kollaps von Quanteninterferenz und Superposition ein wirklicher, physischer Prozess ist, wie das Zerplatzen einer Blase.
Orch-OR greift auf Penroses Vermutung zurück, dass die Erdanziehung verantwortlich für die Tatsache ist, dass alltägliche Gegenstände, wie Stühle und Planeten, keinen Quanteneffekt anzeigen. Penrose glaubt, dass Quanten-Superpositionen für Objekte grösser als Atome unmöglich sind, weil deren Gravitationswirkung dann zwei unvereinbare Versionen von Raumzeit zwingen würde, zu koexistieren.
Penrose entwickelte dieses Konzept mit dem amerikanischen Physiker Stuart Hameroff weiter. In seinem Buch Shadow of the Mind aus dem Jahr 1994 legte er nahe, dass die an dieser Quantenerkenntnis beteiligten Strukturen Proteinstränge sein könnten, die Mikrotubuli genannt werden. Diese sind in den meisten unserer Zellen zu finden, einschliesslich in den Neuronen unseres Gehirns. Penrose und Hameroff erörtern, dass Vibrationen von Mikrotubuli eine Quanten-Superposition einnehmen können.
Aber es gibt keinen Beweis, dass so eine Sache entfernt möglich ist.
Mikrotubuli innerhalb einer Zelle (Quelle: Dennis Kunkel Microscopy/Science Photo Library)
Es wird vermutet, dass die Vorstellung von Quanten-Superpositionen in Mikrotubuli von Experimenten bekräftigt wird, die in 2013 beschrieben wurden; aber tatsächlich erwähnten diese Studien keine Quanteneffekte.
Darüber hinaus denken die meisten Forscher, dass das Konzept von Orch-OR von einer im Jahr 2000 veröffentlichten Studie verdrängt wurde. Der Physiker Max Tegmark berechnete, dass Quanten-Superpositionen der im neuralen Signalverkehr involvierten Moleküle noch nicht mal für den Bruchteil der Zeit überleben könnten, die benötigt wird, damit ein Signal irgendwo hin kommt.
Andere Forscher haben Beweise für Quanteneffekte in Lebewesen gefunden
Quanteneffekte wie Superposition sind aufgrund eines Prozesses, genannt Dekohärenz, leicht zerstörbar. Dieser wird von den Interaktionen eines Quantenobjekts mit seiner umgebenden Umwelt verursacht, durch welches das „Quantensein“ entweicht. [Dekohärenz ist ein Phänomen der Quantenphysik, das zur unvollständigen oder vollständigen Unterdrückung der Kohärenzeigenschaften quantenmechanischer Zustände führt. Dekohärenzeffekte ergeben sich, wenn ein bislang abgeschlossenes System mit seiner Umgebung in Wechselwirkung tritt.]
Dekohärenz wird in einer warmen und feuchten Umgebung wie lebenden Zellen erwartungsgemäss ausserordentlich schnell.
Nervensignale sind elektrische Pulse, die vom Durchfluss elektrisch geladener Atome durch die Wände von Nervenzellen verursacht werden. Tegmark zeigte dass, wenn eines dieser Atome in einer Superposition wäre und dann mit einem Neuron kollidieren würde, die Superposition in weniger als einer Milliardstel Sekunde zerfallen sollte. Es dauert für ein Neuron mindestens zehntausend Billionen Mal so lange, um ein Signal zu entladen.
Daher werden Konzepte über Quanteneffekte im Gehirn mit grosser Skepsis betrachtet.
Penrose aber bleibt von diesen Argumenten unberührt und steht zu der Orch-OR-Hypothese. Und trotz Tegmarks Vorhersage von ultraschneller Dekohärenz in Zellen haben andere Forscher Beweise für Quanteneffekte in Lebewesen gefunden. Manche argumentieren, dass die Quantenmechanik von Zugvögeln genutzt wird, die magnetische Navigation verwenden und auch von grünen Pflanzen, wenn sie das Sonnenlicht nutzen, um in der Photosynthese Zucker zu bilden.
Nebenbei zeigt die Idee, dass das Gehirn Quantentricks einsetzen könnte, keine Anzeichen dafür, zu verschwinden. Denn da gibt es nun ein weiteres, ganz anderes Argument dafür.
Könnte Phosphor einen Quantenzustand unterstützen? (Quelle: Phil Degginger/Science Photo Library)
In einer Studie, die 2015 veröffentlicht wurde, argumentiert der Physiker Matthew Fisher von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara, dass das Gehirn Moleküle enthalten könnte, die in der Lage sind, mehrere stabile Quanten-Superpositionen aufrechtzuerhalten.
Im Besonderen denkt er, dass die Zellkerne von Phosphor-Atomen diese Fähigkeit besitzen könnten.
Phosphor-Atome sind überall in lebenden Zellen. Oft nehmen sie die Form von Phosphat-Ionen an, in denen ein Phosphor-Atom eine Verbindung mit vier Sauerstoffatomen eingeht.
Solche Ionen sind innerhalb der Zellen die Grundeinheit von Energie. Vieles der Zellenergie wird in Molekülen, genannt ATP, gespeichert, die eine Schnur von drei Phosphatgruppen enthalten, welche mit organischen Molekülen verbunden sind. Wenn eines der Phosphate freigeschnitten wird, wird Energie für die Zelle freigesetzt.
Zellen haben einen molekularen Mechanismus, um Phosphat-Ionen in Gruppen zusammenzustellen und sie wieder abzuspalten. Fisher weist auf ein Schema hin, in dem zwei Phosphat-Ionen in eine bestimmte Art von Superposition gebracht werden könnten, die „verschränkter Zustand“ genannt wird.
Die Phosphor-Rotation könnte der Dekohärenz für etwa einen Tag standhalten, sogar in lebenden Zellen
Die Phosphor-Zellkerne besitzen ein Quantenmerkmal, genannt Eigendrehimpuls, der sie eher wie kleine Magnete mit Polen wirken lässt, die in bestimmte Richtungen zeigen. In einem verschränkten Zustand hängt der Eigendrehimpuls eines Phosphor-Zellkerns vom anderen ab.
Auf andere Art ausgedrückt: verschränkte Zustände sind wirklich Superposition-Zustände, die mehr als ein Quantenpartikel beinhalten.
Fisher sagt, dass es einleuchtend sei, dass das quantenmechanische Verhalten dieser atomaren Eigendrehimpulse nach menschlichen Massstäben der Dekohärenz standhalten könnte. Er stimmt mit Tegmark überein, dass Quanten-Vibrationen, wie die von Penrose und Hameroff konstatierten, stark von ihrer Umgebung beeinflusst und „fast unverzüglich unterdrückt werden“. Aber atomare Eigendrehimpulse interagieren nicht sehr stark mit ihrer Umgebung.
Trotzdem müsste das Quantenverhalten in den Eigendrehimpulsen des Phosphor-Zellkerns vor Dekohärenz „geschützt“ werden.
Quantenpartikel können verschiedene Drehimpulse haben (Credit: Richard Kail/Science Photo Library)
Das könnte geschehen, sagt Fisher, wenn die Phosphor-Atome in grössere Objekte, genannt „Posner-Moleküle“, eingebaut wären. Diese sind Cluster von sechs Phosphat-Ionen, kombiniert mit neun Calcium-Ionen. Es gibt einige Beweise, dass sie in lebenden Zellen existieren können, obwohl dies derzeit weit von greifbaren Beweisen entfernt ist.
Ich entschloss mich… zu erkunden, wie in aller Welt das Lithium-Ion solch einen dramatischen Effekt bei der Behandlung von psychischen Zuständen haben könnte
Fisher argumentiert, dass Phospor-Drehimpulse in Posners Molekülen der Dekohärenz mindestens einen Tag widerstehen konnten, sogar in lebenden Zellen. Das bedeutet, dass sie Einfluss darauf nehmen könnten, wie das Gehirn arbeitet.
Die Grundidee ist, dass Posner-Moleküle von Neuronen geschluckt werden können. Einmal darin befindlich könnten die Posner-Moleküle das Abfeuern eines Signals an ein anderes Neuron triggern, indem sie auseinanderfallen und ihre Calcium-Ionen freisetzen.
Aufgrund der Verwicklung in Posner-Molekülen könnten zwei dieser Signale somit wiederum verschränkt werden: eine Art Quanten-Superposition eines „Gedanken“, könnte man sagen. „Wenn tatsächlich eine Quanten-Verarbeitung mit einem Kernspin vorhanden ist, wäre es eine äusserst häufige Erscheinung und würde so ziemlich die ganze Zeit geschehen“, sagt Fisher.
Er hatte diese Idee zum ersten Mal, als er über psychische Erkrankungen nachdachte.
„Mein Einstieg in die Biochemie des Gehirns begann, als ich mich vor drei oder vier Jahren entschied, zu erforschen, wie das Lithium-Ion eigentlich so einen dramatischen Effekt auf die Behandlung von psychischen Zuständen haben könnte“, sagt Fischer.
An diesem Punkt ist Fishers Vorhaben nichts weiter als ein faszinierender Gedanke
Lithium-Medikamente werden häufig für die Behandlung einer bipolaren Störung eingesetzt. Sie wirken, aber niemand weiss so wirklich, warum.
„Ich war nicht auf der Suche nach einer Quanten-Erklärung“, sagt Fisher. Aber dann stiess er auf eine Arbeit, die berichtete, dass Lithium-Medikamente unterschiedliche Wirkungen auf das Verhalten von Ratten hatten, abhängig davon, welche Lithium-Form – oder welches „Isotop“ – verwendet wurde.
Das war in der Tat äusserst rätselhaft. In chemischen Begriffen ausgedrückt, verhalten sich unterschiedliche Isotope beinahe identisch; wenn das Lithium also wie ein konventionelles Medikament wirkte, sollten die Isotope alle den gleichen Effekt haben.
Nervenzellen sind mit Synapsen verbunden (Credit: Sebastian Kaulitzki/Science Photo Library)
Aber Fisher stellte fest, dass die Kerne des Atoms verschiedener Lithium-Isotope unterschiedliche Drehimpulse haben können. Diese Quanteneigenschaft könnte die Art beeinflussen, wie Lithium-Medikamente wirken. Wenn zum Beispiel Lithium als Ersatz für Calcium in Posner-Molekülen dient, dann könnte der Lithium-Drehimpuls „fühlen“ und die Moleküle der Phosphor-Atome beeinflussen und so in deren Verschränkung eingreifen.
Wir wissen noch nicht einmal, was Bewusstsein ist
Wenn das wahr ist, dann würde es dabei helfen zu erklären, warum Lithium bipolare Störungen behandeln kann.
An diesem Punkt ist Fishers Konzept nichts anderes als ein faszinierender Gedanke.
Aber es gibt einige Wege, auf denen seine Glaubwürdigkeit getestet werden kann – angefangen bei der Vorstellung, dass Phosphor-Drehimpulse in Posner-Molekülen ihre Quanten-Kohärenz für eine lange Zeit aufrechterhalten können. Das ist, was Fisher als nächstes vor hat.
Dennoch ist er vorsichtig, mit den vorangegangenen Konzepten über „Quanten-Bewusstsein“ in Verbindung gebracht zu werden, welche er bestenfalls als höchst spekulativ ansieht.
Bewusstsein ist ein unausschöpfliches Geheimnis (Credit: Sciepro/Science Photo Library)
Physiker fühlen sich innerhalb ihrer Theorien nicht grenzenlos wohl. Die meisten hoffen, dass Bewusstsein und das Gehirn von der Quantentheorie ferngehalten werden können und vielleicht auch anders herum. Immerhin wissen wir noch nicht einmal, was Bewusstsein ist, geschweige denn haben wir eine Theorie, um es zu beschreiben.
Wir alle wissen, was rot ist, aber wir haben keine Möglichkeit, die Empfindung zu übermitteln
Es ist keine Hilfe, dass es jetzt ein New Age-Heimgewerbe gibt, das sich der Begrifflichkeit „Quanten-Bewusstsein“ widmet und behauptet, dass Quantenmechanik einleuchtende Begründungen für solche Dinge wie Telepathie und Telekinese bietet.
Als Ergebnis geraten Physiker oftmals in Verlegenheit, die Worte „Quanten“ und „Bewusstsein“ in einem Satz auch nur zu äussern.
Das vorausgeschickt, hat diese Vorstellung eine lange Vorgeschichte. Seit dem „Beobachtungseffekt“ und seit der Geist sich erstmals selbst in den frühen Tagen der Quantentheorie andeutete, ist es teuflisch schwer, ihn hinauszubefördern. Einige Forscher denken, wir könnten das niemals schaffen.
2016 mutmasste einer der renommiertesten „Quanten-Philosophen“, Adrian Kent, von der Universität von Cambridge in Grossbritannien, dass Bewusstsein das Verhalten von Quantensystemen auf dezente aber nachweisbare Arten verändern könnte.
Wir verstehen nicht, wie Gedanken funktionieren
Jeder Gedankengang über die Beziehung des Bewusstseins zur Physik führt zu grossem Ärger
Aber er sagt, dass es schwer zu erkennen ist, wie eine Beschreibung des Bewusstseins, das ausschliesslich auf vorzeitlicher Quantenphysik basiert, all diese Besonderheiten erklären kann, die es zu haben scheint.
Eine besonders rätselhafte Frage ist, wie unser bewusster Geist einzigartige Gefühle erleben kann, wie die Farbe Rot oder den Geruch von gebratenem Speck. Mit Ausnahme von Menschen mit Sehbeeinträchtigung wissen wir alle, was Rot ist, aber wir haben keine Möglichkeit, die Wahrnehmung zu erklären und es gibt in der Physik nichts, was uns sagt, wie es sein soll.
Erfahrungen wie diese werden „Qualia“ genannt. [Qualia: Unter Qualia (Singular: das Quale, von lat. „qualis“ „wie beschaffen“) oder phänomenalem Bewusstsein versteht man den subjektiven Erlebnisgehalt eines mentalen Zustandes.] Wir nehmen die Erfahrungen als vereinheitlichte Eigenschaften an, aber tatsächlich sind sie Produkte unseres Bewusstseins – und das ist schwer zu erklären. Tatsächlich nannte der Philosoph David Chalmers es im Jahr 1995 „das schwere Problem“ des Bewusstseins.
Wie arbeitet unser Bewusstsein?
„Jeder Gedankengang über die Beziehung zwischen Bewusstsein und Physik führt zu grossem Ärger“, sagt Kent.
Dies hat ihn veranlasst anzunehmen, dass „wir einen Fortschritt machen könnten, das Problem der Evolution von Bewusstsein zu verstehen, wenn wir davon ausgehen, dass Bewusstsein (wenn auch vielleicht in geringfügiger Weise und dezent) die Quantenwahrscheinlichkeit verändert.“
„Quantenbewusstsein“ wird weitgehend als mystical woo belächelt, aber es will einfach nicht verschwinden
Mit anderen Worten: der Geist könnte wirklich die Messergebnisse beeinflussen.
In dieser Ansicht ist nicht genau festgelegt, „was echt ist“. Aber es könnte die Chance beeinflussen, dass jede der durch die Quantenmechanik zulässigen, möglichen Wirklichkeiten diejenige ist, die wir tatsächlich beobachten – auf eine Weise, die die Quantentheorie selbst nicht vorhersagen kann. Kent sagt, dass wir probeweise nach solchen Effekten Ausschau halten könnten.
Er schätzte sogar mutig die Chance ein, sie zu finden. „Ich würde dem, dass etwas Gezieltes, was mit Bewusstsein zu tun hat, Abweichungen von der Quantentheorie verursacht, vielleicht 15% Glauben schenken; und das vielleicht mit einer 3%igen Glaubwürdigkeit, dass dies in den nächsten 50 Jahren in Experimenten entdeckt werden wird“, sagt er.
Wenn das geschieht, würde dies unsere Vorstellungen von der Physik und dem menschlichen Verstand umwandeln. Das scheint eine lohnenswerte Chance zu sein, sie zu erforschen.
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