2020-02-04

Auf Saturnmond Titan könnten Zellen anders funktionieren als auf der Erde


Göteborg (Schweden) – Auf der Erde sind Aufbau und Funktion organischer Zellen, wie wir ihn kennen, Grundvoraussetzung für das Leben selbst. Auf Welten, auf denen jedoch unterschiedliche Grundlagen für potentielles Leben herrschen, könnten auch Zellen gänzlich anders aufgebaut sein und funktionieren. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie schwedischer Wissenschaftler, erntet zugleich aber auch Kritik von Kollegen.

Wie Hilda Sandström und Martin Rahm von der Chalmers University of Technology aktuell im Fachjournal „Science Adnvances“ (DOI: 10.1126/sciadv.aax0272) berichten, wäre es durchaus vorstellbar, dass Zellen von Lebewesen, die eventuell in den Methan-Ethan-Meeren auf dem Saturnmond Titan leben, beispielsweise keine Zellmembran benötigen, wie alle irdischen Lebensformen.

Auf der Erde ist die aus Liposomen bestehende Zellmembran buchstäblich überlebenswichtig für das Leben, da sie die Unversehrtheit des Zellinneren gewährleisten, indem sie ungewünschte Substanzen aussperren. Zugleich ermöglichen sie aber das Eindringen lebensnotwendiger Nährstoffe und die Abgabe von Abfallprodukten nach draußen. Aus diesem Grund sind irdische Zellmembrane auch derart konzipiert, dass sie nach außen hin polar und hydrophil (also wasserliebend), nach innen aber unpolar (wasserabweisend) sind.

Auf dem größten Saturnmond Titan herrschen nun aber andere Bedingungen. Bei Temperaturen von rund minus 180 Grad Celsius gibt es kein flüssiges Wasser oder freier Sauerstoff in der Nähe der Oberfläche. Statt Wasser, verfügt Titan dafür aber über einen Flüssigkeitskreislauf in Form eines Gemischs aus den Kohlenwasserstoffen Methan und Ethan, das Bäche, Flüsse, Seen und Meere füllt, die Oberfläche verändert, verdunstet und als Regen wieder vom Himmel fällt.

Da auch diese Kohlenwasserstoffe unpolarer Natur sind, haben bereits zuvor einige Astrobiologen vorgeschlagen, dass mögliche Zellmembrane auf Titan genau umgekehrt aufgebaut sein könnten, wie ihre irdischen Gegenstücke, also unpolar nach außen wirken und so mit dem Methan-Ethan-Gemisch statt mit Wasser als Lösungsmittel wechselwirken können, nach innen aber polar sind.

Aus diesem Grund hatten 2015 schon Forscher um James Stevenson on der Cornell University im Fachjournal „Science Advances“ angedacht, dass das potentielles Leben auf Titan auf sauerstofffreien Zellen beruhen könnte, deren Zellmembrane sogenannte Azotosome sein könnten. Laut den Autoren funktionieren diese auch in flüssigem Methan bis zu einer Temperatur von minus 180 °C und zeigen zugleich sie die gleiche Stabilität und Flexibilität wie ihre Gegenstücke auf der Erde, die Liposome (…GreWi berichtete).

In ihrer neuen Studie nutzen Sandström und Rahm Computersimulationen, um die Fähigkeiten von Zellmembranen mit umgedrehter (invertierter) Polarität zur Selbstorganisation unter den Bedingungen auf Titan mit Hilfe zu untersuchen.


Grafische Darstellung eines teilweise geöffneten, hohlen sog. Azotosoms von der Größe eines Virus.
Copyright: James Stevenson

Während das Ergebnis zunächst gegen Azotosome als brauchbare Zellmembran für Leben zu sprechen scheinen, wären biologische Makromoleküle aufgrund der extremen Niedrigtemperaturen auf Titan geradezu bewegungsunfähig. Lebensformen auf dem Titanmond, müssten also auf einer langsamen Ausbreitung kleinerer Moleküle beruhen. Jegliche Membran würde aber eben genau diese Ausbreitung ebenso verhindern, wie einen Abtransport von Abfallerzeugnissen nach außen.

Vor diesem Hintergrund postulieren die beiden Wissenschaftler, das potentielles Titan-Leben überhaupt keine Zellmembrane besitzen könnte.

Kritik an dieser Vorstellung kommt allerdings u.a. von Prof. Dirk Schulze-Makuch von der TU Berlin, der Arizona State und Washington State University. In einem Artikel im „Air & Space“-Magazine schreibt er zu den bemerkungen seiner Kollegen: „Ich persönlich bezweifle diese Schlussfolgerung, da mir die Anwesenheit von Zellmembranen weiterhin als essentiell für die Aufrechterhaltung des Ungleichgewichts zwischen dem Zellinneren und -äußeren erscheint. Ohne diese gäbe es nichts, dass den Verlust wichtiger organischer Moleküle an die Umgebung der Zelle verhindern würde. Aus diesem Grund glaube ich fest, dass das Leben – auf der Erde, auf Titan und anderswo – auf die Integrität seiner kleinsten Einheit, der Zelle, angewiesen ist.“

Zugleich gibt Schulze-Makuch aber auch zu bedenken, dass er sich natürlich „aber auch irren könnte“ und fügt abschließend hinzu: „In exotischen Umgebungen wie auf Titan, müssen wir vielleicht Annahmen, die auf der Erde gelten, in Frage stellen. Zudem mag ich den computerbasierten astrobiologischen Ansatz der Autoren, mit dem sie die Grenzen unseres Wissens zu erweitern versuchen. Natürlich wäre der beste Weg, alle diese Fragen zu beantworten, wie immer eine direkte Sonden-Mission zum Titan, ähnlich wie der, die von der NASA in Form von ‚Dragonfly‘ angedacht wird.“

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