2016-02-01

Negative Emotionen gibt es nicht

Fortsetzung aus “Die Natur der persönlichen Realität”. von Jane Roberts.


Gefühlsregungen verändern das chemische Gleichgewicht im Körper und beeinflussen dessen Hormonausschüttung; doch gefährlich wird es erst, wenn ihr euch weigert, euch mit den Inhalten eures Bewusstseins auseinanderzusetzen. Allein die Absicht, Selbsterkenntnis zu üben und eurer Erfahrungswirklichkeit ins Auge zu sehen, kann sehr nutzbringend sein, weil dadurch Emotionen erzeugt werden, die euch die nötigen Energien und den Impetus für den Anfang liefern.

Niemand kann das für euch tun. Ihr glaubt vielleicht, physische Gesundheit bedeute, dass man immer fröhlich, entschlussfreudig und freundlich ist und niemals weint oder seine Enttäuschung zeigt. Dieser falsche Glaubenssatz kann euch dazu verleiten, völlig natürliche Dimensionen des menschlichen Erlebens zu verleugnen und den Fluss der Emotionen aufzuhalten, der sonst Körper sowohl als auch Geist reinigen würde. Wenn ihr von der Gefährlichkeit der Gefühle überzeugt seid, dann wird dieser Glaubenssatz an sich schon Angst vor ihnen erzeugen, und ihr werdet fast in Panik geraten, wenn ihr etwas anderes als das »vernünftigste«, besonnenste Gebaren zur Schau tragt.

Eure Gefühle kommen euch dann vielleicht höchst unberechenbar und überwältigend vor und als etwas, das man unter allen Umständen unterdrücken muss. Ein solcher Versuch, natürliche Gefühle abzudrosseln, fordert natürlich seinen Preis, aber daran ist der Glaubenssatz als solcher schuld und nicht das Vorhandensein solcher Gefühle. Die erwähnten Umstände trennen euch von eurem inneren Gleichgewicht. Der natürliche Gnadenzustand eures Wesens wird gestört.

Das Bewusstsein hat die Aufgabe, alle eure Fähigkeiten mit seinen´Glaubenssätzen über die Natur der Realität in Einklang zu bringen. Das sind beträchtliche Hilfsquellen, denn sie schließen die tiefsten Aspekte eurer Kreativität und auch Kräfte mit ein, die weit unterhalb der Bewusstseinsschwelle liegen und deren Dasein ihr nur dunkel erahnt. Ihr könnt nicht glücklich sein wollen und gleichzeitig glauben, daß ihr kein Anrecht auf Glück habt oder daß ihr dessen unwürdig seid. Ihr könnt euch nicht vornehmen, aggressiven Regungen freien Lauf zu lassen, wenn euch ihre Freisetzung als ein Unrecht erscheint; ihr müßt also in jedem Fall mit euren Glaubenssätzen ins reine kommen..

Wenn man euch eingeredet hat, daß der Geist gut, ja vollkommen sei und ihr deshalb in jeder Hinsicht vollkommen sein müsst, und ihr gleichzeitig von der Unvollkommenheit des Körpers überzeugt seid, dann steht ihr ständig zu euch selbst im Widerspruch. Wenn ihr glaubt, die Seele werde durch ihr Bündnis mit dem Fleische entweiht, so macht euch das unfähig, euren Gnadenzustand zu spüren und zu genießen, denn ihr haltet ihn ja gar nicht für möglich. Eure Glaubenssätze schreiben euch sogar vor, wie die unterschiedlichsten Gefühlsinhalte zu i n t e r p r e t i e r e n sind. Manche Menschen sind beispielsweise davon überzeugt, daß Ärger immer etwas Negatives ist; er kann aber unter Umständen eine aufrüttelnde und sehr heilsame Empfindung sein. In eurem Ärger kann euch zum Beispiel klarwerden, daß ihr euch jahrelang vor widersprüchlichen Glaubenssätzen geduckt habt, ihr könnt euch gegen sie auflehnen und buchstäblich ein neues Leben in Freiheit beginnen.

Normale Aggressivität ist, wie schon gesagt, grundsätzlich eine natürliche Kommunikationsweise, besonders im gesellschaftlichen Bereich; sie ist ein Mittel, den anderen wissen zu lassen, daß er nach euren Begriffen zu weit gegangen ist. Somit ist sie geeignet, Gewalttätigkeit zu verhindern, nicht, sie zu verursachen. In der Tierwelt wird die natürliche Aggression mit der größten biologischen Integrität gehandhabt: einerseits ritualisiert, andererseits absolut spontan. Ihre Signale werden verstanden. Die verschiedenen Grade, Körperhaltungen und anderen Anzeichen natürlicher tierischer Aggressivität kommen als eine Reihe von Mittellungen zur Geltung, durch die Tierbegegnungen geklärt werden.

Im Prinzip wird eine Reihe symbolischer Handlungen ausgeführt, bevor schließlich ein Kampf stattfindet. Weitaus häufiger verhindert jedoch die Zurschaustellung aggressiven Gebarens die eigentliche Kampfsituation. Der Mensch hat eine schwer belastete, ambivalente Einstellung der Aggression gegenüber, und seine diesbezüglichen Glaubenssätze verursachen viele seiner kollektiven und privaten Probleme. In eurer Gesellschaft und mehr oder weniger auch in anderen ist die natürliche Übermittlung von Aggression zusammengebrochen. Ihr verwechselt Gewalt mit Aggression und begreift nicht, daß Aggression auch kreatives Handeln sein kann und als Kommunikationsmethode den Zweck hat, Gewalt zu v e r h i n d e r n .

Ihr macht absichtlich gewaltige Anstrengungen, die Kommunikationselemente der Aggression in Schach zu halten, und lasst deren viele positiven Werte ganz außer acht, bis ihre aufgestaute Kraft schließlich gewalttätig explodiert. Gewalt ist eine Verzerrung der Aggression. Die Geburt ist ein aggressiver Vorgang – ein mit großer Stoßkrafterzwungener Durchbruch eines Selbst aus einem Körper in eine neue Umwelt hinein. J e d e schöpferische Idee ist aggressiv. Gewalt ist nicht aggressiv; sie ist vielmehr die passive Kapitulation vor einem Gefühl, das weder begriffen noch bewertet, sondern bloß gefürchtet und zugleich angestrebt wird. Gewalt ist im Grunde eine der Übermacht weichende Kapitulation, und bei jeder Gewaltanwendung ist eine große Portion Suizidalgefühl mit dabei – das Gegenteil von Kreativität. (Pause.)

Im Krieg sind Mörder und Opfer beide in die gleiche Art von Leidenschaft verwickelt, aber diese Leidenschaft ist nicht aggressiv; sie ist im Gegenteil ein Verlangen nach Zerstörung. Ihr müßt nämlich wissen, daß Verlangen aus Gefühlen der Verzweiflung besteht, die einem Ohnmachts- und nicht einem Machtgefühl entspringen. Aggressivität führt zu Aktivität, Kreativität und Leben. Sie führt nicht zu Gewalt oder Vernichtung. Nehmen wir einmal das Beispiel eines freundlichen Mannes aus einem ziemlich durchschnittlichen Milieu eurer Gesellschaft. (Pause.) Man hat ihm beigebracht, daß es männlich sei, aggressiv zu sein, aber er glaubt, dies bedeute Handgreiflichkeit.

Als Erwachsener missbilligt er Handgreiflichkeiten. Er kann seinem Chef keine Ohrfeige geben, obgleich er das vielleicht ganz gerne tun möchte. Auch verlangt vielleicht die Kirche von ihm, daß er die andere Wange hinhält, wenn er provoziert wird, und daß er sich freundlich, sanft und verständnisvoll zeigt. Die Gesellschaft lehrt ihn, solche Eigenschaften seien feminin. Sein Leben lang bemüht er sich, alles das zu verbergen, was er für aggressives, gewalttätiges Benehmen hält, und versucht statt dessen, verständnisvoll und freundlich zu sein. Das Beispiel ist natürlich unrealistisch und hat mit den verzerrten Vorstellungen von dem, was männlich und weiblich sei, zu tun, aber hier sollen uns nur die verschiedenen Aspekte der Aggressivität interessieren.

Weil er versucht, immer so verständnisvoll zu sein, unterdrückt unser Mann viele der normalen Irritationen, die als natürlicher Ausdruck der Kommunikation zwischen, sagen wir, seinem Vorgesetzten und ihm bei der Arbeit und zu Hause zwischen seinen Familienmitgliedern fungieren würden. Unterschwellig streben jedoch alle diese gehemmten Reaktionen nach ihrer Freisetzung, denn der Ausdruck aggressiver Gefühle stellt ebenso ein natürliches Gleichgewicht im Körper wie im Umgang mit anderen Menschen her. Wenn sein Organismus schließlich genug davon hat, könnte unser Freund tatsächlich gewalttätig werden. Er könnte plötzlich in eine Schlägerei verwickelt werden und sogar eine solche vom Zaun brechen, und der geringste Anlass könnte dabei als Auslöser dienen. Der Mann könnte sich oder andere ernstlich verletzen.

In der Regel sind Tiere da vernünftiger. Geistig und körperlich seid ihr also bestens ausgerüstet, mit Aggressionen umzugehen. Gewalt tritt nur auf, wo der natürliche Ausdruck der Aggressivität einen Kurzschluss erfährt. Das Machtgefühl, das solche Episoden begleitet, resultiert daraus, daß die unterdrückten Energien plötzlich freigesetzt werden, doch ist das Individuum in solchen Fällen immer jenen Energien preisgegeben, es wird von ihnen überschwemmt und passiv mitgerissen. Die Angst vor euren Gefühlen kann viel mehr Schaden anrichten als eure zum Ausdruck gebrachten Gefühle, denn die Angst baut ein Kraftfeld auf, das die dahinterstehenden Energien noch intensiviert.

Nun: Da ihr über ein Bewusstsein verfügt, habt ihr auch einen weiten Spielraum für die Art und Weise, wie ihr Aggressionen ausdrücken könnt, aber das tierische Erbe bleibt irgendwie immer erhalten. Ein Stirnrunzeln ist eine natürliche Kommunikationsmethode, die aussagt: »Du hast mich verstimmt!« oder: »Ich bin verstimmt!« Wenn ihr euch ein Lächeln abverlangt, obwohl ihr eigentlich grollen möchtet, dann verfälscht ihr euren natürlichen Ausdruck und enthaltet dem anderen eine legitime Mitteilung vor, die ihm zeigen würde, wie euch zumute ist. Wenn euch ein Mann oder eine Frau ständig anlächelt, kann das Lächeln wie eine Maske sein. Ihr wisst dann nicht, ob ihr mit einem solchen Menschen kommuniziert oder nicht. Der Ton der Stimme folgt wiederum auch seinen eigenen Mustern und wird daher von Zeit zu Zeit von natürlicher Aggression gefärbt sein.

Der Körper gibt viele biologische Zeichen von sich, die sämtlich als auf kreativer Basis an andere gerichtete Mitteilungen gemeint sind – als Warnungen verschiedenen Grades. Jedes dieser Zeichen äußert sich auf seine Weise automatisch und doch rituell, ist ein Tanz bewegter Muskeln, der seine Bedeutung hat und biologisch verstanden wird. Alle diese Zeichen sind konstruktiv. Sie sollen bei den anderen Reaktionen hervorrufen und euch zu einem neuen Einvernehmen verhelfen, zu einem Gleichgewicht der Rechte. Wenn sich euer Verstand in solche Vorgänge störend einmischt, dann steckt ihr wirklich in Schwierigkeiten.

Das Verhaltensmuster der Tiere ist begrenzter als eures, in gewisser Hinsicht freier und im Ausdruck automatischer, aber e n g e r insofern, als das, was ein Tier erlebt, nicht so umfassend ist wie euer Erleben. (Pause.) Ihr könnt keine Freude an eurer Spiritualität haben, wenn ihr keine Freude an eurer Kreatürlichkeit habt. Es geht nicht darum, daß ihr euch über eure eigene Natur erhebt, sondern darum, sie voll zu begreifen und dadurch weiterzukommen. Das ist ein Unterschied.

Ihr werdet der Spiritualität nicht teilhaftig und nicht einmal ein glückliches Leben führen können, wenn ihr die Weisheit und Erfahrenheit des Fleisches verleugnet. Ihr könnt mehr aus der Beobachtung der Tiere lernen als von einem Guru oder einem Priester – oder aus der Lektüre meines Buches. Doch zuerst müßt ihr euch von der Vorstellung freimachen, daß eure Kreatürlichkeit suspekt sei. Euer Menschsein ist nicht aus der Ablehnung eures tierischen Erbes, sondern aus dessen Weiterentwicklung hervorgegangen. Wenn ihr versucht, geistig hochstehend zu sein, indem ihr eure Kreatürlichkeit abspaltet, dann hört ihr auf, fröhliche, erfüllte, zufriedene und natürliche Wesen zu sein, und entfernt euch überdies von jeder wahren Spiritualität.

Viele, die behaupten, an die Macht des Geistes oder der Gedanken zu glauben, haben in Wirklichkeit vor ihren Gedanken Angst, so daß sie diese am liebsten unterdrücken, insbesondere wird der geringste »aggressive« Ausdruck abgeblockt. Gedanken können töten, meinen solche Leute – als ob das Individuum, gegen das sich solche Impulse richten, nicht über eigene, dem Selbstschutz dienende, lebenspendende Energien verfügte und jeglicher Mittel natürlicher Abwehr bar wäre. Aus verschiedenen Gründen ist dabei oft ein verstecktes und verzerrtes Machtgefühl im Spiel, das sagt: »Ich bin so mächtig, daß ich dich mit meinen Gedanken umbringen könnte; ich weigere mich aber, das zu tun!« Niemand und nichts ist so mächtig. Wenn Gedanken töten könnten, hättet ihr kein Übervölkerungsproblem!

Jeder Mensch trägt ein eigenes Energiepotential und sein Abwehrsystem in sich. Ihr billigt schon einmal nur die Ideen und Gedanken, die in euer persönliches Glaubenssatzsystem hineinpassen, und selbst da gibt es noch verschiedene Sicherheitsvorkehrungen. Kein Mensch stirbt, ohne zum Sterben innerlich bereit zu sein, und dies aus sehr viel besseren Gründen, als ihr sie vielleicht wahrhaben möchtet. (Pause.) Ihr seht den Selbstmord gerne als etwas Schändliches und Passives und den Krieg dagegen als etwas Aggressives und Machtvolles an. Beide sind aber gleichermaßen ein Produkt der Passivität v e r z e r r t e r Aggression und natürlicher Kommunikationsformen, die weder bewusst gewählt noch verstanden werden.

Blumen sind für euch sanft, schön und »gut«, und doch findet jedesmal, wenn eine Blüte sich öffnet, ein gewaltiger, freudiger Aggressionsstoß statt, den man schwerlich als passiv bezeichnen könnte und der sich voller Kühnheit und Mut aktiv nach außen wendet. Ohne Aggression bliebe eurem Körper jegliches Wachstum versagt, und eure Körperzellen würden der Untätigkeit verfallen. Aggressivität liegt all den großartigen Ausbrüchen des Schöpferischen zugrunde.

Menschen, die ständig von ihrem jugendlichen Geist und Körper reden, haben sehr oft vor dem Alter Angst. In gleicher Weise haben viele von denen, die um ihre Unabhängigkeit großes Aufheben machen, Angst vor ihrer grundlegenden Hilflosigkeit. In den meisten Fällen sind sich die Betreffenden dieser gegensätzlichen Glaubenssätze völlig bewusst; diese werden aber auseinandergehalten, so daß dann infolgedessen eine Aussöhnung zwischen ihnen stattfindet. Da sich eure Gefühle nach euren Glaubenssätzen richten, werden euch diese bisweilen sinnwidrig erscheinen, solange ihr ihnen keine freie Verbindung mit gleichfalls von euch bewusst gehegten gegensätzlichen Vorstellungen zubilligt.

Bei der Lektüre dieses Buches könnte sich zum Beispiel jemand sagen: »Mein Problem ist, daß ich zu gefühlsbetont bin.« Und doch wird er nach einiger Selbstprüfung feststellen, daß es auch Bereiche gibt, in denen seine Gefühle nur begrenzt zum Ausdruck gelangen.

(Pause, eine von vielen.) Das Gefühl gelangt nie zum Stillstand. Es ist in Bewegung und leitet immer zu einem anderen Gefühl über. Während es fließt, verändert es euren körperlichen Zustand vollständig, und dieser Wechsel sollte von euch bewusst wahrgenommen werden. Eure Gefühle werden euch, wenn ihr sie nicht unterbindet, zur Erkenntnis eurer Glaubenssätze hinführen. Gefühlszustände tragen immer einen Handlungsimpuls in sich, der physisch ausagiert werden sollte, und ihre Basis ist die natürliche Aggression. Der Zusammenhang zwischen Kreativität und Aggression ist in eurer Gesellschaft nie erkannt worden. Wenn aber Aggressivität missverstanden wird, so kann dies zu Angst vor allen Gefühlen führen und bewirken, daß ihr euch von euren besten natürlichen Hellkräften abschneidet.

Natürliche Aggression ist die treibende Kraft hinter aller Kreativität. Viele Leser werden verblüfft sein, wenn sie dies lesen; sie hielten bisher eher die Liebe für den schöpferischen Impuls und sehen diese als etwas der Aggression Entgegengesetztes an. Eine solche künstliche Trennung gibt es jedoch nicht. Natürliche Aggression ist schöpferische Liebe, die nach außen drängt, ist das Mittel, durch das die Liebe sich aktiviert, oder der Treibstoff, mit dessen Hilfe die Liebe in Bewegung gerät. (Mit Nachdruck:) Aggression als solche hat, wie gesagt, mit physischer Gewalt im üblichen Sinne nichts zu tun, wohl aber mit jener Kraft, durch die die Liebe fortbesteht und sich schöpferisch erneuert.

Wenn ihr in diesem wichtigen Punkt anders denkt, dann geratet ihr in das Fahrwasser schiefer Ansichten, die negativen Elementen Macht verleihen, und das Schöpferische scheint dann bedrohlich und schlecht zu sein oder erhält gar dämonische Attribute. Im Gegensatz dazu wird dann das Gute zu Unrecht als schwach, als ohnmächtig, passiv und schutzbedürftig empfunden. Aufgrund solcher falscher Glaubenssätze werdet ihr vor jedem starken Gefühl Angst bekommen und weitgehend dazu gebracht werden, vor der Kraft und Energie eures eigenen Wesens davonzulaufen. Ihr werdet gezwungen, eure eigenen Erfahrungen zu verwässern. Solchen Glaubenssätzen wohnt übrigens ein stark depressiver Zug inne, der euch starke Gefühle abdrosselt, indem ihr diese zu Unrecht als negativ abstempelt.

Ihr hemmt dann automatisch jeden Impuls, der von starken Emotionen begleitet sein könnte, und betrügt euch somit um das nötige Feedback. Ihr seid euren Gefühlen nur dann ausgeliefert, wenn ihr sie fürchtet. Glaubt: Sie sind das bewegende Moment eures Seins. Sie gehen mit eurem Intellekt Hand in Hand. Aber wenn ihr die Inhalte eures Bewusstseins nicht kennt und eure Gefühle nicht fair behandelt, so geratet ihr in Schwierigkeiten.

Wenn ihr euch euren Gefühlen hingebt, so führt das eine emotionale, geistige und physische Einheit herbei. Versucht ihr dagegen, sie zu bekämpfen oder zu leugnen, dann trennt ihr euch von eurer eigenen Seins Realität. Indem ihr mit euren Gedanken und Gefühlen auf die empfohlene Weise verfahrt, könnt ihr euch wenigstens in der Integrität eurer momentanen Erfahrung verankern und es ihrer angeborenen Beweglichkeit und Kreativität überlassen, eine heilsame Lösung hervorzubringen.

Streitet ihr aber solche Emotionen ab oder fürchtet ihr euch vor ihnen, dann legt ihr dem freien Fluss der Gefühle von Augenblick zu Augenblick Hindernisse in den Weg; ihr errichtet Staudämme. Jedes Gefühl verwandelt sich in ein anderes, wenn ihr es ehrlich durchlebt. Andernfalls wird die natürliche Dynamik eures ganzen Organismus blockiert. Angst, mit der ihr euch konfrontiert und die ihr in ihren körperlichen Empfindungen und in Gedanken durchlebt, führt automatisch eine Lösung herbei. Das hinter dem Hindernis stehende Glaubenssatzsystem wird auf diese Weise erhellt, und euch wird klar, daß ihr so empfindet, weil ihr einer Überzeugung anhängt, die eine solche Reaktion hervorruft und rechtfertigt.

Wenn ihr euch gewohnheitsmäßig jeden Gefühlsausdruck versagt, so entfremdet ihr euch nicht allein euren Körper, sondern auch eure bewussten Vorstellungen. Ihr begrabt bestimmte Bewusstseinsinhalte in euch und umgebt euch mit einer biologischen Rüstung, die verhindern soll, daß ihr die Auswirkungen dieser Inhalte auf euren Körper zu spüren bekommt. In jedem Fall ist die letzte Ursache dieser Hemmung in eurem persönlichen Glaubenssatz-System, in den von euch gehegten, zutiefst empfundenen Überzeugungen, zu suchen. Wenn ihr eine spirituelle Hexenjagd veranstaltet, indem ihr versucht, jede negative Vorstellung, die euch anwandelt, sofort zu unterdrücken, dann fragt euch doch einmal, warum ihr so sehr an die zerstörerische Macht selbst des geringsten eurer »negativen« Gedanken glaubt!

Körper und Geist bilden zusammen ein ganzheitliches, selbstregulierendes, selbstreinigendes, heilendes System, innerhalb dessen jedes Problem, dem man sich ehrlich stellt, seine Lösung in sich trägt. Jedes Krankheitssymptom, gleich ob geistiger oder physischer Art, enthält den Schlüssel zur Lösung des Konfliktes, der hinter ihm steht, wie auch den Keim für seine Heilung. Nun: Es stimmt zwar, daß zur Gewohnheit gewordene Gedanken der Liebe, der Selbstannahme und eines gesunden Optimismus besser für euch sind als ihr Gegenteil. Entscheidend sind aber die Glaubenssätze, die ihr über euch selbst hegt; sie ziehen automatisch Gedanken an, die sich mit euren Vorstellungen decken. Nochmals: In der Liebe steckt ebenso viel natürliche Aggressivität wie im Hass. Hass ist die entstellte Form dieser natürlichen Kraft, und dies ist das Ergebnis eurer Glaubenssätze.

Wie in dem Material, das Ruburt für persönliche Zwecke im voraus erhielt, deutlich wurde, ist natürliche Aggression reinigend und in hohem Maße kreativ – sie ist die Stoßkraft hinter a l l euren Emotionen. Ihr könnt euch euren Glaubenssätzen auf zwei Wegen nähern. Der direkte Weg ist der, eine Reihe von Selbstgesprächen zu führen. Schreibt eure zu Glaubenssätzen verdichteten Überzeugungen, die ihr in den verschiedensten Lebensbereichen hegt, nieder, und ihr werdet entdecken, daß ihr zu verschiedenen Zeiten Verschiedenes glaubt. Oft liegen die Widersprüche offen zutage. Das eben sind die schon erwähnten gegensätzlichen Glaubenssätze; sie aber steuern eure Emotionen, euren körperlichen Zustand und eure physischen Erfahrungen. Überprüft eure Konflikte. Dann treten unsichtbare Glaubenssätze hervor, die jene s c h e i n b a r unterschiedlichen Überzeugungen zusammenhalten.

Unsichtbare Glaubenssätze sind einfach Überzeugungen, deren ihr euch zwar bewusst seid, die ihr aber vorzieht zu ignorieren, weil sie Streitpunkte darstellen, die ihr bis dahin nicht habt anpacken wollen. Sie sind euch aber voll zugänglich; das erweist sich, sobald ihr euch einmal entschließt, die gesamten Inhalte eures Bewusstseins einer Prüfung zu unterziehen. Sollte euch diese Methode zu intellektuell vorkommen, so könnt ihr auch von euren Gefühlen ausgehend den Weg zu euren Glaubenssätzen zurückverfolgen. In dem Fall und unabhängig von der gewählten Methode werden die einen euch zu den andern hinführen. Beide Annäherungsmethoden verlangen Ehrlichkeit gegenüber euch selbst und eine kritische Auseinandersetzung mit den geistigen, psychischen und emotionalen Aspekten eurer gegenwärtigen Realität.

Wie auch Andrea (von der in der letzten Sitzung die Rede war) müßt ihr eure Gefühle als gültig annehmen und gleichzeitig im Auge behalten, daß sie sich auf bestimmte Sachverhalte oder Umstände beziehen, ohne notwendigerweise wirklichen Tatsachen zu entsprechen. »Ich glaube, ich bin eine schlechte Mutter« oder »Ich fühle mich als Versager« sind emotionale Aussagen und als Gefühle zu akzeptieren. Ihr solltet dabei jedoch nicht vergessen, daß solche Gefühle nicht auf Tatsachen begründet sein müssen. Eine Frau ist vielleicht eine ausgezeichnete Mutter, obgleich sie sich nicht als solche fühlt. Oder ihr verfolgt eure Ziele mit großem Erfolg und kommt euch doch als Versager vor.

Indem ihr diese Unterschiede erkennt und die Gefühle ehrlich bis an ihre Quelle verfolgt, werdet ihr zu den hinter ihnen stehenden Glaubenssätzen geführt. Eine Reihe von Selbstenthüllungen ist dann die unvermeidliche Folge, und jede führt euch zu weiteren kreativen psychologischen Aktivitäten hin. Auf jeder Stufe rückt ihr eurer Erfahrungswirklichkeit ein Stückchen näher. Das Bewusstsein zieht hieraus großen Nutzen, weil es seinen Richtungsgebenden Einfluss auf die Ereignisse immer klarer erkennt. Das Gefühlsleben oder der Körper kommt ihm dann nicht mehr bedrohlich oder unberechenbar vor, und es spürt die größere Einheit, die alles umfasst.

Die Emotionen sind dann nicht länger nur Stiefkinder, und es werden nicht mehr nur die in Sonntagskleidern empfangen. Die Gefühle brauchen nicht mehr nach Selbstausdruck zu schreien, denn alle sind als vollberechtigte Familienmitglieder des Selbst angenommen. Jetzt werden vielleicht wieder einige von euch einwenden, ihre Schwierigkeit bestehe darin, daß sie zu gefühlsbetont und sensibel seien. Sie halten sich gar für zu leicht beeinflussbar. Dahinter aber steckt die Furcht vor den Gefühlen. Sie kommen vielen so mächtig vor, daß alle Vernunft darin ertrinkt.

Ihr mögt euch noch so offen geben, ihr werdet doch immer bestimmte Gefühle, die ihr für ungefährlich haltet, begrüßen und andere wieder ignorieren oder an einem bestimmten Punkt unterdrücken, weil ihr Angst davor habt, wohin sie euch führen. (Pause.) Dieses Verhalten hängt natürlich mit euren Glaubenssätzen zusammen. (Lange Pause.) Seid ihr zum Beispiel über die Vierzig hinaus, dann sagt ihr euch vielleicht, daß das Alter keine Rolle spielt, daß ihr Freude an viel jüngeren Menschen habt, daß ihr »jugendlich« denkt und fühlt, ihr bejaht alle Gedanken, die sich mit eurer Vorstellung von Jugendlichkeit decken. Ihr kümmert euch um die Probleme der Jugend. Ihr heißt jeden Gedanken willkommen, der in euren Augen optimistisch und gesundheitsfördernd ist. Ihr kommt euch vielleicht sehr gefühlsbetont vor.

Obwohl ihr euch unterschwellig eurer kreatürlichen Wirklichkeit sehr wohl bewusst seid, überseht ihr gerne die Veränderungen, die sich in eurem Äußeren seit eurem dreißigsten Lebensjahr zeigen – dabei verliert ihr eure Authentizität als raumzeitliche Wesen aus den Augen. Ihr wehrt jeden Gedanken an Tod, Sterben und Altern ab und schließt auf diese Weise ganz natürliche Gefühle, die euch über eure Jugendjahre hinausführen sollten, aus eurem Gemütsleben aus. Ihr verleugnet die körperliche Existenz eures Leibes und dessen Zentriertheit im Lebensalter und betrügt euch um jene natürlichen biologischen, psychischen und geistigen Regungen, die über sich selbst hinausweisen.

Nun: In diesem Kontext hängt eines der Probleme mit der Bedeutung zusammen, die ihr mit Wörtern wie »älter« und »alt« verbindet. In eurer Kultur herrscht der Glaube vor, daß Jugend Flexibilität, Wachheit und Gesundheit bedeutet. Alt sein gilt im allgemeinen als Schande, und der ältere Mensch gilt als erstarrt und jenseits jeder Aktualität. Wenn ihr euch krampfhaft bemüht, jung zu bleiben, dann geht es euch wahrscheinlich darum, eure Glaubenssätze über das Alter zu verbergen und alle damit verbundenen Gefühle zu leugnen. (Pause.) Wo immer ihr euch weigert, eure kreatürliche Wirklichkeit anzunehmen, lehnt ihr Aspekte auch eures Geistes ab. Der Körper existiert in der raumzeitlichen Welt.

Die Erfahrungen, die ihr mit Sechzig macht, sind ebenso wichtig wie die mit Zwanzig. Euer sich wandelndes Äußeres will euch etwas s a g e n . Wenn ihr so tut, als fänden keine Veränderungen statt, dann verschließt ihr euch den eigenen biologischen und spirituellen Botschaften. Im Alter bereitet sich der Organismus gewissermaßen auf eine Neugeburt vor. Bei den Veränderungen, die sich zugleich in Körper, Geist und Seele vollziehen, geht es nicht nur um den Abschluss eines Lebensalters, sondern auch um die Vorbereitung eines neuen. Die Situation bringt alle jene Hilfen in sich, die nötig sind, um den Übergang zu vollziehen, und zwar nicht nur in stiller Ergebenheit, sondern in dem gewaltigen aggressiven Drang nach neuen Erfahrungen.

Die Verleugnung eurer zeitlichen Wirklichkeit hat zur Folge, daß ihr in der Zeit steckenbleibt und von ihr besessen werdet. Bei Wahrung eurer zeitlichen Integrität hingegen bleibt eurer Körper ohne jene verzerrten, versteckten Vorstellungen vom Alter bis zu seinem natürlichen Ende in guter Verfassung und intakt. Wenn ihr die Jugend für ideal haltet und um deren Verlängerung ringt, während ihr gleichzeitig glaubt, daß das Alter zwangsläufig von Gebrechen begleitet ist, dann führt ihr unnötigerweise ein Dilemma herbei und beschleunigt durch solche negativen Überzeugungen den Alterungsprozeß. Jedes Individuum muss seine persönlichen Glaubenssätze überprüfen oder seine Gefühle als Ausgangspunkt nehmen, der zwangsläufig zu ihnen hinführt.

Diejenigen unter euch, die wortgewandt sind, können sich in diesem wie in allen anderen Bereichen schriftlich ausdrücken. Ihr könnt eure Glaubenssätze entweder in der Reihenfolge aufschreiben, wie sie euch einfallen, oder eine nach den Inhalten eurer Überzeugungen geordnete Liste aufstellen. Ihr werdet sehen, daß eure Überzeugungen ziemlich verschieden sind. Habt ihr ein körperliches Symptom, dann lauft nicht vor ihm davon. Spürt seine Realität in eurem Körper. Lasst euren Gefühlen freien Lauf. Dann werden sie euch zu den Glaubenssätzen hintragen, die eure Schwierigkeiten verursachen. Sie werden euch durch viele Aspekte eurer persönlichen Wirklichkeit hindurchführen, denen ihr euch stellen und die ihr erforschen müßt.

Mit Hilfe dieser Methoden wird aufgestaute natürliche Aggressivität freigesetzt. Ihr empfindet das vielleicht als Gefühlsüberschwemmung, aber vertraut euren Emotionen – sie gehen aus eurer Wesensdynamik hervor und wecken eure Kreativität. Überlässt ihr euch dieser, kreativ werdet ihr die Lösung für eure Probleme finden. Ruburt gibt euch in seinen “Dialogues” ein ausgezeichnetes Beispiel hierfür durch die Art und Weise, wie er seine Gefühle hochkommen lässt, obgleich er ursprünglich Angst vor ihnen hatte. Nicht jeder kann Gedichte schreiben, aber jeder ist auf seine Weise schöpferisch und kann sich wie Ruburt von seinen Gefühlen leiten lassen, auch wenn daraus kein Gedicht entsteht.

Er weiß, welche Stelle ich meine. Verwendet sie. Ihr müßt wissen, daß euer Bewusstsein absolut kompetent ist, dass eure Ideen Gewicht haben und dass eure persönlichen Glaubenssätze euren Körper und eure Erfahrungen beeinflussen und formen.

Quelle dieses Beitrages:
Die Natur der persönlichen Realität – PDF
Quelle: Negative Emotionen gibt es nicht | THE INFORMATION SPACE
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