2019-09-07

Heike Kühnemund: Erneutes Sterben


Das Gefühl heute morgen (ca. 4.00 Uhr) war echt ätzend, um nicht zu sagen, es fühlte sich an wie sterben. Alles schien grau, aussichtslos, sooo anstrengend, dass ich meinte, es (diesen Moment, das was kommt) nicht bewältigen zu können. Ich fühlte mich so überfordert und wusste nicht, wie ich das überstehen soll bzw. ob ich diesen Tag überhaupt beginnen will.

Erst jetzt (ca. 14.00 Uhr) kann ich all das beschreiben. Das ging auch noch so flüssig, dass ich selbst kaum folgen konnte. Und hier sind meine Tagebuchaufzeichungen von eben:

„Jedes bißchen von Außen bringt mich aus meiner mühsam errichteten Balance. Das ist so heftig, dass mich Verzweiflung übermannt. Ich habe keine Ahnung mehr, worum es überhaupt noch geht. Ich kann nur noch alles loslassen und mich mitreißen lassen. Sehe einen Strudel, der mich zu verschlingen droht und höre gleichzeitig ein glockenhelles Lachen in mir, das mir signalisiert, dass all das eine Illusion ist. Noch mehr Verwirrung, weil … ich spüre es doch aber, bis zum Kern, bis zum Urgrund!

Die Stimme sagt: „Schau genau hin, fühle, was da ist! Das bist zwar auch du, doch nicht nur. Es sind ur-, uralte Felder, Muster, Themen, die du schon ewig mit dir herum trägst. Sie geben dir eine gewisse Sicherheit und gaukeln dir vor, dass du sie weiter festhalten sollst.

Ist dem so? Was, wenn du jetzt los lässt, dich fallen lässt, aufgibst, wissen zu wollen, was gerade geschieht? Was ist, wenn du einen Moment lang ganz still wirst, dich nach Innen begibst und schaust, was sich dort zeigt?“

„Sprich die Worte: Ich gebe auf! Ich lasse los was mich bindet und was ich bis jetzt festzuhalten versuchte! Und fühle, was das mit dir macht. Was geschieht?“

Ich spüre sofort Berührung im Herzen, so, als würde ich mich selbst umarmen. Ich sehe eine Blume, eine Rose, sich entfalten. Sie wächst langsam, bedächtig und verströmt ihren zarten Duft und streckt mir ihre Blüte entgegen.

Die Stimme schmunzelt: „Lass alles zu, was gerade geschieht, doch vor allem halte nichts fest. Auch nicht die schmerzhaften, verwirrenden Gefühle, auch nicht das Schöne, was eben geschah. Jeder Moment ist Leben, auch jetzt, auch vorhin, auch nachher. Doch nur, wer sich diese Momente aneinander reihen lässt, wer freigibt, was frei sein will, wer zulässt, dass sich Leben entfalten darf, aus dem Moment heraus, der ist wirklich frei!“

„Deshalb noch einmal: Nimm an, was ist! Es gehört zu dir! Es darf sein und es wird sich auch wieder ändern! Denn du bist dabei, genau das zu tun: du änderst deine innere Haltung, deine Sicht auf die Dinge. So wächst du. So erweiterst du dein Bewusstsein. So kommst du deinem inneren Wesen näher. Trau dich! Stell dich dem Schmerz, der Angst, der vermeintlichen Ausweglosigkeit!

Nur so wird der Weg frei – zu dir!“

Die Stimme hält inne. Ich atme aus, habe ich doch auch fast atemlos innegehalten. Ich sehe, wie wir beide uns die Hände reichen. Ich spüre die Wahrheit hinter all den Worten. Und ich gebe mir ein Versprechen: Ich will frei sein, loslassen, vertrauen … auch wenn das immer wieder heißt, auch den Rest Schmerz zu durchfühlen, mich zu verlieren und in der Verwirrung zu versinken. Auch wenn es heißt, erneut zu sterben. Doch ich weiß jetzt, in mir ist ein Teil, der all das verfolgt, der mich erinnert und liebend da ist.

Und so schließt das „Fenster“ zu meinem „Ich“ … für den Moment …“

Soweit zu dem, was eben aus mir heraus floss und was ich zeitgleich sah und fühlte. Vielleicht hilft es dir, wenn du ebenfalls in dieser Tiefentransformation oder Neugeburt oder alles umfassenden Veränderung bist. Wie auch immer man das nennen mag, was in diesen Tagen geschieht, es geht an Grenzen. Es bringt einen dazu, immer wieder aufzugeben. Es verwirrt und schleudert einen herum. Die Emotionen kochen hoch, überrollen einen, durchdringen jede Zelle. Der Körper bittet verzweifelt um Rücksicht und muss doch irgendwie mit. Das ganze System schreit nach Rückzug und Ruhe, nach Innehalten und wünscht sich sehnlichst einen Hoffnungsschimmer am Horizont …

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