2025-12-31

Klaus Praschak: Was aus Liebe geschieht, braucht keine Absicht - es ist


Es zeigt sich, dass das, was heute oft als Erwachen bezeichnet wird, sehr unterschiedliche Wege nimmt. Manche beginnen im Außen, durch Erkenntnisse über Strukturen, Zusammenhänge und Machtverhältnisse. Dieses Erwachen schärft den Blick, macht wach für Täuschung und Illusion. Es kann befreiend wirken und doch bleibt es häufig im Horizont des Denkens verankert. Es verändert die Sicht auf die Welt, aber noch nicht notwendigerweise das Herz. Der mystische Weg beginnt anders. Er setzt nicht beim Erkennen an, sondern beim Stillwerden. Nicht beim Durchschauen, sondern beim Sich-berühren-Lassen. Dieses Erwachen geschieht nicht durch Wissen, sondern durch Hingabe. Es entfaltet sich dort, wo die Stille nicht mehr als Abwesenheit empfunden wird, sondern als Gegenwart, als Raum, in dem Liebe spürbar wird.

Je mehr diese Stille geliebt wird, desto tiefer öffnet sich die Wahrnehmung. Nicht weil man etwas sucht, sondern weil man nichts mehr abwehrt. In dieser Stille zeigt sich eine Liebe, die nicht vom Menschen ausgeht und doch im Menschen empfunden wird. Eine Liebe, die nicht fordert, nicht bewertet, nicht vergleicht. Sie ist einfach da. Und sie trägt. Dieses Erleben ist kein Aufstieg im üblichen Sinn. Es ist ein Zurückgenommen werden. Ein Erinnern an etwas, das immer schon da war. Die feinstofflichen Ebenen öffnen sich nicht durch Anstrengung, sondern durch Übereinstimmung. Das Maß der Liebe, das in der Stille gespürt wird, ist zugleich das Maß der Öffnung. Nicht weil Gott mehr gibt, sondern weil weniger im Weg steht.

So wird die Liebe zum Spiegel. Nicht im übertragenen Sinn, sondern ganz real. In ihr erkennt sich die Seele und erkennt zugleich ihren Ursprung. Dieses Erkennen ist kein Gedanke. Es ist ein Sich-Ergriffen-Wissen und in diesem Moment öffnet sich das geistige Auge nicht als Fähigkeit, sondern als Konsequenz. Man sieht nicht mehr mehr – man sieht anders.

Darum ist dieses Erwachen unausweichlich von Demut begleitet. Wer dieser Liebe begegnet, kann nicht mehr aufrecht bleiben im alten Sinn. Nicht aus Angst, sondern aus Ehrfurcht. Nicht aus Schuld, sondern aus Dankbarkeit. Selbst der Ungläubige findet keine Worte mehr. Er kniet vor einer Wirklichkeit, die größer ist als jede Vorstellung.

Und darin zeigt sich der Unterschied zwischen Erwachen und wahrhaftigem Erwachen. Das eine macht wach für das, was nicht stimmt. Das andere macht still vor dem, was heilt.

Dieses Erwachen will nichts beweisen. Es will nichts überzeugen. Es bleibt leise, weil es weiß, dass Liebe sich nicht aufdrängt. Sie wartet und wo sie empfangen wird, verwandelt sie unwiderruflich. So geschieht Erwachen nicht in Schritten, sondern in Tiefe.

Auch nicht durch Erkenntnis allein, sondern durch Liebe, die in der Stille erkannt wird.

Und wer ihr einmal begegnet ist, wird aus Verbundenheit nicht mehr gegen sie leben wollen. Wer diese Liebe spürt, wird absichtslos, weil nichts mehr erzwungen werden muss. Wollen fällt ab wie eine Hülle, die ihren Dienst getan hat. In dieser Absichtslosigkeit verliert das Ich seinen Druck. Es muss sich nicht mehr behaupten, nicht mehr rechtfertigen, nicht mehr sichern. Handeln geschieht weiterhin, aber es entspringt nicht mehr dem Mangel, sondern der Fülle. Die Liebe, die in der Stille erfahren wird, verlangt nichts zurück und darin liegt ihre Macht. Sie entzieht dem niedrigen Selbst den Antrieb, ohne es zu bekämpfen. Was keinen Widerstand mehr findet, löst sich von selbst. Absichtslos zu sein heißt nicht, gleichgültig zu werden. Im Gegenteil. Aus der Liebe, die nichts fordert, steigt der Gleichmut auf. Es geschieht nicht als Haltung, die man sich aneignet, sondern Gleichmut ist eine Folge eines inneren Wandels. Es heißt, durchlässig zu werden, für das, was geschehen will. Für das, was dient und für das, was wahr ist. Der Mensch wird zum Raum, nicht zur Quelle. Zum Gefäß, nicht zum Gestalter und gerade darin geschieht das Eigentliche, dann wirkt das Leben durch ihn hindurch, ohne dass er es lenkt. Wer diese Liebe einmal wirklich gespürt hat, kann aus der Erkenntnis nicht mehr zurück in die alten Motive. Denn was aus Liebe geschieht, braucht keine Absicht - es ist.

Klaus Praschak

Bild: printerest.de danke

Quelle: Klaus Praschak

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