2015-04-25

Merkels geheime Psycho-Keule: So wehre ich mich gegen »Nudging«

von Peter Harth
Psychologen regieren jetzt im Kanzleramt und bringen Merkels Politik unter das Volk. Sie erziehen uns zu Musterbürgern. Ihre »sanfte« Manipulation heißt »Nudging« – ein Trick, der aus den USA stammt. In Wahrheit sind wir für die Technokraten hoffnungslose Fälle, die man durch hinterhältige Gängelung lenken muss – »liberaler Paternalismus« heißt das. Es droht ein Staat, der unsere Interessen nicht mehr vertritt, sondern sie ändert. Ohne jede demokratische Kontrolle. Zeit für wirksame Gegenstrategien.


Nudging: US-Präsident Obama enterte mit diesem Superwerkzeug das Weiße Haus, Großbritanniens Premier David Cameron hält sich damit an der Macht – jetzt kommt der neueste angelsächsische Manipulationstrick zu uns. Auch Bundeskanzlerin Merkel träumt vom »Nudgen« – wie sie ihre Politik mit Hilfe von Psychologen unter das politikverdrossene Volk bringt.

Und mehr noch: Wir sollen gegen unsere eigenen Interessen zu Musterbürgern in deren Sinne umerzogen werden. Ganz heimlich, ohne jede demokratische Kontrolle und mit dem maximalen Größenwahn – denn was moralisch ist, bestimmen in Zukunft Technokraten. Merkel öffnete zwar nicht die Büchse der Pandora, aber den Psycho-Experten die Türen ihres Kanzleramtes und das Tor zur Macht.

Wie schnell wir zu Organspendern werden

Schon die Stellenausschreibung für die Seelenschnüffler klang 2014 beängstigend: Sie sollten »hervorragende psychologische, soziologische, anthropologische, verhaltensökonomische bzw. verhaltenswissenschaftliche Kenntnisse« mitbringen. Die drei Experten arbeiten im Verborgenen. Sie sind die Vorstufe zu einer Nudging-Einheit der Regierung, wie es sie in den angelsächsischen Regierungen schon gibt.

Was aber ist »Nudging« überhaupt? Werfen wir einen Blick in Merkels Zukunft, eine Kuschelrepublik der gelenkten Deutschen. Offenbar ein Traum unserer Kanzlerin. 2016, der Bundestag verabschiedet ein neues Gesetz zur Organspende. Keine Sorge, niemand wird uns zwingen. Bisher musste aber jeder sagen: »Ja, ich will spenden« – jetzt ist automatisch jeder Spender.

Wer das nicht will, muss einfach nur »Nein« sagen. Kein Problem, glauben Sie? Dann ab zur neuen Organspende-Behörde. Sagen Sie dort »Nein« und rechtfertigen Sie sich: »Warum wollen Sie kein guter Mensch sein? Wir wissen, dass niemand gerne an die Sterblichkeit denkt, schon gar nicht an die eigene. Wären Sie aber nicht dankbar, falls Ihr Leben durch so eine Spende gerettet wird? Geben Sie anderen doch auch diese Chance!«

Der Staat verbietet nicht mehr, er lenkt uns

Durch unser schlechtes Gewissen fällt das »Nein« immer schwerer. Geschäftstüchtige Ärzte freuen sich dafür über viele neue Organspender. Das ist also Nudging. Hinter der niedlichen englischen Vokabel (»Anschubsen«) lauert die sanfte Manipulation. Unsichtbar und hinterhältig setzt der Staat entspannt seinen Willen durch.

Genau das macht diese Methode so effektiv: Wer psychologische Verhaltensforschung einsetzt, braucht keine Verbote mehr. Die sind durch demokratisch garantierte Freiheitsrechte ohnehin nur schwer durchzusetzen. Der Staat lenkt seine Bürger, indem er unsere Auswahlmöglichkeiten manipuliert und die Standardeinstellung ändert.

Wir wollen, was man uns gibt

Dazu wieder ein Beispiel aus den USA, die bereits im Nudging-Fieber sind. Dort haben die Bundesstaaten Pennsylvania und New Jersey ihren Bürgern zwei Autoversicherungen angeboten. In New Jersey war die billigere Variante der Standard, die meisten Bürger nahmen diese. In Pennsylvania war aber die teurere Variante Standard und trotzdem griff die Mehrheit zu. Psychologen konnten also beweisen: Wir wollen, was man uns gibt. Hauptsache, wir müssen uns nicht entscheiden.

Das bricht alle Dämme gegen die Manipulation. Wir neigen also zum festgelegten Standard. Zwar gibt es noch das trügerische Gefühl von Freiheit, man könnte ja anders wählen. Doch das wollen nur wenige, weil Widersprechen Kraft kostet. »Wer denn wirklich die Mousse au Chocolat haben will, kann sie bekommen, wenn er unter die Rückseite des Tresens greift.« Lieber lassen wir uns in die »richtige« Richtung schubsen. Doch Nudgen ist mehr als das, es ist auch eine sanfte Form der Brutalität.

Ein Brief vom Finanzamt lobt die Steuermoral der Nachbarn

Sie öffnen den Briefkasten. Darin ein Brief vom Finanzamt, der die Steuermoral Ihrer vorbildlichen Nachbarn lobt. Ist das ein Wink mit dem Zaunpfahl? Eine Drohung? Ein Bluff? Angstschweiß läuft über Ihre Stirn. Sie sinken auf dem Sofa zusammen: »Was wissen die? Soll ich mich lieber selbst anzeigen?« Diese Zweifel werden nagen, bis Sie es nicht mehr aushalten.

Was nach Utopie klingt, ist in Großbritannien längst Realität. Die Finanzämter auf der Insel verschicken diese Psycho-Briefe und schubsen so die Bürger in die gewünschte Richtung. Die Zahl der Selbstanzeigen steigt. Woher die Ideen zu so etwas kommen? Bereits 2010 gründete Premier David Cameron eine Nudging-Einheit für seine Regierung. Keiner spricht darüber, sie ist ihm direkt unterstellt. 2008 ließ sich Barack Obama im Wahlkampf von 30 Verhaltenspsychologen eine Kampagne maßschneidern.

Nudging ist das politische Werkzeug der Wahl für jeden Politiker und dessen Botschaft: »Du musst dich ändern!« Obamas Psychologen fanden darauf eine Antwort: »Yes, we can!«. Auch im Weißen Haus arbeitet schon lange eine Nudging-Einheit, das »Office of Information and Regulatory Affairs«.

»Liberaler Paternalismus« – ein paradoxer Doppelpack

Der Vater der entspannten Manipulation heißt Cass Sunstein. Der Harvard-Professor war Direktor von Obamas Nudging-Einheit und hat den »liberalen Paternalismus« geprägt. Diese Ideologie ist der paradoxe Unsinn hinter dem harmlos niedlichen Wort »Nudging«. Freiheit und Bevormundung kann es nicht im Doppelpack geben, deshalb ist der »liberale Paternalismus« ein Widerspruch in sich.

Befehle und Strafen sind zwar überholt, trotzdem soll der Mensch zur willenlosen Marionette werden. Durch den »Nudge«, also den sanften Schubs, sollen wir glauben, dass wir wollen, was wir sollen. Das anstrengende Denken hat man uns ja abgenommen. Was stört es da noch, dass unsere Entscheidung manipuliert war?

Ohne Ausweg: Der Mensch soll vor sich selbst beschützt werden

Offenbar eine Menge. Die USA leiden seit Jahren unter dem Nudging, die Republikaner beschimpfen Obama als »elitären Big Brother«, der einen »Nanny-Staat« schafft. Wirklich frei sei nur der, der auch unvernünftig handeln darf.

Hier beginnt das eigentliche Problem: In Sunsteins »liberalen Paternalismus« diagnostiziert der Staat bei seinen Bürgern unerwünschtes Verhalten, das therapiert werden muss. Wir selbst sind demnach nicht in der Lage, in unserem eigenen besten Interesse zu handeln. Der Mensch muss also vor sich selbst beschützt werden. Wollen Sie unter einer solchen Ideologie leben? Es gibt nämlich keinen Ausweg: Vater Staat sagt seinen Kindern nicht, dass sie unvernünftig sind oder falsch handeln. Er will sie auch nicht verbessern. Stattdessen nutzt er unsere Entscheidungsschwäche gegen uns. Der gefügige Musterbürger wird sowieso zur richtigen Entscheidung getrieben.

Auf dem Irrweg in die Technokratie

Der Kernpunkt ist: Wer legt fest, was richtig und vernünftig oder was falsch und unvernünftig ist? Psychologen und akademische Experten, die niemand gewählt hat, die im Verborgenen arbeiten, die keiner demokratisch kontrolliert. Das ist der Irrweg, auf dem die Politik ist. Sie legt den Willen des Volkes in die Hände von Technokraten und schafft sich damit schlussendlich sogar selbst ab. Merkels Kuschelrepublik wird am Ende ein riesiges Sanatorium mit Dauerbetreuung. Die Deutschen enden als dressierte Hausschweine. Zeigen Sie dem Nudging von Anfang an die Stirn. Der »Veggieday« der Grünen war nur ein Vorgeschmack. Lassen Sie so etwas nicht zur Erfolgsstory werden. Es drohen am Ende mehr als nur schnitzelfreie Tage für die Gesundheit. Der Staat wird nämlich dann unsere Interessen nicht mehr vertreten, sondern ändern!

Die Gegenstrategien

Die wichtigste Regel: Der Staat ist nicht ihr väterlicher Freund. Er ist eine Institution, die Macht und Freiheit entzieht, um sie dann neu zu verteilen – nach seinen Regeln. David darf aber nie nach den Regeln Goliaths spielen, wenn er gewinnen will. Kommt der Riese mit dem Schwert, greifen Sie zur Schleuder und bleiben auf Distanz. Machen Sie Ihre eigenen Regeln, spielen Sie nicht mit. Wer kein Musterbürger ist, den kann man nicht manipulieren!

Leben Sie unvernünftig. Klar, wer nicht raucht, könnte am Ende ein paar Jahre länger leben. Was nützt Ihnen das aber, wenn Sie schon mit 28 Jahren im Bus einen Hang hinunterrollen? Exitus, bevor Ihre Abstinenz Früchte tragen konnte. Sie hätten also ruhig als Kettenraucher sterben können. Das Leben ist unberechenbar, lassen Sie sich nicht durch Technokraten, Politiker und selbsternannte Experten formen. Der Preis dafür ist zu hoch: Sie geben die Macht über sich selbst ab.

Willenskraft ist eine Batterie, die man leersaugen kann

Entziehen Sie sich, bleiben Sie ruhig – geradezu stoisch. Ihre Willenskraft ist eine Batterie, die man leersaugen kann. Das passiert dem, der eine Entscheidung nach der anderen treffen muss. Nehmen Sie keine unverlangten Ratschläge an. Überhören Sie die guten Gründe. Wir sind darauf geeicht, alles zu akzeptieren, was begründet wird – selbst wenn das bei näherer Betrachtung Unsinn ist.

Apropos: Statistiken sind bei Regierungen so beliebt, weil wir unsere Umwelt ständig beobachten. Was ist normal, was ist die Meinung der Mehrheit, was ist der Durchschnitt? Wer aus dem Rahmen fällt, riskiert etwas. Statistiken erzeugen also vor allem ein schlechtes Gewissen. Statistiken sind scheinbar neutral, wahr und definieren den Mittelwert – einen Musterbürger, der aber bloß ein Trugschluss ist. Selbst, wenn der Fluss im Schnitt nur einen Meter tief ist, ertrinken Sie dort, wo er zehn Meter in den Abgrund reicht. Der Durchschnitt sagt nichts über die Verteilung der Extreme aus.

Warum Informationen wertlos sind

Leben Sie mit einem Minimum an Informationen. Mit mehr treffen Sie auch keine besseren Entscheidungen. Natürlich wollen wir alles wissen. Deshalb lesen wir Horoskope und befragen Trendgurus, hören auf den Rat von Experten. Trotzdem bleibt die Zukunft offen. Wir können nur orakeln, was passiert, wenn alles so bleibt, wie es ist. Die Antwort darauf bleibt wertlos. Weil nichts so bleibt. Tausende Ökonomen, Regierungen, Autoren und Wahrsager konnten die Finanzkrise 2008 nicht sehen, weil so etwas noch nicht da war. Wir leben im digitalen Informationszeitalter – aber davon sind 99 Prozent wertloser Müll!

Gerade diese gefühlte Informationsallmacht speist den Größenwahn der Technokraten. Experten dürfen Dank des Nudgings jetzt Politik machen. Experten sezieren uns wie Laborratten in einem Experiment. Experten bestimmen, was vernünftig ist – und was unvernünftig. Warum dürfen die das? Weil wir ihnen das zutrauen. Sie sind Fachidioten. Grandios auf einem einzigen Gebiet, uns mit ihrem Wissen dort überlegen. Also legen wir unser Schicksal in ihre Hände?

Was Technokraten alles nicht können

Aber sie werden scheitern. Wissen lässt sich nicht von einem Bereich auf einen anderen übertragen. Ein Weltklasse-Schachspieler kann bei allem anderen versagen und bleibt immer noch ein Meister im Schach. Ärzte rauchen, Beziehungs-Therapeuten sind oft ihre besten Kunden, Top-Manager können Unternehmen führen und versagen bei der eigenen Familie. 1990 bekam Harry Markowitz den Wirtschaftsnobelpreis für seine Theorie der Portfolio-Auswahl. Theoretisch beschrieb er das optimale Portfolio aus Aktien und Anleihen. Warum hat er dieses Wissen nicht auf sich selbst angewandt und damit viel Geld verdient? Er konnte es nicht. Der Transfer von der Wissenschaft in die wirtschaftliche Realität ging gründlich schief.

Wir überlassen denen jetzt das Regieren, die ihr Wissen in schöne Worte fassen – nicht den Praktikern und Tüftlern. Dabei wird in der Wissenschaft eine Welt im Kleinen nachgebaut, die es so nicht gibt. Sie ist einfacher, klarer als die Realität. Nur eine Theorie, die falsche Sicherheit vorgaukelt. Ein Blick in die Geschichte zeigt aber, dass nur Versuch und Irrtum die Menschheit voranbringt. Eine Art ständiges Krisenmanagement. Dafür braucht es keine Technokraten.

Weshalb ein Experte seinen eigenen Unsinn liebt

Diese »Experten« haben noch einen weiteren Nachteil – ihren Tunnelblick. Ein Ökonom betrachtet die Welt immer durch die ökonomische Brille. Probleme wird er immer ökonomisch lösen wollen. Genau, wie auch ein Psychologe oder ein Mediziner nicht aus seiner Haut kann. Experten auf ihrem Gebiet bleiben oft blind für Alternativen. Wer mit dem Hammer arbeitet, für den ist jedes Problem ein Nagel.

Misstrauen Sie aber nicht nur den Experten, misstrauen Sie auch dem Fachwissen. Was uns als unumstößliche Wahrheit verkauft wird, ist oft nur die akademische Resterampe. 2000 Jahre lang, bis ins 19. Jahrhundert, haben Ärzte ihren Patienten literweise das Blut abgeschröpft.

Entweder konnte der Patient die eigentliche Krankheit besiegen – oder er ist am Aderlass gestorben. Die Ärzte waren nutzlos. Sie haben wider besseres Wissen gehandelt – das zeigten ihnen Kranke, die nicht in ihre Fänge gerieten und ohne Aderlass wesentlich schneller gesund wurden.

»Ich habe eigentlich keine Ahnung«

Trotzdem hielten die Mediziner an ihrer unsinnigen Theorie fest. Warum? Weil sie keine bessere hatten. »Ich habe eigentlich keine Ahnung.« Darf ein Experte so etwas sagen? Nicht, wenn er Experte bleiben will. Auch jetzt halten Regierungen und Zentralbanken an der ökonomischen Theorie der Geldmengensteuerung fest. Dabei wissen die meisten Experten: Es wirkt nicht. Sie kennen aber keine bessere Alternative.

Wenn Experten Idioten sind, ihr Wissen nutzlos, dann wollen sie vielleicht sogar das Beste für die Menschheit, aber können sie es auch? Nein, weil ihnen der Mensch ein Rätsel bleibt. Er ist zu komplex, um in die Welt der wissenschaftlichen Modelle gepresst zu werden. Zumindest so lange, bis es eine »Universaltheorie« gibt, die alles erklärt. Wie können sich einzelne akademische Disziplinen anmaßen zu sagen, was gut für alle sein soll?

Sie sind mehr als eine genetische Programmierung

Sie wissen nicht einmal, was gut für sie selbst ist. Mathematikprofessor Barry Mazur konnte sich nicht zwischen Stanford und Harvard entscheiden. Er bekam den Rat, doch eine Liste aller Vor- und Nachteile aufzustellen, mit Berechnung des erwarteten Nutzens. Das war die ganz klassische Entscheidungstheorie. Seine Antwort: »Ich bitte dich, […] das hier ist eine ernste Angelegenheit!« In der Praxis funktioniert so etwas schon deshalb nicht, weil niemand alle möglichen Vor- und Nachteile kennt – auch nicht die Technokraten.

Das waren nur ein paar Anregungen, die Ihnen die Freiheit zurückgeben können. Es lohnt sich, die Dinge infrage zu stellen. Sie sind nicht hoffnungslos unvernünftig, Sie sind mehr als eine genetische Programmierung. Sie müssen nicht sein, was »die« wollen.

Quelle: http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/peter-harth/merkels-geheime-psycho-keule-so-wehre-ich-mich-gegen-nudging-.html

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