Selbstliebe ist ein Thema, das viele Menschen als schwierig erachten. Dabei ist es im Grunde nicht schwer, sich selbst zu lieben oder ein starkes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Man muss nur etwas ganz Essentielles beachten. Etwas so Simples, dass es die meisten Menschen übersehen.
von Nina Nell
Selbstliebe ist das wohl wichtigste Gefühl, um sich ein glückliches, erfülltes Leben zu erschaffen. Ohne Selbstliebe scheitern wir an den grundlegendsten Dingen. Im Alltag sowie auch bei der Erfüllung unserer großen Wünsche. Wenn wir es uns nicht wert sind, glücklich zu sein, werden wir immer in der Komfortzone des Unglücks verharren und immer wieder das erleben, was unserem Selbstwertgefühl entspricht.
In unserer Gesellschaft gibt es ein großes Problem: Den Menschen wird nicht beigebracht, sich selbst zu lieben. Stattdessen lernen wir, dass wir uns Liebe, Anerkennung, Wertschätzung usw. verdienen müssen. Anerkennung bekommen wir nur durch Leistung – so, als wäre es eine Ware, die getauscht wird. Das ist eine große Krankheit in unserem System. Uns wird von Anfang an suggeriert, dass wir nicht gut genug sind, dass wir Leistung erbringen müssen, um uns das zu verdienen, was so essenziell und grundlegend wichtig ist. Liebe. Wertschätzung. Anerkennung.
Unsere Selbstliebe ist nicht abhängig von äußeren Faktoren
Die kindliche Selbstliebe, mit der wir auf die Welt kommen, wird uns schnell abtrainiert. Je älter wir werden, umso mehr wird uns beigebracht, dass der Wert des eigenen Selbst von äußerlichen Dingen abhängt: Aussehen, gesellschaftlicher Status, Wohlstand, materielle Güter, Beruf und Karriere, Leistung, Wissen, Schulabschluss, Noten, akademischer Grad, Rasse und Kultur, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, IQ, Talent usw. So wird uns beigebracht, dass Selbstwert etwas ist, dass erworben werden kann und muss. Und wenn wir all das nicht haben, das nach Meinung der Gesellschaft unseren Wert ausmacht, fühlen wir uns minderwertig. Scham und Schuld entwickeln sich in uns und es entsteht der Glaube, dass wir all die schönen Dinge des Lebens nicht verdient haben – weil wir nicht gut genug sind.
Dieser Glaube entsteht auch, wenn wir als Kinder keine Liebe und Wertschätzung bekommen. Oder wenn stattdessen Missachtung geschieht oder Missbrauch. All das verdrängt und überschattet die ursprüngliche Selbstliebe, die uns allen inne wohnt. Und das führt dazu, dass wir glauben, uns Glück verdienen zu müssen. Dass wir erst glücklich sein dürfen, wenn wir die Anforderungen dafür erfüllen, also wenn wir wertvoll genug sind. Aber diese Anforderungen werden wir nie erfüllen können, denn das System hat uns eine Lüge beigebracht. Es ist die Lüge, dass unser Wert gemessen werden kann.
Selbstwert kann nicht gemessen werden
Etwas messen zu können, bedeutet, dass es Grenzen hat. Grenzen innerhalb derer sich der Messwert befindet. Es ist dieselbe Illusion, der wir beim Thema Polarität auf den Leim gegangen sind: Maßeinheiten und Bewertungen in Gegensätzen von gut und schlecht, die wir auf uns selbst anwenden. Doch unser Wert kann in Wirklichkeit nicht gemessen werden. Er ist jenseits irgendeiner Maßeinheit oder Wertvorstellung. Und vor allem ist er nicht von irgendetwas abhängig.
Nun sind wir in diesem System groß geworden und müssen erst lernen, was es heißt, sich selbst zu lieben und wertzuschätzen. Wir müssen Selbstwert entwickeln (oder uns daran erinnern), weil wir sonst immer in den Grenzen unseres angelernten Nicht-Selbstwertes herumdümpeln. Denn dieser nicht vorhandene Selbstwert spiegelt sich natürlich im Außen und zeigt uns immer wieder von neuem, dass wir es scheinbar nicht verdient haben, glücklich zu sein.
Glück und Liebe müssen nicht verdient werden
Das ist jedoch ein Irrglaube. Denn Glück muss man sich nicht verdienen. Genauso wenig wie Selbstwert, Liebe, Anerkennung und Wertschätzung. Unser Selbstwert ist unabhängig von irgendetwas oder irgendwem und nicht messbar. Und Glück ist unser Geburtsrecht. Denn was ist denn Glück? Glück bedeutet, das Leben zu genießen und frei zu leben. Deswegen sind wir hier. Wir sind nicht geboren, um vor uns hin zu leiden, bis wir diesen Planeten wieder verlassen. Die ursprüngliche, natürliche Triebkraft jeder Lebensform ist Entfaltung. Und Entfaltung geschieht durch Glück und Freiheit.
Das System, in das wir hinein geboren wurden, hat uns beigebracht, dass wir uns dieses Glück und diese Freiheit verdienen müssen. Dass wir nicht genug sind. Aber wie könnte ein Wesen, das in dieses unendliche Universum hinein geboren wurde, nicht genug sein? Es ist von diesem Universum erschaffen worden. Es muss sich das Leben nicht erst verdienen – es IST das Leben.
Zu diesem Selbst-Bewusstsein müssen wir zurückkehren. Selbstliebe beginnt bei der Anerkennung des eigenen Selbst – mit allen (scheinbaren) Fehlern. Wir müssen mit der Akzeptanz all dessen beginnen, was wir sind – ohne zu urteilen, ohne zu bewerten. Wir müssen uns das Verständnis, die Fürsorge, die Liebe, Anerkennung und Wertschätzung entgegen bringen, die wir vermisst haben. Und das braucht Zeit und Geduld. Doch es ist so wichtig, wie nichts Anderes. Auf unserem Selbstwert ist unser ganzes Leben aufgebaut.
Merkmale selbstbewusster Menschen
Was ist der Unterschied zwischen einem selbstbewussten Menschen und einem Menschen, der ein geringes Selbstwertgefühl hat? Wenn man es auf einen gemeinsamen Nenner bringt, dann ist die Lösung einfach: Der Mensch mit dem geringen Selbstwertgefühl lehnt sich selbst ab, weil er glaubt, nicht richtig zu sein. Der selbstbewusste Mensch hingegen tut das nicht.
Es ist interessant und wichtig, sich das mal genauer anzusehen. Spricht man mit einem selbstbewussten Menschen, entdeckt man sofort ein sehr starkes Merkmal: Dieser Mensch hat nicht das Gefühl, auf irgendeine Art falsch zu sein. Und deshalb lehnt er sich auch nicht ab. Dieser Mensch hat gelernt, hinter sich selbst zu stehen – auch hinter seinen Fehlern. Er schämt sich nicht für seine Schwächen, sondern nimmt sie eher mit Humor. Er weiß, dass alles, was er ist, Ursachen hat und akzeptiert diese vollständig. Und nicht nur die Ursachen, sondern auch deren Auswirkungen: Die Schwächen/Fehler. Und das bedeutet, dass er sich seine Fehler auch eingestehen kann. Er ist durchaus in der Lage, sich zu entschuldigen, wenn er jemanden verletzt hat. Doch vor allem und zuallererst verzeiht er sich selbst.
Ein selbstbewusster Mensch ist nicht fehlerlos, makellos oder gar perfekt. Er hat genauso Schwächen, Ecken und Kanten wie jeder andere Mensch. Der Unterschied ist nur: Er akzeptiert diese vollständig! Er hat kein Gefühl von Scham oder Schuld, denn diese Gefühle resultieren aus der Vorstellung falsch zu sein. Wie kann aber etwas falsch sein, wenn alles Ursachen hat? Auch die Macken eines Menschen haben Ursachen. Sie sind also nicht falsch, sondern lediglich ein Fall von Ursache und Wirkung. Mehr nicht. Und das weiß ein selbstbewusster Mensch. Er weiß das so vollständig, dass es für ihn keinen Grund gibt, irgendetwas an sich abzulehnen. Natürlich kann er sich ändern, wenn er es für sinnvoll hält. Aber dazu braucht er keine Ablehnung.
Ein geringes Selbstwertgefühl ist nicht »falsch«
Ein Mensch hingegen mit einem geringen Selbstwertgefühl macht nur eine einzige Sache anders, als der selbstbewusste Mensch: Er glaubt, nicht richtig zu sein. Dieser Mensch hat nicht gelernt, dass er – so wie er ist – in Ordnung ist. Er hat gelernt, dass Dinge falsch an ihm sind. Dass seine Schwächen und Fehler falsch sind, dass Persönlichkeitsanteile, -merkmale, -eigenschaften falsch sind, dass irgendwas falsch an seinem Aussehen ist, an seiner Einstellung, seinem Denken, Fühlen, seinem Leben, seiner Vergangenheit, seinem Wesen … oder sonst irgendetwas. Diese Vorstellung, falsch zu sein, verursacht Scham- und Schuldgefühle. Und sie verursacht ein sehr geringes Selbstwertgefühl. Dieser Mensch hat den Eindruck, dass sein Selbstwert von all diesen Dingen abhängt, die ja falsch an ihm sind. Und er denkt, dass er sie erst richtig machen muss, um etwas wert zu sein.
Es entsteht ein starkes Unsicherheitsgefühl, Verlegenheit, Zurückgezogenheit und der Drang, sich selbst immer hinten anzustellen. Denn er scheint ja nicht so wichtig und bedeutend zu sein, wie all die anderen Menschen. Solch ein Mensch versucht es immer allen recht zu machen, weil er nicht abgelehnt werden will. Ablehnung fühlt sich für ihn tödlich an, denn er lehnt sich ja bereits selbst ab. Wenn das auch noch andere tun, bestätigt sich sein Gefühl und die Spirale des Nicht-Selbstwertes geht weiter abwärts. Zu allem Überfluss lehnt ein solcher Mensch nicht nur all seine scheinbaren Fehler und Schwächen an sich ab, sondern auch – und das ist das Schlimmste! – sein geringes Selbstwertgefühl. Er lehnt also nicht nur seine scheinbaren Schwächen ab, sondern auch sein nicht vorhandenes Selbstbewusstsein. Und er schämt sich dafür.
Die Folgen eines schwachen Selbstwertes
Dieses geringe Selbstwertgefühl ist ja erst dadurch entstanden, dass er seine „Schwächen“ ablehnt und sich dafür schämt. Und nun lehnt er auch noch das geringe Selbstwertgefühl ab. Er schämt sich also dafür, dass er sich schämt. Doch diesem Dilemma wird noch die Krone aufgesetzt! Wenn sich dieser Mensch nun entschließt, sein Selbstbewusstsein zu stärken, findet er zahlreiche Techniken, die – und jetzt kommt’s – darauf abzielen, ihn zu ändern! Die meisten Techniken wollen also das falsche geringe Selbstwertgefühl ändern bzw. löschen oder ausmerzen. Und stattdessen etwas Besseres installieren – nämlich ein starkes Selbstbewusstsein.
Schon wieder bekommt dieser Mensch den Eindruck, dass etwas an ihm falsch ist. Nämlich sein geringes Selbstbewusstsein. Und das muss gerändert oder gelöscht werden. Wieder lehnt er sich ab. Und das Problem wird, anstatt besser, nur noch schlimmer. Denn die Wurzel des Problems war ja ursprünglich die Vorstellung falsch zu sein. Wenn man nun Mühen auf sich nimmt, um etwas Falsches an sich auszumerzen und sich stattdessen etwas (scheinbar) Richtiges einzuhämmern, wird das Gefühl falsch zu sein nur noch größer.
Du bist richtig – sich selbst lieben können
Selbstliebe und Selbstbewusstsein beginnt bei dem Gefühl, richtig zu sein. Und das schließt ALLES mit ein. Auch das geringe Selbstwertgefühl. Man muss endlich von der Vorstellung loslassen, dass irgendetwas an einem verkehrt ist! Das geringe Selbstwertgefühl ist NICHT falsch! Es ist da, weil es Ursachen dafür gibt. Es ist da, weil einem beigebracht wurde, dass man falsch ist. DAS ist der Kern des Problems. Nicht das geringe Selbstwertgefühl. Das Problem ist die Vorstellung nicht richtig zu sein.
Um also ein Selbstwertgefühl aufzubauen und Selbstliebe sowie auch Selbstbewusstsein zu entwickeln, muss man einfach nur diese Vorstellung aushebeln. Sie ist nämlich der totale Irrsinn. Es gibt nichts Falsches. Alles hat Ursachen. Und wenn alles Ursachen hat, gibt es keine Fehler. Das geringe Selbstwertgefühl ändern zu wollen, ist also kontraproduktiv, weil es genau das Gegenteil bewirkt. Stattdessen muss man lernen, dieses geringe Selbstwertgefühl vollkommen anzunehmen und dahinter zu stehen! Anstatt sich zu schämen, sollte man »JA!« dazu sagen. Denn dann löst es sich von ganz allein auf, weil dann etwas beginnt, das dieses geringe Selbstwertgefühl aushebelt: Das Gefühl richtig zu sein!
Da ist nichts falsch an einem. Genau das ist die Kernaussage der ersten Spielregel von »Euphoria«. Der vollständigen Akzeptanz all dessen, was ist. In »Euphoria« werden keine Glaubenssätze geändert, sondern ein 100%iges Hinter-sich-selbst-stehen kultiviert. Es muss nichts geändert werden, denn es gibt nichts Falsches an einem! Wenn man das vollständig erkennt und bejaht, lösen sich die alten Glaubenssätze von allein auf. Sie verlieren nämlich ihre Grundlage und Substanz. Wenn man 100%ig hinter sich selbst steht (auch hinter den dummen, alten Glaubenssätzen), ist das Selbstbewusstsein bereits da. Man ist sich seiner Selbst bewusst. Vollständig. Und damit beginnt das Selbstwertgefühl. Hinter sich zu stehen, stärkt das Gefühl richtig zu sein. Und auf einmal ist die Selbstliebe wieder da, die all die Jahre verschüttet unter all der Ablehnung lag.
Über die Autorin:
Nina Nell schreibt seit 2009 spirituelle Romane und Sachbücher über das Gesetz der Anziehung, Bewusstseins- und Persönlichkeitsentwicklung. Besonderes Augenmerk legt sie dabei auf die Macht der Gefühle und bietet unterstützend seit einigen Jahren auch Meditationsreisen und Kurse an.
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