2015-03-26

Gutachter verlangen radikales Ende der Massentierhaltung

Die massive Erhöhung der Fleischproduktion in den vergangenen Jahrzehnten hat auch in Deutschland zu Massentierhaltungen geführt. Im März 2013 standen insgesamt über 220 Millionen Nutztiere in deutschen Ställen, mehr als zwei Drittel davon machte das Geflügel aus. Ein Gutachten der Bundesregierung fordert nun umfangreiche Reformen in der Tierhaltung.

In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Rind- und Schaffleischproduktion, die Schweineproduktion vervierfachte sich sogar. Die größte Steigerungsrate findet sich beim Mastgeflügel (z. B. Masthühner und Puten, Erhöhung auf das Elffache). Dies hat zu einer massiven Industrialisierung der Tierhaltung geführt. Angesichts von Protesten gegen riesige Mastanlagen und massiven Antibiotika-Einsatz fordern Berater der Bundesregierung nun ein Umsteuern zu mehr Tierschutz in den Ställen.

Damit wären aber auch höhere Lebensmittelpreise für die Verbraucher verbunden, heißt es in einem am Mittwoch vorgestellten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim Landwirtschaftsministerium. Für größere Akzeptanz in der Bevölkerung sollten Schweine oder Geflügel unter anderem genug Platz im Stall und Zugang zu Frischluft und Tageslicht haben. Solche Umstellungen kosteten bis zu fünf Milliarden Euro im Jahr zusätzlich. Die Landwirtschaft könne dies nicht allein tragen.

In der Nutztierhaltung in Deutschland gebe es „erhebliche Defizite vor allem im Bereich Tierschutz“, heißt es in der Analyse. In vielen gängigen Haltungssystemen bestehe ein hohes Risiko, dass Schmerzen und Schäden für Tiere entstünden. Die Marktchancen, die sich aus der positiven Einstellung vieler Bürger zum Tierschutz ergäben, würden aber nicht annähernd ausgeschöpft. „Fleischprodukte werden in den meisten Fällen vielmehr als Standardware über den Preis vermarktet.“

Die Wissenschaftler machen mehrere Vorschläge für mehr Tierschutz. So müssten auch viel weniger Arzneimittel eingesetzt und Beschäftigte besser ausgebildet werden. In den Ställen sollten sich Tiere auf verschiedenen Bodenbelägen bewegen können, Amputationen wie das Schwänzekürzen bei Ferkeln sollten entfallen. Dies seien tiefgreifende Änderungen, die einen langen Atem bräuchten, sagte der Vorsitzende des Beirats, Harald Grethe von der Universität Hohenheim. Aus den Mehrkosten für die Bauern könnte resultieren, dass sich die Endpreise für die Verbraucher um drei bis sechs Prozent erhöhen.

Damit die Fleischproduktion nicht in Länder mit geringerem Tierschutz verlagert werde, seien politische Begleitmaßnahmen nötig, erläutert der Beirat. Dazu zählten zusätzliche und eindeutigere gesetzliche Mindeststandards. Freiwillige Brancheninitiativen sollten mit mehr Geld ausgestattet und bestimmte Produkte aus den Regalen genommen werden. Die Wissenschaftler warnen, die Betriebsgröße ins Zentrum zu stellen. Wichtiger seien die konkreten Bedingungen für die Tiere.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mahnte: „Das Wohl der Tiere müssen wir uns auch was kosten lassen.“ Der Tierschutzbund forderte Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) zu Taten auf. Der Bauernverband warnte vor Produktionsverlagerungen ins Ausland: „Ein radikaler Umbau mit der Brechstange führt die Landwirtschaft ins Abseits und bringt den Tierschutz nicht weiter.“ Der Parlamentarische Agrar-Staatssekretär Peter Bleser (CDU) sagte, Ziel sei, gemeinsam mit allen Beteiligten dafür zu sorgen, dass es Nutztieren besser gehe.



Quelle: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/03/26/gutachter-verlangen-radikales-ende-der-massentierhaltung/




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