2025-12-23

Klaus Praschak: Die Erfahrung der Unio mystica


Es gibt Menschen, die im Laufe ihres Lebens durch Verletzungen, Überforderung oder Anpassungsdruck den Kontakt zu ihrer seelischen Tiefe verlieren und in eine Depression geraten. Bei anderen jedoch liegt der Ursprung nicht im Verlust der Seele, sondern paradoxerweise in einer zu frühen, zu weiten Offenheit. Nicht die Abspaltung vom Inneren ist dann das Problem, sondern die Schwierigkeit, sich in der Enge der Verkörperung zurechtzufinden. So kann es sein, dass ein Kind sich von Beginn an in einem weiten, sehnsuchtsvollen Bewusstsein erlebt, während der Körper, die Alltagswelt und ihre Anforderungen als zu dicht, zu begrenzend, zu laut erfahren werden. Die Inkarnation selbst wird als Einengung empfunden. Das Leben fühlt sich an wie ein Exil nicht, weil etwas fehlt, sondern weil etwas zu groß ist für die vorhandenen Strukturen. Mystische Wahrnehmungen, innere Bilder, Licht- oder Präsenzerfahrungen gehören in solchen Fällen nicht zwingend in den Bereich des Fantastischen, sondern sind Ausdruck einer offenen Bewusstseinsstruktur. Für das Kind sind sie real, nicht als objektiver Beweis einer äußeren Welt, sondern als gelebte innere Wirklichkeit. Das Problem entsteht dort, wo diese Wirklichkeit keinen Spiegel findet, keine Sprache, keine Integration. 

Dann bleibt das Erleben isoliert und Isolation erzeugt Leid. Die eigentliche Not liegt weniger im „Zuviel an Geist“ als im Fehlen der Verbindung zwischen Geist und Leben. Solange die Weite keinen Boden findet, bleibt sie schwebend. Sinn stellt sich nicht allein durch spirituelle Erfahrung ein, sondern durch deren Verkörperung. Erst wenn sich das Weite im Endlichen niederlassen darf, entsteht Tragfähigkeit.

Die Erfahrung der Unio mystica markiert in diesem Zusammenhang keine Flucht vor der Realität und ihren Anforderungen, sondern einen Wendepunkt. Sie kann als innere Versöhnung verstanden werden und nicht mehr Geist gegen Körper, Himmel gegen Erde, Herkunft gegen Gegenwart, sondern Einheit. Dort wird das Leben erstmals als sinnvoll erfahrbar, weil die Trennung zwischen innerer Heimat und gelebter Existenz sich löst.

Von da an verändert sich auch das Leiden. Es ist nicht mehr Ausdruck von Entfremdung, sondern Teil eines Weges. Das Bewusstsein bleibt weit, doch es findet Halt. Die Verkörperung wird nicht länger als Gefängnis erlebt, sondern als Ort, an dem das Erfahrene Gestalt annehmen kann. Sinn entsteht nicht durch Flucht aus der Welt, sondern durch die stille Zustimmung, hier zu sein, mit allem, was man ist.

Ein bitterer Geschmack bleibt oft auch nach der Unio mystica, weil sich mit ihr eine schmerzhafte Klarheit einstellt. Die erlebte Einheit lässt sich in dieser Welt nicht nahtlos leben. Was im Innersten als selbstverständlich, friedvoll und getragen erfahren wurde, trifft im Alltag auf Strukturen, Beziehungen und Systeme, die auf Trennung, Funktionieren und Anpassung beruhen. Nach der Einheit wird die Fragmentierung deutlicher spürbar als zuvor. Man sieht klarer, wo Angst regiert, wo Rollen wichtiger sind als Wahrheit, wo Leben verwaltet statt bewohnt wird. Diese Klarheit ist kein Geschenk ohne Preis. Sie bringt eine stille Trauer mit sich, nicht aus Überheblichkeit, sondern aus dem Wissen um das, was möglich wäre, und dem, was tatsächlich gelebt wird.

Der bittere Geschmack entsteht dort, wo man erkennt, dass Einheit nicht als Zustand konserviert werden kann. Sie lässt sich nicht institutionalisieren, nicht kollektiv verordnen, nicht dauerhaft in Formen gießen. Wer versucht, sie eins zu eins in diese Welt zu tragen, scheitert oft an Missverständnissen, Ablehnung oder innerer Erschöpfung. Die Welt ist nicht darauf eingerichtet, aus Einheit heraus zu funktionieren.

Und doch liegt genau hier eine reifere Wahrheit: Die Unio mystica ist kein Ziel, sondern ein Maßstab. Sie zeigt nicht, wie die Welt sein müsste, sondern wie der Mensch inmitten dieser Welt innerlich ausgerichtet bleiben kann. Einheit wird dann nicht als Ideal gelebt, sondern als leise Haltung im Zuhören, im Verzicht auf Feindbilder, im bewussten Nicht-Mitgehen bestimmter Dynamiken. Der bittere Geschmack verschwindet nicht vollständig. Aber er wandelt sich. Aus Enttäuschung wird Nüchternheit. Aus Sehnsucht wird Verantwortung. Aus dem Wunsch, Einheit zu leben, wird die Bereitschaft, Trennung zu halten, ohne sie weiter zu vermehren.

Vielleicht ist das die tiefste Inkarnation der Einheit: nicht sie zu verkünden, sondern sie dort zu bewahren, wo sie nicht bestätigt wird. Nicht die Welt zu erlösen, sondern sich selbst nicht wieder zu verlieren.

Klaus Praschak

Bild: Netzfund danke

Quelle: Klaus Praschak

1 Kommentar:

  1. Habe ich erlebt beim Kundalini Yoga Ich glaube das Kronenchakrah war offen. Das war ein Wunderbarer Kurzer Moment Gleisend helles Licht das war Liebe in der Höchsten Form.“Alles ist vorhanden es ist immer da du brauchst nicht darum zu Kämpfen das bist du .
    Du bist Licht und Liebe in der Höchsten Form. Von diesen Zeitpunkt Verstand ich das ich diese Erfahrungen hier gewählt habe . Es ist eine nur eine Illusion die so echt zu sein scheint das man es Vergisst seine wahre Größe . Die Zeit des Vergessens ist jetzt zu Ende.

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