Es war einmal ein Mensch, der wusste nicht, ob er träumte oder wachte, ob das Leben eine Linie, ein Kreis oder ein tanzender Stern war. Man nannte ihn AELIN den Gestaltwandler, was poetisch „der Wind zwischen den Formen“ bedeutet.
Eines Morgens — oder ist es Abend? — öffnet Aelin mit mit einem Gedanken die Haustür und tritt ins Freie. Draußen liegen nicht nur EIN Weg, sondern viele Wege. Manche schlängeln sich rückwärts ins Morgen. Andere kriechen seitwärts durch Erinnerungen, und ein paar verschwinden in sich selbst wie spiralförmige Melodien, die nie endeten.
Ein alter Baum spricht zu Aelin, ohne seine Rinde zu bewegen: „Der geradeste Weg führt oft am Herzen vorbei. Verirre dich ruhig – hier bedeutet das Ankommen.“ Und so geht Aelin los – in mehrere Richtungen zugleich. Wenn du etwas erfahren, begreifen möchtest, sind sogenannte Fehler zielführend.
Erster Pfad: Der See, der sich selbst träumt
Ein stiller See, aber unter der Oberfläche bewegen sich Geschichten. Aelin blickt hinein und sieht Gesichter. Nicht nur frühere Leben — sondern auch mögliche Zukünfte. Ein Wal aus Licht schwimmt vorbei und singt:
„Du musst nicht wissen, wer du bist.
Nur, dass du dich immer neu erinnern kannst.“
Aelin lächelt. Die Wellen peilen kein Ziel an, sie bewegen sich in mehreren Richtungen.
Zweiter Pfad: Der Löwe aus Licht
Auf einmal steht Aelin vor einem Wesen – brennend, aber nicht heiß. Der Löwe blickt direkt in sein Herz.
„Du willst wissen, ob du hier richtig bist?“ „Nein“, sagte Aelin. „Ich will wissen, ob ich echt bin.“ „Dann frag nicht nach dem Weg. Frag nach dem Mut, den du jetzt brauchst.“ Der Löwe verschmilzt mit Aelin, und etwas Erwachtes beginnt in seiner Brust zu leuchten.
Dritter Pfad: Der Ort ohne Namen
Am Ende – wie Anfang – kommt Aelin an einen Ort, der weder Raum noch Zeit kennt. Er atmet Gedanken. Er riecht nach Möglichkeiten. Er schimmert in vielen Farbtönen. Dort spricht die Intuition in ihm: „Alles ist Jetzt. Du bist überall, woran dein Bewusstsein sich erinnert.“ „Es gibt kein richtiges Ziel. Nur das Geschenk, dich immer wieder neu zu erkennen.“
Vierter Pfad: Der Wind, der dich beim Namen kennt
Aelin wandert durch eine Landschaft ohne Form – nur Wellen aus Luft, die wie Erinnerung duften. Plötzlich flüstert der Wind seinen Namen – nicht den, den andere ihm gegeben haben,
sondern jenen, der nur in seinem Inneren vibriert.
„Du bist nicht, wer du warst, du wirst nicht, was du glaubst.
Du bist, was du jetzt atmest.“
Der Wind formt einen Kreis um Aelin – und dieser Kreis wird zum Ohr, das aufhört zu lauschen, weil es bereits weiß.
Fünfter Pfad: Der Spiegel, der nicht spiegelt
In einer stillen Höhle hängt ein Spiegel. Doch Aelin sieht darin nicht sein Gesicht, sondern vieles, was noch nicht geschehen, aber schon spürbar ist – in Möglichkeiten. Der Spiegel flüstert: „Ich zeige dir, wer du bist, wenn du nicht weiterhin versuchst, jemand anderer zu sein.“ Aelin spürt in sich hinein und zeigt sich jetzt als Original – der Spiegel ist jetzt klar. Er zeigt einen tanzenden Kreis aus Lichtwesen, alle mit seinem Herzschlag.
Sechster Pfad: Der Garten der Fragen
Ein Garten, dessen Blüten aus Fragen wachsen.
Manche öffnen sich im Sonnenlicht des Mitgefühls. Andere nur nachts, wenn das Herz weint. Eine Frage leuchtet wie Gold: „Wem gehörst du, wenn du niemandem gefällst?“
Aelin pflückt diese Blüte. Sie öffnet sich in Worten, die zu Schmetterlingen werden und in seinem Herzen Heimat finden. Die beste Antwort ist: Dir gehört nichts, schenke alles weiter.
Siebter Pfad: Die Tür, die sich nur in der Stille öffnet
Aelin tritt an eine Tür ohne Klinke, kein Schlüsselloch, kein Zeichen. Er ruft. Er klopft. Er wartet. Nichts geschieht. - Dann: Er atmet. Und schweigt. Und in diesem Schweigen hört er das Öffnen, nicht von außen, sondern in ihm selbst. Die Tür ist keine Schwelle, sondern ein Spiegel der Bereitschaft.
Achter Pfad: Die Erinnerung, die nie geschah
Ein Ort, der sich anfühlt wie Kindheit, obwohl Aelin ihn nie besucht hat. Dort wartet jemand: ein ALTER-Selbst, mit weichen Augen, welche die Zukunft und Vergangenheit gleichzeitig sehen. „Ich habe auf dich gewartet“, sagt das Alter Selbst.
„Ich bin du – wenn du vergisst, wer du sein wolltest.“ Sie sitzen am Ufer des Traumbachs. Kein Wort wird gesprochen. Aber beide wissen: Der Weg entsteht nicht beim Gehen. Er lebt vom Geschehenlassen.
Zusammenklang: Diese Pfade fließen nicht nebeneinander, sondern ineinander. Jeder Ort, jede Begegnung, jede Frage ist wie ein Faden im Teppich des Nichtlinearen, Nondualen, der nur sichtbar wird, wenn du nicht suchst, sondern BIST.
Denn das Märchen endet nicht – es verwandelt sich, jedes Mal, wenn du ihm neu begegnest. Und so IST Aelin nie an einem Ort, sondern stehts in einem Zustand. Er spricht fortan in Zwischenräumen, hört ins Schweigen, spürt ins Nichtwissen hinein. Er ist nicht mehr der, als welcher er aufgebrochen war.
Denn das Leben ist kein Pfad, sondern ein Muster aus schimmernden Möglichkeiten. Und wer sich darin verliert, findet sich oft am tiefgründigsten.
Quelle: Otfried Weise

Wundervoll 💖 Dankeschön lieber Otfried 💖
AntwortenLöschenDem schließ ich mich an 👍🥰 wunderschön ❤️
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