2015-06-04

Gipfel der Alternativen: Gegen die Macht der Großkonzerne

Mit dem "Gipfel der Alternativen" haben die Proteste gegen das G7-Treffen in Elmau begonnen. Gefordert wird ein Kurswechsel der G7-Staaten. Mit mehr als 600 Teilnehmern hat der Andrang die Veranstalter überrascht.

 Jean Ziegler, Soziologe und ehem. UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, spricht am 03.06.2015 in München (Bayern) beim internationalen "Gipfel der Alternativen". Die Teilnehmer des Alternativgipfels werfen den großen Wirtschaftsnationen des G7-Gipfels eine Mitverantwortung an den globalen Krisen und dem sozialen und ökologischen Ungleichgewicht auf der Welt vor. | Bild: picture-alliance/dpa

Ausgerechnet der prominenteste Gast des "Gipfels der Alternativen" kam zu spät: Jean Ziegler, früher UN-Botschafter für das Recht auf Nahrung, heute Bestsellerautor und Handlungsreisender in Sachen Globalisierungskritik, wurde von der Polizei aufgehalten – allerdings nicht aus politischen Gründen, sondern weil jemand in seinem Wagen nicht angeschnallt war. Kaum hatte Ziegler das Podium erklommen, ging er gewohnt hart mit den G7-Staaten ins Gericht
"Wenn jemand in diesem Saal glaubt, dass da in Elmau souveräne und unabhängige Regierunschefs und Staatschefs zusammenkommen, dann irrt er sich, die Macht ist nicht in Elmau, sondern in Konzernetagen." Jean Ziegler
Und diese großen Konzerne setzten ihre Profitinteressen knallhart durch – auf Kosten der Menschen, insbesondere im Süden. Ziegler forderte auch ein Verbot der Spekulation auf Grundnahrungsmittel:
"Alle fünf Sekunden ist letztes Jahr ein Kind unter zehn Jahren verhungert. Fast eine Milliarde ist verkrüppelt durch permanente Unterernährung. Das auf einem Planeten, wo die Weltlandwirtschaft, so wie sie heute ist, problemlos fast das Doppelte ernähren könnte. Jedes Kind, das jetzt an Hunger stirbt, wird ermordet." Jean Ziegler
Die ungleiche Verteilung des Reichtums in der Welt beenden – das forderte auch die indische Wirtschaftsprofessorin Jayati Ghosh in ihrem Eröffnungsvortrag. Es gebe sehr wohl Alternativen zur aktuellen Spar- und Freihandelspolitik der G7-Staaten. Man müsse ernsthaft darüber reden, die Ungleichheit zu reduzieren. Und das sei ganz einfach:
"etwa durch massive Besteuerung: Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern, Steuern für die ganz Reichen. Das ist nicht schwierig, das geht ganz leicht." Jayati Ghosh
Zwei Tage lang wollen die 600 Teilnehmer des Alternativ-Gipfels über eine andere – wie sie es nennen – gerechtere Weltordnung diskutieren. Vorschläge gibt es viele – alle eint die Kritik am G7-Gipfel.

Teilnehmer des Alternativgipfels
"Abgeschottet werden dort Sachen besprochen, die uns was angehen, die unser Leben bestimmen, wir möchten hier Themen, die uns interessieren, besprechen. Ich spreche für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und aus meiner Sicht ist gerade dieses Thema Ernährungssicherung ein ganz großes und das, was die G7-Staaten da machen, ist absolut kontraproduktiv, es hilft den großen Konzernen, aber nicht der hungernden Weltbevölkerung. Wir können nicht ewig unbegrenzt wachsen, sondern wir müssen uns vermehrt über Verteilung unterhalten: dass einige wenige supergigantisch reich sind und große Teile der Bevölkerung, ja denen wird der Monat so lang, und das Einkommen ist schon weg." Teilnehmer des Alternativgipfels
Die Ergebnisse des Gipfels der Alternativen sollen dann heute Nachmittag bei der Großdemonstration der G7-Gegner durch die Münchner Innenstadt vorgestellt werden. Zahlreiche Teilnehmer wollen anschließend auch Richtung Garmisch-Partenkirchen aufbrechen, wo ab Freitag zahlreiche Protestaktionen stattfinden – auch Blockaden sind geplant. Die Warnungen vor gewaltbereiten Demonstranten, die Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gestern noch einmal erneuerte, stößt bei den G7-Gegnern auf Unverständnis: Pfarrerin Gisela Voltz von Mission eine Welt kritisiert:
"Ich stell an dieser Stelle immer die Gegenfrage, müssen wir eigentlich nicht viel mehr Empörung entgegenbringen, gegen ein Wirtschaftssystem, das strukturell gewaltsam ist, dass jeden Tag 24.000 Menschen wegen Hungers sterben müssen?" Pfarrerin Gisela Voltz.
Kritik an Sicherheitsbehörden
 
Plakat des Gipfels der Alternativen

Die Veranstalter des Alternativ-Gipfels haben vorab deutliche Kritik an den bayerischen Sicherheitsbehörden geübt. Mit dem dauernden Hinweis auf angebliche gewaltbereite Demonstranten sei „in beinahe beispielloser Weise“ versucht worden, Proteste in der Nähe des Tagungsortes zu verhindern, so Thomas Eberhardt-Köster vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac auf einer Pressekonferenz in München. Keiner der Demonstrationsveranstalter habe je zu Gewalt aufgerufen. Hier solle berechtigter Protest mundtot gemacht werden. Die Aussage von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, es seien tausende gewaltbereite Demonstranten zu erwarten, quittierte Eberhardt-Köster mit Kopfschütteln: „Ich weiß nicht, woher er das weiß.“ Ziviler Ungehorsam und Blockaden seien legitim und stellten keine Gewalt dar.
 
TTIP, Klimawandel, Gerechtigkeit
 
In zahlreichen Workshops, die an mehreren Veranstaltungsorten in München stattfinden, beschäftigen sich die Teilnehmer anschließend unter anderem mit aktuellen Krisen und Kriegen, mit dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP, dem Klimawandel und dem Thema globale Gerechtigkeit.

Veranstaltet wird der Alternativ-Gipfel von einem breiten Bündnis, das von globalisierungskritischen Gruppen wie Attac über Gewerkschaften bis hin zu kirchlichen Organisationen reicht. "Uns alle eint die Kritik an der Politik der G7. Für uns stehen die G7 für das Vorantreiben von Kriegen, für Umweltzerstörung, Armut und Flucht", so die Koordinatorin der Tagung, Julia Killet von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. "Wir wollen der Politik der G7 eine solidarische, friedliche und ökologische Weltwirtschaft entgegensetzen."
 
Im Anschluss nach Elmau


Prominentester Referent beim Alternativgipfel: Jean Ziegler, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. In Garmisch-Partenkirchen finden bis Montag zahlreiche Protestaktionen gegen das Treffen in Elmau statt. In München ist außerdem nach eine Großdemonstration am Samstag geplant.

Quelle: http://www.br.de/nachrichten/g7-alternativgipfel-100.html
BR Bericht hier: http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/nachrichten/g7-alternativ-gipfel-zulauf-100.html

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