2016-02-25

Das Vorgehen der EU-Kommission bei Pflanzenschutzmitteln für rechtswidrig erklärt


Es ist kaum verwunderlich, dass viele Menschen wie zahlreiche Briten aus der Europäischen Union aussteigen wollen. Die EU entwickelt sich schnell zu einem Zentrum der Korruption, das mit dem in Kiew oder im Römischen Reich des 4. Jahrhunderts wetteifert.

Das jüngste ans Licht gekommene Beispiel hat etwas mit der Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission, die als »GD SANTE« bekannt ist, zu tun. Eine aktuelle Entscheidung des Büros des Europäischen Bürgerbeauftragten fand heraus, dass das Verfahren der GD SANTE zur Genehmigung chemischer Pflanzenschutzmittel alles andere als gesundheitsförderlich ist.

Jemand in einer verantwortlichen Führungsposition, der Entscheidungen fällt, welche die Gesundheit und Sicherheit der rund 508 Millionen Bewohner der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union betreffen, sollte – möchte man meinen – die moralische Seite dieser Machtstellung sehr, sehr ernst nehmen.

Nun scheint es aber wohl zuzutreffen – und das dürfte Sie schockieren –, dass diese Leute, gesichtslose Bürokraten, die zurzeit in der EU-GD-SANTE das Sagen haben, sich einen Dreck um die moralischen Auswirkungen ihrer Entscheidungen kümmern.

Verwaltungs-Missstand oder kriminelles Verhalten?

Am 18. Februar 2016 veröffentlichte die EU-Bürgerbeauftragte eine Entscheidung, in der sie erklärte, die Praxis des Gesundheitsdienstes der EU-Kommission, der GD SANTE, Pflanzenschutzmittel zu genehmigen, obwohl wichtige Sicherheitsdaten fehlen, sei ein Fall von Verwaltungs-Missstand. i

Es gibt sogar eine ausgefallene Bezeichnung, um die Praktiken des Verwaltungs-Missstands zu verschleiern. Daran zeigt sich, wie sehr dieser sich bereits eingeschliffen hat. Man nennt ihn »bestätigende Daten-Handhabung« (»CDP« für »Confirmatory Data Procedure«). Genau von dort her weht ein übler Gestank. Die bestätigende Daten-Handhabung der GD SANTE besteht darin, nicht überprüfte Pestizide ohne »bestätigende Daten« zu genehmigen. Das ist das sogenannteVerfahren.

Nach einem ausführlichen Bericht der privaten Überwachungs-Gruppe Pesticide Action Network (PAN) bedeutet CDP in der Praxis, dass Pflanzenschutzmittel trotz schwerwiegender Datenlücken und hoher Risiken genehmigt werden können. Dabei erlaubt man der Industrie, in Zukunft – oder nie – weitere Informationen nachzureichen. PAN dokumentiert schon früher, im Jahr 2012, dass CDP das Standardverfahren bei SANCO, der Generaldirektion der EU für Gesundheits- und Verbraucherschutz-Angelegenheiten war und damit die Öffentlichkeit so wie die Umwelt unbekannten und möglicherweise schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken ausgesetzt hat. ii

Fast drei Jahre nachdem Hans Muilerman im Namen des Pesticide Action Network Europe eine Beschwerde beim Büro von Emily O'Reilly, der Europäischen Bürgerbeauftragten, eingereicht hatte, kam jetzt die Bürgerbeauftragte zu dem Schluss, dass diese Praktiken in der Vergangenheit rechtswidrig waren und zurzeit nicht so eingeschränkt sind, wie das gesetzlich vorgeschrieben ist. Sie kam in ihrer Entscheidung zu dem Schluss, dass die »Kommission in ihrer Praxis möglicherweise zu nachsichtig ist und nicht ausreichend dem Vorsorgeprinzip Rechnung trägt.«

In ihrem Urteil erklärt sie, dass, bevor eine Entscheidung getroffen wird, alle erforderlichen Daten vorliegen und verbliebene Schlupflöcher für die chemische Industrie geschlossen sein sollten. iii

Nur ein winziger Schritt, doch ein Schritt

Das war kein klarer 100-Prozent-Sieg für die menschliche Gesundheit und den Schutz vor toxischen Belastungen durch Pflanzenschutzmittel, sondern nur ein winziger Schritt dahin. Die Bürgerbeauftragte entschied außerdem, dass die GD SANTE in einem Bericht an den Bürgerbeauftragten unter Beweis stellen müsse, dass sie die Änderungen umgesetzt hat. Der Bericht ist frühestens zwei Jahre nach der heutigen Entscheidung fällig. Das lässt der Lobby der Pflanzenschutzmittel-Industrie – Bayer, Syngenta, Monsanto und dgl. – genügend Zeit, einen Umweg um das herum zu finden, was eine klare Richtlinie sein sollte.iv

Einer der dreistesten Fälle, der in der Entscheidung der EU-Bürgerbeauftragten dokumentiert wird, war die Feststellung, dass die GD SANTE, selbst als die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA, European Food Safety Authority) aufgrund der verfügbaren wissenschaftlichen Hinweise mit hohen Risiken gerechnet hatte, die betreffenden Pflanzenschutzmittel in mehreren Fällen dennoch genehmigte.

Die Bürgerbeauftragte schreibt: Es fällt »schwer, zu verstehen, wie die Kommission zu Recht entscheiden konnte ..., dass diese Stoffe keine schädliche Auswirkung oder keine unannehmbaren Einflüsse auf die Umwelt haben, und dass die Kommission keine zufrieden stellenden Erläuterungen zur Verfügung gestellt hat«. v Viele dieser hohen Risiken betreffen die Umwelt, wie z.B. Vögel.

O'Reilly kam zu dem Schluss, dass die GD SANTE in ihren Berichten und Entscheidungen versucht hat, die von der EFSA bemerkten hohen Risiken und Datenlücken zu verstecken und dann gegenüber der Öffentlichkeit zu behaupten, die Pflanzenschutzmittel seien sicher. Die Entscheidung der Bürgerbeauftragten O'Reilly lief auf die Feststellung hinaus, dass die GD SANTE der EU-Kommission, die Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, »Wirkstoffe (Pflanzenschutzmittel) als sicher zugelassen hatte, bei denen die gesetzlichen Voraussetzungen insbesondere aufgrund unzureichender Angaben nicht erfüllt waren«.

Das erlaubte den gesichtslosen Bürokraten der GD SANTE, »Risiken für die menschliche Gesundheit, die Tiergesundheit, das Grundwasser und die Umwelt auszuschließen«. vi Die EU-Bürgerbeauftragte schreibt, dass die »Bürgerbeauftragte den Eindruck des Klageführers verstehen kann, dass die Überprüfungsergebnisse und Genehmigungsbescheide der Kommission irreführend und unzutreffend sind«.vii

Verantwortung gesichtsloser Bürokraten

Das, liebe EU-Bürgerbeauftragte, ist eine Untertreibung. Es ist sinnvoll, einen Scheinwerfer auf die normalerweise gesichtslosen EU-Bürokraten zu richten, die normalerweise buchstäblich bei Mord eingegraben in ihre supranationale, geschützte Machtstellung in Brüssel ungeschoren bleiben undsich nicht Wählern gegenüber zu verantworten haben.

Verantwortlich für die Praktiken des kriminellen »Verwaltungs-Missstands« der GD SANTE der Europäischen Kommission hinsichtlich der Zulassung unzureichend geprüfter Pestizide als vermeintlich sicher (wobei sogar auch solche zugelassen wurden, welche die gegenüber der Industrie sehr liberale EFSA für risikobehaftet eingeschätzt hatte) ist ein hochrangiger gesichtsloser EU-Bürokrat namens Xavier Prats Monné. Er ist ein gebürtiger Spanier, der in Italien und Belgien ausgebildet worden war. Laut seiner offiziellen Biografie umfasst seine Ausbildung, die ihn befähigt, komplexe Entscheidungen über die Gesundheit und Sicherheit von Pestiziden zu fällen, einen Abschluss in Sozialanthropologie und später in Europäischen Studien.viii



EU-Kommissar für Gesundheit und Sicherheit, Xavier Prats Monné.

Würden Sie diesem Mann einen Gebrauchtwagen abkaufen?

Die Website von Xavier Prats Monnés GD SANTE nennt als ihre Zweckbestimmung:

»Unser Ziel ist:

- die öffentliche Gesundheit zu schützen und zu verbessern,

- zu gewährleisten, dass die Lebensmittel in Europa sicher und gesund sind,

- die Gesundheit und das Wohlergehen von Nutztieren zu schützen,

- der Gesundheitsschutz von Pflanzen und Wäldern.«ix

Vielleicht wäre es für die zuständigen Behörden ein guter Beginn, um zumindest einige dieser Ziele zu erreichen, Strafanzeigen gegen EU-Kommissar Xavier Prats Monné und die Mitarbeiter im Stab der GD SANTE, die für das kriminelle Fehlverhalten verantwortlich sind, zu erstatten.

Oh, das habe ich ganz vergessen. Natürlich, die EU-Kommission steht über dem Gesetz. Ist es nicht so? Zu bedauerlich.

Fußnoten:
i Emily O'Reilly, Europäische Bürgerbeauftragte, »Entscheidung in der Sache 12/2013/MDC über die Praktiken der Europäischen Kommission hinsichtlich der Autorisierung und Vermarktbarkeit von Pflanzenschutzmitteln (Pestiziden)«, 18. Februar 2016
ii PAN, »Commission found guilty of ›maladministration‹ by the EU Ombudsman« (»Die Kommission wurde vonm der EU-Bürgerbeauftragten des ›Verwaltungs-Missstandes‹ für schuldig gehalten«), 22. Februar 2016
iii Emily O'Reilly, op. cit.
iv PAN, Oop. cit.
v Emily O'Reilly, op. cit.
vi Ibid.
vii Ibid.
viii Wikipedia, »Xavier Prats Monné«
ix European Commission, Directorate General for Health and Food Safety (Europäische Kommission, Generaldirektorat für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit)

Bildnachweis: Stock image / Shutterstock
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