2015-06-09

Geheimnisvolle Pflanzenwelt: Was das stille Grün wirklich fühlt

Erstaunliche Experimente belegen, dass Pflanzen hochsensibel auf verschiedenste Reize reagieren und deutlich fühlen, was mit ihnen geschieht. Forscher bestätigen jetzt unter anderem: Pflanzen spüren genau, wenn Raupen sie befallen – und sie ergreifen wirksame Gegenmaßnahmen. Doch die botanischen Geheimnisse reichen noch tiefer.
Dass Pflanzen auf verschiedenste Weise auf die Außenwelt reagieren und mit ihr kommunizieren, haben vereinzelte Forscher bereits vor Jahren und Jahrzehnten festgestellt. Vielfach wurden solche Ergebnisse allerdings angezweifelt, als unwissenschaftlich bezeichnet und daher weitgehend abgelehnt. Da war beispielsweise der vor zwei Jahren verstorbene Grover Cleveland Backster, ein Verhörspezialist der CIA. Er wurde in den 1960er-Jahren vor allem für einige ungewöhnliche Experimente bekannt, bei denen er Lügendetektoren einsetzte, um die Reaktionen von Pflanzen zu untersuchen. Sie würden tatsächlich Schmerz spüren, so behauptete Backster, und zudem über außersinnliche Fähigkeiten verfügen.

Schließlich entwickelte er sein Konzept der »primären Wahrnehmung« − Biokommunikation. Demzufolge würden Pflanzen auch verschieden auf Menschen reagieren. Unweigerlich denkt man dabei an den berühmten »grünen Daumen«. Am 2. Februar 1966 entschloss sich Cleve Backster nach einer langen Arbeitsnacht dazu, seine Lieblingspflanze, einen Drachenbaum, mit einem Lügendetektor zu verbinden. Der CIA-Mann hoffte, Veränderungen des elektrischen Widerstands beim Auftreten verschiedener äußerer Reize zu finden.

Erste Versuche ergaben zunächst keinerlei Reaktion. Dann entschloss sich Backster, eine Schachtel Streichhölzer aus dem Nebenraum zu holen, um die Pflanze geringfügig anzusengen. Tatsächlich konnte der unkonventionelle Forscher ein seltsames Signal aufzeichnen.

Dies allerdings schon zu dem Zeitpunkt, als er ans Erhitzen dachte! Es hatte ganz den Anschein, als ob die Pflanze tatsächlich Gedanken »lesen« konnte. Der Verhörspezialist war fasziniert und wollte mehr in Erfahrung bringen.

Wie empathisch war sein Drachenbaum? Um das herauszufinden, setzte er eine kleine Maschine ein, die lebende Shrimps in zufälliger Zeitfolge in kochendes Wasser warf. Seine Pflanze zeigte daraufhin jeweils einen deutlichen Ausschlag, so als ob sie regelrecht mit den kleinen Krebsen mitfühlte.

Der Versuch wurde berühmt. Backster schien wie besessen und führte weitere Experimente durch, die seine Kollegen und die vielzitierte »Fachwelt« allerdings für zunehmend abstruser hielten. Sogar im Flugzeug soll er einen kleinen Detektor mitgeführt haben, um die Schockstarre eines servierten Salats zu demonstrieren.

Die CIA setzte den offenbar verrückt gewordenen Forscher vor die Türe. Cleve Backster wurde weithin der Lächerlichkeit preisgegeben oder einfach nicht mehr beachtet, zumindest in der westlichen Welt. Doch führte er seine Versuche fort. Der missliebig gewordene Verhörexperte fühlte sich übrigens von keinem Geringeren als Jagadish Chandra Bose inspiriert, einem bengalischen Physiker, Biologen und Allroundgenie – nebenbei bemerkt: nicht zu verwechseln mit Satyendranath Bose, nach dem unter anderem auch die Bose-Einstein-Kondensate benannt sind.

Der Biophysik-Pionier J. C. Bose lehnte Kommerz in der Wissenschaft ab und widmete sich seit 1900 vorrangig der Pflanzenphysiologie. Er stellte unter anderem ein verstärktes Pflanzenwachstum fest, wenn Musik abgespielt wurde, während Lärm bremsend wirkte. In eine ähnliche Kerbe schlagen auch aktuelle Untersuchungen, wie sie von Heidi Appel, einer Wissenschaftlerin am College of Agriculture, Food and Natural Resources der Universität Missouri (MU) durchgeführt worden sind.

»Frühere Forschungen haben geprüft, wie Pflanzen auf akustische Energie einschließlich Musik reagieren«, so hält Dr. Appel fest. »Unsere Arbeit ist allerdings das erste Beispiel dafür, wie Pflanzen auf eine ökologisch relevante Vibration reagieren.« Damit meint die Biologin jene ganz besonderen Vibrationen, wie sie von Raupen ausgelöst werden, wenn sie den Fressvorgang beginnen. Diese Attacke löst ein Alarmsignal in der Pflanze aus, worauf sich ihr Stoffwechsel ändert und die Zellen eine größere Menge an »Verteidigungschemie« produzieren.

Dr. Appel arbeitete bei ihrer Studie mit Professor Rex Cocroft zusammen, der ebenfalls an der MU tätig ist. Mit einer winzigen Reflektorfolie und einem Laser gelang es Cocroft, die Vibrationen abzugreifen und die Pflanzenreaktion zu dokumentieren. Die Forscher spielten zum Test auch Aufzeichnungen der Vibrationen erneut ab und stellten eindeutige Reaktionen darauf fest.

Besonders interessant dabei: Die Pflanzen waren in der Lage, die Vibrationen sehr genau zu identifizieren. Sie ließen sich nicht durch ähnliche Muster täuschen, wie sie durch leichten Wind oder Insektengeräusche verursacht wurden. Sogar wenn etliche akustische Merkmale mit den Fressgeräuschen von Raupen übereinstimmten, wurden die Pflanzen ausschließlich bei identischen Mustern aktiv.

Die beiden Wissenschaftler wollen künftig noch mehr über die Abwehrmechanismen der Pflanzen erfahren: »Diese Forschung öffnet das Fenster zum Studium pflanzlichen Verhaltens ein bisschen weiter, indem sie zeigt, dass Pflanzen auf äußere Einflüsse vielfach in der gleichen Weise wie Tiere antworten, selbst wenn diese Antworten anders aussehen«, so Appel.

Da Raupen also durch die pflanzliche Reaktion – die Ausschüttung von Senfölen – abgeschreckt werden und sich zurückziehen, hoffen Appel und Cocroft darauf, ihre Erkenntnisse gewinnbringend für die Landwirtschaft verwenden zu können.

Sie denken darüber nach, Vibrationen einzusetzen, um die pflanzliche Abwehr gegen Schädlinge zu verstärken. Das wäre allerdings gleichbedeutend damit, die Pflanzen einem widernatürlichen Dauerstress auszusetzen, was im Grunde doch nur eines bewirken kann: sie krank werden zu lassen!

Kann das sinnvoll sein? Am Ende stünden dann kranke Pflanzen und wohl auch kranke Menschen. In seinem Verlangen danach, die Natur zu kontrollieren, hat unsere Spezies schon vielfach Grenzen überschritten. Selten war der dabei errungene »Triumph« von Dauer.

 Quelle: http://info.kopp-verlag.de/neue-weltbilder/phaenomene/andreas-von-r-tyi/geheimnisvolle-pflanzenwelt-was-das-stille-gruen-wirklich-fuehlt.html

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