„Mehr als 25 Prozent der Krebspatienten in Deutschland versterben nicht an ihrer Grunderkrankung, sondern an den Folgen einer Mangelernährung“, erklärt Prof. Dr. med. Arved Weimann die aktuelle Situation in der Onkologie. Das sind über 50.000 Todesfälle pro Jahr. Weimann ist Experte für Ernährung bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) und Chefarzt am Klinikum St. Georg in Leipzig.
Neben Weimann sieht auch die Deutsche Krebsgesellschaft Handlungsbedarf. So bestätigt Dr. Jutta Hübner, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Medizin in der Onkologie (PRiO): „Ernährung ist in allen Phasen für Krebspatienten – aber auch bereits in der Prävention – von hoher Relevanz.“ Trotzdem findet Berichterstattung durch etablierte Medien zu diesem Thema nicht statt.
Was zunächst klingt wie ein schlechter Scherz, ist in Fachkreisen durchaus bekannt. Bereits 2010 konstatierte das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT: „Unter- und Mangelernährung ist in deutschen Krankenhäusern ein häufiges und zunehmendes Problem mit wissenschaftlich gut belegten signifikanten medizinischen und ökonomischen Folgen, die für unser Gesundheits- und Sozialsystem ein mindestens gleichwertig relevantes Problem wie die bekannten Folgen von Übergewicht und Adipositas darstellen.“
Dieser drastische Vergleich gibt einen Ausblick auf die Tragweite des Themas. Die Gesellschaft leidet mit: finanziell, gesundheitlich, ethisch. Betroffen von Mangelernährung sind insbesondere Krebs-Patienten. Eine systematische Aufklärung der Betroffenen ist in diesem Kontext nötig, wird aber bisher nicht umgesetzt. „Die Kollegen übersehen, was sie mit einer Ernährungstherapie für ihre Patienten tun können“
Im Fachmagazin „Der Onkologe“, dem offiziellen Organ der Deutschen Krebsgesellschaft, wurde bereits im Jahr 2008 klargestellt, „dass etwa ein Viertel aller Tumorpatienten an den Folgen der körperlichen Auszehrung durch Mangelernährung verstirbt“. Trotzdem werden bis heute in der Onkologie kaum Verfahren angewendet, um den Ernährungszustand von Patienten zu erfassen und zu behandeln.
„Die Kollegen fixieren sich oft auf die neuesten Antikörper und übersehen, was sie mit einer Ernährungstherapie für ihre Patienten tun können“, beschreibt Prof. Dr. med. Ulrich Mahlknecht die Situation. Mahlknecht ist Chefarzt der Onkologie und Hämatologie der St. Lukas Klinik in Solingen. „Das Problem ist, dass das Thema in den Köpfen der Kollegen nicht angekommen ist“, sagt Mahlknecht und führt an, dass es seines Wissens nur eine einzige Klinik in ganz Deutschland gebe, wo eine Ernährungsberaterin bei der Visite anwesend sei und ein Ernährungskonzept erstelle.
Neben Weimann sieht auch die Deutsche Krebsgesellschaft Handlungsbedarf. So bestätigt Dr. Jutta Hübner, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Medizin in der Onkologie (PRiO): „Ernährung ist in allen Phasen für Krebspatienten – aber auch bereits in der Prävention – von hoher Relevanz.“ Trotzdem findet Berichterstattung durch etablierte Medien zu diesem Thema nicht statt.
Was zunächst klingt wie ein schlechter Scherz, ist in Fachkreisen durchaus bekannt. Bereits 2010 konstatierte das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT: „Unter- und Mangelernährung ist in deutschen Krankenhäusern ein häufiges und zunehmendes Problem mit wissenschaftlich gut belegten signifikanten medizinischen und ökonomischen Folgen, die für unser Gesundheits- und Sozialsystem ein mindestens gleichwertig relevantes Problem wie die bekannten Folgen von Übergewicht und Adipositas darstellen.“
Dieser drastische Vergleich gibt einen Ausblick auf die Tragweite des Themas. Die Gesellschaft leidet mit: finanziell, gesundheitlich, ethisch. Betroffen von Mangelernährung sind insbesondere Krebs-Patienten. Eine systematische Aufklärung der Betroffenen ist in diesem Kontext nötig, wird aber bisher nicht umgesetzt. „Die Kollegen übersehen, was sie mit einer Ernährungstherapie für ihre Patienten tun können“
Im Fachmagazin „Der Onkologe“, dem offiziellen Organ der Deutschen Krebsgesellschaft, wurde bereits im Jahr 2008 klargestellt, „dass etwa ein Viertel aller Tumorpatienten an den Folgen der körperlichen Auszehrung durch Mangelernährung verstirbt“. Trotzdem werden bis heute in der Onkologie kaum Verfahren angewendet, um den Ernährungszustand von Patienten zu erfassen und zu behandeln.
„Die Kollegen fixieren sich oft auf die neuesten Antikörper und übersehen, was sie mit einer Ernährungstherapie für ihre Patienten tun können“, beschreibt Prof. Dr. med. Ulrich Mahlknecht die Situation. Mahlknecht ist Chefarzt der Onkologie und Hämatologie der St. Lukas Klinik in Solingen. „Das Problem ist, dass das Thema in den Köpfen der Kollegen nicht angekommen ist“, sagt Mahlknecht und führt an, dass es seines Wissens nur eine einzige Klinik in ganz Deutschland gebe, wo eine Ernährungsberaterin bei der Visite anwesend sei und ein Ernährungskonzept erstelle.
Über 50.000 Todesfälle pro Jahr
Krebs ist in Deutschland die zweithäufigste Todesursache. Laut Statistischem Bundesamt sterben pro Jahr etwa 228.000 Menschen an Krebs. Tendenz steigend. Die Deutsche Krebshilfe schätzt die Neuerkrankungen mit Krebs für das Jahr 2014 auf eine halbe Million. Das bedeutet konkret: Weit über 50.000 Menschen sterben pro Jahr an den Folgen mangelhafter Ernährung bei Krebs. – Sie verhungern buchstäblich.
Zum Vergleich: Durch mangelhafte Ernährung bei Krebs sterben demnach mehr Menschen als durch Verkehrsunfälle, Suizide und Drogen zusammen.
Kaum Aufklärung durch Onkologen
Die deutlichsten Worte zum Thema findet Prof. Dr. Markus Masin. Er arbeitet am Universitätsklinikum Münster als Beauftragter für klinische Ernährung und leitet die Ernährungsmedizin am Zentrum für Krebsmedizin (CCCM). Darüber hinaus ist er Vorstand der Deutschen Stiftung gegen Mangelernährung (DSGME).
„Ein nicht aufgeklärter Patient kann auch nichts entscheiden“, beschreibt Masin die Situation. „Wenn jemand onkologisch erkrankt, erklärt der Onkologe ihm, welche Chemo er bekommt, mit welchen statistischen Wahrscheinlichkeiten der Heilung oder Lebenszeit“, so Masin, „aber er klärt nicht darüber auf, dass der Patient auch an Auszehrung sterben könne.“
Eine Ursache dafür, weshalb eine adäquate Beratung durch Onkologen fehle, ist laut PriO-Vorstand Hübner, dass die Kommunikation über das Thema ausbleibe: „Das Thema kostet Zeit. Derzeit gibt es aber im deutschen Gesundheitssystem nur eingeschränkte Möglichkeiten, dies gegen zu finanzieren.“
Sind veränderte finanzielle Anreize eine mögliche Lösung für das strukturelle Problem? „Ernährung ist Therapie und gehört zum gesamten Behandlungskonzept“, behauptet Masin und zeigt mit dem Finger auf den Gesetzgeber: „Ernährungsmedizinisches Screening muss gesetzlich verpflichtend als Voraussetzung eingeführt werden, um eine onkologische Therapie überhaupt einleiten zu können.“ Eine ausreichende Vergütung der Ernährungsmedizin sei entscheidend, erklärt dazu Hübner: „Ich habe wenig Zweifel, dass dann alle Einrichtungen ein Screening einführen würden. Außerdem brauchen wir dringend in der Ausbildung – sowohl der fachspezifischen Berufe als auch bei den Ärzten – evidenzbasierte Lehrinhalte.“
Das Problem mit der Evidenz
Ein vitales Problem hat die Ernährungsmedizin mit der medizinischen Forschung. Oder genauer: mit der Evidenzbasierten Medizin.
Hübner beschreibt es so: „Die Evidenz zu diesem Thema ist eingeschränkt, ziemlich diffus und sehr schwer zu beurteilen. Wir haben es häufig mit einem multifaktoriellen Geschehen zu tun, sodass eine einfache Zuordnung von zum Beispiel Ursache und Wirkung extrem schwierig ist.“
Gefordert sind randomisierte und kontrollierte Studien, sogenannte RCTs, die als „Goldstandard“ in der Evidenzbasierten Medizin gelten. Das bedeutet: Die zu erforschende medizinische Behandlung – sei es ein Medikament oder eine andere Intervention – wird einer Patientengruppe gegeben. Eine vergleichbare Kontrollgruppe erhält ein Scheinmedikament oder eine Scheinbehandlung, damit ihre Daten mit der ersten Gruppe verglichen werden können.
„Randomisierte Doppelblind-Studien – sogenannte RCTs – kann es zu Mangelernährung bei Krebs nicht geben“, so Masin. „Würde man das vorschlagen, würde man das durch keine Ethikkommission kriegen. Denn jedes Kind weiß: Wer nicht isst, der verhungert. Unabhängig von Anforderungen an Evidenz in der Medizin“, behauptet Masin.
Krebs ist in Deutschland die zweithäufigste Todesursache. Laut Statistischem Bundesamt sterben pro Jahr etwa 228.000 Menschen an Krebs. Tendenz steigend. Die Deutsche Krebshilfe schätzt die Neuerkrankungen mit Krebs für das Jahr 2014 auf eine halbe Million. Das bedeutet konkret: Weit über 50.000 Menschen sterben pro Jahr an den Folgen mangelhafter Ernährung bei Krebs. – Sie verhungern buchstäblich.
Zum Vergleich: Durch mangelhafte Ernährung bei Krebs sterben demnach mehr Menschen als durch Verkehrsunfälle, Suizide und Drogen zusammen.
Kaum Aufklärung durch Onkologen
Die deutlichsten Worte zum Thema findet Prof. Dr. Markus Masin. Er arbeitet am Universitätsklinikum Münster als Beauftragter für klinische Ernährung und leitet die Ernährungsmedizin am Zentrum für Krebsmedizin (CCCM). Darüber hinaus ist er Vorstand der Deutschen Stiftung gegen Mangelernährung (DSGME).
„Ein nicht aufgeklärter Patient kann auch nichts entscheiden“, beschreibt Masin die Situation. „Wenn jemand onkologisch erkrankt, erklärt der Onkologe ihm, welche Chemo er bekommt, mit welchen statistischen Wahrscheinlichkeiten der Heilung oder Lebenszeit“, so Masin, „aber er klärt nicht darüber auf, dass der Patient auch an Auszehrung sterben könne.“
Eine Ursache dafür, weshalb eine adäquate Beratung durch Onkologen fehle, ist laut PriO-Vorstand Hübner, dass die Kommunikation über das Thema ausbleibe: „Das Thema kostet Zeit. Derzeit gibt es aber im deutschen Gesundheitssystem nur eingeschränkte Möglichkeiten, dies gegen zu finanzieren.“
Sind veränderte finanzielle Anreize eine mögliche Lösung für das strukturelle Problem? „Ernährung ist Therapie und gehört zum gesamten Behandlungskonzept“, behauptet Masin und zeigt mit dem Finger auf den Gesetzgeber: „Ernährungsmedizinisches Screening muss gesetzlich verpflichtend als Voraussetzung eingeführt werden, um eine onkologische Therapie überhaupt einleiten zu können.“ Eine ausreichende Vergütung der Ernährungsmedizin sei entscheidend, erklärt dazu Hübner: „Ich habe wenig Zweifel, dass dann alle Einrichtungen ein Screening einführen würden. Außerdem brauchen wir dringend in der Ausbildung – sowohl der fachspezifischen Berufe als auch bei den Ärzten – evidenzbasierte Lehrinhalte.“
Das Problem mit der Evidenz
Ein vitales Problem hat die Ernährungsmedizin mit der medizinischen Forschung. Oder genauer: mit der Evidenzbasierten Medizin.
Hübner beschreibt es so: „Die Evidenz zu diesem Thema ist eingeschränkt, ziemlich diffus und sehr schwer zu beurteilen. Wir haben es häufig mit einem multifaktoriellen Geschehen zu tun, sodass eine einfache Zuordnung von zum Beispiel Ursache und Wirkung extrem schwierig ist.“
Gefordert sind randomisierte und kontrollierte Studien, sogenannte RCTs, die als „Goldstandard“ in der Evidenzbasierten Medizin gelten. Das bedeutet: Die zu erforschende medizinische Behandlung – sei es ein Medikament oder eine andere Intervention – wird einer Patientengruppe gegeben. Eine vergleichbare Kontrollgruppe erhält ein Scheinmedikament oder eine Scheinbehandlung, damit ihre Daten mit der ersten Gruppe verglichen werden können.
„Randomisierte Doppelblind-Studien – sogenannte RCTs – kann es zu Mangelernährung bei Krebs nicht geben“, so Masin. „Würde man das vorschlagen, würde man das durch keine Ethikkommission kriegen. Denn jedes Kind weiß: Wer nicht isst, der verhungert. Unabhängig von Anforderungen an Evidenz in der Medizin“, behauptet Masin.
Mehr Öffentlichkeit
Warum das Thema nicht stärker in der Öffentlichkeit verhandelt wird, ist unverständlich. Seine Bearbeitung gehört zur gesellschaftlichen Kritik- und Kontrollfunktion, die Journalismus in modernen demokratischen Gesellschaften hat.
„Mehr Berichterstattung wäre auf jeden Fall begrüßenswert“, sagt Hübner von der Deutschen Krebsgesellschaft, „wir brauchen eine Öffentlichkeit, um bei den Patienten und ihren Angehörigen sowie bei den Behandlern das Thema präsent zu machen.“ Der mündige Patient könnte dann seine Interessen besser vertreten und seine Ärzte damit konfrontieren. Masin geht noch einen Schritt weiter: „Ich glaube, wenn wir das Thema der Mangelernährung bei onkologischen Patienten zu einem Volksthema machen, und der Druck aus der Bevölkerung kommt, auch von Verbänden, dann müssen Politiker und Krankenkassen endlich reagieren.“
Warum das Thema nicht stärker in der Öffentlichkeit verhandelt wird, ist unverständlich. Seine Bearbeitung gehört zur gesellschaftlichen Kritik- und Kontrollfunktion, die Journalismus in modernen demokratischen Gesellschaften hat.
„Mehr Berichterstattung wäre auf jeden Fall begrüßenswert“, sagt Hübner von der Deutschen Krebsgesellschaft, „wir brauchen eine Öffentlichkeit, um bei den Patienten und ihren Angehörigen sowie bei den Behandlern das Thema präsent zu machen.“ Der mündige Patient könnte dann seine Interessen besser vertreten und seine Ärzte damit konfrontieren. Masin geht noch einen Schritt weiter: „Ich glaube, wenn wir das Thema der Mangelernährung bei onkologischen Patienten zu einem Volksthema machen, und der Druck aus der Bevölkerung kommt, auch von Verbänden, dann müssen Politiker und Krankenkassen endlich reagieren.“
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