Nach gängiger Annahme haben Tiere kein Gespür für die Zeit – aber ein Seehund belehrt uns jetzt eines Besseren. Denn "Luca" kann Zeitintervalle sehr wohl einschätzen und unterscheiden. Sein Gespür für die Dauer reicht sogar bis in den Millisekundenbereich hinein, wie ein Experiment belegt. Die vermeintlich rein menschliche Domäne des Zeitgefühls hat der Seehund damit geknackt, wie die Forscher im Fachmagazin "Animal Cognition" berichten.
Wir Menschen besitzen ein instinktives Zeitgefühl: Wir können ungefähr die Dauereines Zeitintervalls abschätzen oder wie lange ein Ereignis zurückliegt. Aber wie sieht dies bei Tieren aus? Gängiger Lehrmeinung nach besitzen sie zwar eine innere Uhr, leben aber im Hier und Jetzt und haben keinen Sinn für Vergangenheit oder Zukunft. Für ihre Wanderungen oder die Brutzeit richten sie sich nach Zeitgebern in ihrer Umwelt – so dachte man bisher.
Ein Seehund beim Kreisegucken
Doch nun belehrt uns ein Seehund eines Besseren. Für ihre Studie hat Tamara Heinrich von der Universität Rostock ein Jahr lang ein Experiment mit dem 13-jährigen Seehund Luca durchgeführt. Sie wollte wissen, ob die Robbe verschiedenen Zeitintervalle unterscheiden kann. Dafür lernte Luca, einen Bildschirm aufmerksam zu beobachten, auf dem immer für kurze Zeit ein weißer Kreis erschien.
Die Aufgabe des Seehunds: Ist der Kreis genauso lange zu sehen, wie beim letzten Mal, soll er mit dem Kopf eine Kugel links von ihm antippen. Bleibt der Kreis aber länger als zuvor sichtbar, ist die rechte Kugel die richtige. Für eine richtige Entscheidung wurde Luca mit Fisch belohnt und so immer wieder neu motiviert.
Bis auf Millisekunden genau
Seehund Luca lernte dieses neue "Spiel" sehr schnell und offenbar mit Freude. Noch wichtiger aber: Für ihn war es offenbar überhaupt kein Problem, die Zeitintervalle zu unterscheiden. Er tippte zielsicher auf den jeweils richtigen Ball und erkannte demnach in den meisten Fällen, ob der Kreis zeitlich gesehen "aus der Reihe tanzte".
"Wir haben die Genauigkeit des Zeitgefühls für viele Zeitintervalle zwischen drei und 30 Sekunden bestimmt", sagt Heinrich. "Luca hat erstaunlich schnell gelernt, Zeitintervalle zu unterscheiden." Das Zeitgefühl des Seehunds war dabei so genau, dass er in weiteren Versuchen sogar noch Zeitunterschiede von nur Millisekunden erkannte, wie die Forscherin berichtet.
Hilfe bei Futtersuche und Orientierung
"Wir haben die Genauigkeit des Zeitgefühls für viele Zeitintervalle zwischen drei und 30 Sekunden bestimmt", sagt Heinrich. "Luca hat erstaunlich schnell gelernt, Zeitintervalle zu unterscheiden." Das Zeitgefühl des Seehunds war dabei so genau, dass er in weiteren Versuchen sogar noch Zeitunterschiede von nur Millisekunden erkannte, wie die Forscherin berichtet.
Hilfe bei Futtersuche und Orientierung
Das aber bedeutet: Die gängige Annahme, nach der Tiere grundsätzlich kein Zeitgefühl in unserem Sinne besitzen, kann nicht stimmen. Stattdessen können zumindest Meeressäuger wie der Seehund offenbar Zeitintervalle sogar erstaunlich genau einschätzen, so die Forscher. Seehunde knacken damit eine vermeintlich rein menschliche Domäne.
Der Grund, warum gerade Seehunde einen so guten Zeitsinn besitzen, liegt wahrscheinlich in ihrer Lebensweise, mutmaßt Heinrich. Denn sie suchen ihre Beute unter Wasser und halten sich immer wieder längere Zeit in den dunklen Tiefe des Meeres auf. Für Orientierung und Futtersuche sei es dann wichtig einzuschätzen, wie lange sie schon unterwegs waren oder welche Strecke sie in welcher Zeit zurückgelegt haben, so die Forscherin. Ob auch andere Meeressäuger dieses Zeitgefühl besitzen, muss nun erforscht werden.
(Animal Cognition, 2016; doi: 10.1007/s10071-016-1020-3)
(Universität Rostock, 18.08.2016 - NPO)
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