2025-11-17

Otfried Weise: DIE KRÖNUNG DES MENSCHSEINS


In jedem Menschen lebt eine Blüte aus duftendem Licht, so geheimnisvoll, dass die Zeit dort keine Spuren hinterlässt. Dort atmet ein erster, zarter Schimmer, lange bevor der Verstand begreift, wohin die Lebensreise führen könnte.

Wir wachsen auf in Hallen voller Stimmen. Wissen türmt sich auf wie gestapelte Bücher, und es wird uns gesagt, wir müssten nur hoch genug klettern, um die Welt zu begreifen. Doch je höher wir steigen, desto deutlicher sehen wir: Der Turm ist endlich, doch der Himmel darüber KENNT KEINE GRENZEN.

Was wir „Wissen“ nennen, ist nur ein Echo derer, die vor uns gesprochen haben — ein Geräusch aus Schulbänken, ein Wind, der durch die Gänge öffentlicher Meinung pfeift. Und wir halten diesen Wind für die Richtung, in die wir gehen müssen. Doch tief im Bauch, wo kein Lehrer, kein Buch, kein System seine Finger ausbreiten kann, dort glänzt ein ehrwürdiger Kompass. Seine Nadel zeigt nicht nach Norden, sondern nach INNEN.

Viele Menschen stehen vor derselben Weggabelung:

Sie folgen dem ersten Weg der öffentlichen Meinung, horchen zuerst, was die anderen tun: „wohin die meisten gehen, muss es richtig sein.“ Sie folgen automatisch dem, was man tut, und kaum etwas davon ist wirklich ihres. Der Zweifel, der sich in ihren Augen einschleicht verrät es: Sie folgen den Schildern anderer und verlieren dabei die Spuren ihrer eigenen Füße.

Der zweite Mensch: der angelernten Regeln öffnet innerlich kleine Schubladen: „Pro und Contra“, „Risiken“, „Statistiken“. Seine Entscheidungen sind sauber, logisch, abgesichert wie Häuser aus Stein. Doch so manche Türen bleiben verschlossen, weil kein Gedanke den Schlüssel besitzt. Er weiß viel, doch das Wesentliche entzieht sich der Messung - was er aber oft nicht merkt, weil er es gar nicht kennt.

Der dritte Mensch: der Erfahrung spürt den Wind aus früheren Zeiten. Er erkennt Muster, hört die beruhigende Sprache der Wiederholung. Sein Wissen trägt zwar die Wärme gelebter Erfahrung, doch nicht jeder gewünschte neue Pfad fußt auf originellem Boden. Manches möchte dort beginnen, wo Erinnerung verstummt.

Hier wartet der vierte Weg — derjenige, der die Welt zutiefst begreift: Der Mensch der INTUITION. Er spürt, welcher Weg in ihm selbst verwurzelt ist, lange bevor sein Verstand und sogar sein Bauchgefühl ihn erkennt. Nicht, weil andere ihn gehen, nicht, weil Bücher ihn beschreiben, nicht, weil Erfahrungen ihn bestätigen — sondern weil sein Inneres einen klaren Impuls sendet, einen magnetischen Ruf.

Manchmal ist es ein kaum merkbares: „Hier entlang“.

Manchmal ein Drängen, das den Atem beschleunigt.

Und manchmal eine stille Gewissheit, so klar, dass jedes weitere Nachdenken sie nur verwässern würde. Dieser Mensch geht nicht blind, sondern sehender als alle anderen. Er folgt der Stimme, die nicht argumentiert, sondern erkennt.

Die Intuition ist die Krönung aller inneren Energien — das älteste, unverfälschteste Organ des Erkennens. Sie wird genährt von der Stimme des Herzens, von jener erhabenen Flamme, die schon wusste, wer wir sind, bevor wir Worte dafür fanden.

Die innere Stimme ruft nicht laut. Sie drängt nicht, belehrt nicht,

sie singt — und wer sich die Zeit nimmt, ihr zuzuhören,

der findet den Weg, der ihn nicht zu einem Spiegel der Welt macht,

sondern zu einem Ausdruck SEINER SELBST. Wer ihr folgt, verlässt das Reich der Anpassung und lebt im weiten Raum des eigenen Mutes. Dort endet keine Straße, dort endet nur die Angst.

Und dort beginnt das Leben des NEUEN MENSCHEN, unverstellt, ungefiltert, geführt von der Krone des Menschseins:

DER INTUITIVEN WEISHEIT DES EIGENEN HERZENS.

Quelle: Otfried Weise

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