2025-11-29

Otfried Weise: ACHTSAMKEIT


Wenn ich mir dessen bewusst bin, was sich in mir entfaltet, entsteht ein inneres SEIN klarer PRÄSENZ, in dem das Handeln nicht mehr als Mühe empfunden wird, sondern als ein natürlicher Strom, der mit Begeisterung fließt. Bewusstheit sammelt die Kräfte, die sonst in Zerstreuung verloren gehen, und macht aus jeder Tätigkeit einen Akt freier Wahl. Es öffnet sich damit ein Raum, in dem Wille und Handlung ineinander übergehen; das Tun wird zu einem selbstbestimmten Fließen; in dieser Wachheit erklingt die feine Resonanz zwischen meinem Inneren und der Welt.

Was mit mir in Schwingung geht, prägt sich mir ein wie ein vertrauter Ton, der nachhallt, selbst wenn die äußere Melodie verstummt. Freude ist dann kein flüchtiges Gefühl, sondern ein Zeichen dafür, dass etwas im Einklang mit meiner eigenen Frequenz vibriert. Erinnerung entsteht mühelos, weil ich nicht gegen mich arbeite, sondern mit der inneren Musik, die mich leitet.

Und wenn ich so in mir verankert bin, bemerke ich auch klarer die Bedürfnisse der Menschen um mich herum. Aus dieser Verbundenheit wächst kein Zwang, sondern ein natürlicher Wunsch nach Harmonie: Die Präsenz in mir wird zu einem offenen Raum, in dem auch andere atmen können. So verschränkt sich mein Handeln mit ihrem Wohl, und das Miteinander wird zu einem feinen Gewebe aus gegenseitigem Respekt, tiefer Achtsamkeit und jener stillen Schönheit, die entsteht, wenn mehrere Herzen im gleichen Rhythmus schwingen.

Diese Gedanken möchte ich euch anhand einiger Beispiele veranschaulichen:

BEIM SCHREIBEN
Wenn ich mit wachem Geist an einem Text sitze, fließt jedes Wort wie ein Tropfen aus einer klaren Quelle. Die Zeit verliert ihre Bedeutung, und ich schreibe nicht mehr, um fertig zu werden, sondern weil das Schreiben mich trägt. Die Sätze erinnern sich selbst an mich, weil sie wie vertraute Vögel in meinem Inneren singen.

IM AUSTAUSCH mit einem geliebten Menschen
Wenn ich wirklich zuhöre, wandelt sich das Gespräch von einem Wechsel von Worten zu einem intimen Tanz zweier Seelen. Ich höre nicht nur, was und wie es gesagt wird, sondern wer es sagt. In diesem Raum der Präsenz erkenne ich die Bedürfnisse des anderen, noch bevor sie ausgesprochen sind – und Harmonie entsteht wie von selbst.

BEIM LERNEN
Wenn ein Gedanke in Resonanz mit mir schwingt, fühlt er sich nicht mehr fremd an. Er weilt in mir wie ein Funke, der eine lange vergessene Lampe entzündet. Ich muss nicht pauken oder ringen – das neue Wissen fällt in mich hinein wie ein Blatt in stilles Wasser und sinkt mit einer Selbstverständlichkeit tiefer, die über die Zeit hinweg trägt.

BEIM GEHEN IN DER NATUR
Wenn ich bewusst gehe, wird jeder Schritt zu einem sanften Impuls, der mit der Erde schwingt. Die Bäume scheinen sich mir zuzuwenden, und der Wind trägt meine Müdigkeit davon. Ich erinnere mich an den Weg, weil er mich berührt, wie ein altes Lied, das ich nie wirklich vergessen habe.

IN DEM ZUSAMMENWIRKEN mit anderen
Wenn ich mich selbst klar spüre, wird mein Beitrag kein Drängen und kein Zurückweichen. Ich erkenne die Töne der anderen und füge meinen hinzu, ohne sie zu übertönen. Daraus entsteht ein gemeinsamer Klang, ein stilles Einverständnis, in dem jeder seinen Platz findet – nicht durch Kontrolle, sondern durch das natürliche Zusammenfließen der inneren Rhythmen.

So verbreitet sich jedes bewusste Handeln zu einem warmen Leuchten, das sich durch den Tag zieht und alles in Freude taucht.

Und je tiefer ich in mir ruhe, desto weiter öffnet sich die Welt, als hätte sie lange auf diese Aufmerksamkeit gewartet.

Am Ende ist Harmonie nichts, was wir suchen oder erzeugen müssen — sie ist immer in uns, unabhängig davon, was die Außenwelt und gerade spiegelt.

Bild: Chanakya Lama

Quelle: Otfried Weise

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