2025-12-30

Klaus Praschak: Ich wünsche euch ein „Gutes neues Jahr, nicht im üblichen Sinn...


Ich wünsche euch ein „Gutes neues Jahr, nicht im üblichen Sinn, sondern ich wünsche euch die Gnade der Gegenwärtigkeit, dass ihr dem Leben begegnet, dort wo es wahrhaftig geschieht.

Das Reich Gottes zeigt sich nicht im Morgen, weil das Morgen immer ein Gedanke bleibt. Es zeigt sich dort, wo der Mensch ganz da ist.

Viele Menschen richten ihren Blick auf das Morgen. Auf den nächsten Abschnitt, den nächsten Neubeginn, den nächsten Kalenderwechsel. Sie hoffen, dass mit der Zeit etwas anders wird, leichter, wahrer, heiliger. Doch das Reich Gottes entzieht sich diesem Warten. Es liegt nicht im Kommenden, nicht im Noch-nicht, nicht hinter einer Schwelle, die erst überschritten werden muss.

Das Reich Gottes ist nicht zeitlich verortet. Es erscheint nicht, wenn Bedingungen erfüllt sind, und es öffnet sich nicht mit einem neuen Jahr. Es ist gegenwärtig - oder es ist nicht. Wer es im Morgen sucht, verfehlt es im Jetzt, weil das Heilige sich nur im gegenwärtigen Augenblick offenbart.

So verliert auch der Jahreswechsel seine absolute Bedeutung. Silvester wird zu einem äußeren Zeichen für etwas, das innerlich nicht kontinuierlich gelebt wird. Ein lauter Ruf nach Erneuerung, wo Stille genügen würde. Ein Versuch, das Alte abzustreifen, statt es bewusst zu durchlichten. Doch nichts wird neu, nur weil die Zeit weitergeht. Neu wird etwas dort, wo Bewusstsein anwesend ist.

Wer wahrhaftig in der horizontalen Zeit lebt, braucht keinen markierten Übergang. Für ihn ist jeder Atemzug Schwelle. Jeder Moment Einladung. Er wartet nicht auf den nächsten Abschnitt, um ehrlich zu werden, zu vergeben, loszulassen oder zu lieben. Er verschiebt das Wesentliche nicht in die Zukunft, sondern lässt es jetzt geschehen. Wo er nicht flieht in Pläne oder Hoffnungen, sondern bleibt. Wo er sich nicht betäubt oder ablenkt, sondern lauscht. In dieser Gegenwart verliert die Zeit ihre Macht, und das Leben gewinnt Tiefe.

Es geht darum, nicht neu zu beginnen, sondern nicht aufzuhören, gegenwärtig zu sein. Nicht auf ein besseres Morgen zu hoffen, sondern das Heilige im Heute zu erkennen. Denn wer im Jetzt lebt, lebt bereits im Reich Gottes, still, aber wahr.

So ist Silvester für viele zu einem ausufernden Fest geworden und verfehlt dabei oft seinen ursprünglichen Sinn. Was einst Schwelle war, ist zum Spektakel geworden. Was ein Innehalten sein könnte, wird übertönt. Lärm ersetzt Stille, Rausch ersetzt Wahrnehmung, Ablenkung ersetzt Bewusstsein.

Der Sinn eines Übergangs liegt nicht im Überdecken, sondern im Durchgang. Nicht darin, das Alte zu vertreiben, sondern es zu würdigen und loszulassen. Wo jedoch das Außen dominiert, verliert der Moment seine Tiefe. Der Jahreswechsel wird dann nicht erlebt, sondern verbraucht. Am Ende bleibt Müdigkeit und das leise Gefühl, dass innerlich nichts wirklich neu geworden ist.

Doch der Sinn von Silvester war nie der Knall, sondern die Schwelle. Nie das Vergessen, sondern das Erinnern. Nie der Rausch, sondern die Ausrichtung. Wo diese innere Bewegung fehlt, sucht der Mensch Ersatz im Äußeren. Und je größer die innere Leere, desto lauter das Fest.

Das Reich Gottes aber lässt sich nicht feiern, indem man ihm entflieht. Es zeigt sich nicht im Lärm der Nacht, sondern im stillen Einverständnis mit dem Augenblick. Wer den Übergang bewusst lebt, braucht keine Explosion. Ein Atemzug genügt. Ein ehrlicher Blick. Ein leises Ja zum Jetzt.

So verfehlt Silvester seinen Sinn nicht, weil gefeiert wird, sondern weil das Wesentliche übergangen wird und genau das ist die stille Einladung: den Übergang wieder als das zu erkennen, was er ist, weder ein Ende noch ein Neubeginn, sondern ein fortgesetztes Gegenwärtigsein im Fluss des Lebens.

Klaus Praschak

Bild: printerest. de danke

Quelle: Klaus Praschak

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