2018-04-07

Diese Leute bereiten sich auf den Tag vor, an dem Geld bedeutungslos sein wird


Gefunden auf humansarefree.com; übersetzt von Taygeta

Die Unterstützer des Venus-Projekts stellen sich eine Welt des Überflusses vor, in der die Automatisierung fast alle Jobs überflüssig macht, und in der die Waren und Dienstleistungen allen Menschen frei zugänglich sind. Man könnte sie Träumer oder Sozialisten nennen, aber auf ihre Kritik am bestehenden Wirtschaftssystem sollte man hören.

90 Jahre sind vergangen, seit der verrückte Wissenschaftler Rotwang im futuristischen Film Metropolis einen Roboter erfand, um Menschen zu ersetzen, und die Menschen der Stadt rebellierten gegen ihn und töteten ihn, aber auch heute noch scheinen sehr viele Leute die grosse Sorge des Regisseurs und Drehbuchautors Fritz Lang jenes Films zu teilen.

Es stimmt, dass niemand morgens mit der Angst aufstehen muss, entlassen und durch einen Roboter ersetzt zu werden. Aber sind wir da nicht etwas selbstzufrieden? Schliesslich ist dieser Prozess schon voll im Gang.

Vielleicht sollten wir uns nicht vor einer Zukunft ohne Arbeit fürchten, sondern die damit verbundenen Veränderungen begrüssen. Dies jedenfalls laut demVenus Project, einer gemeinnützigen Organisation, die eine Überprüfung unserer Sozialsysteme fordert und verlangt, dass sie entsprechend den inzwischen erworbenen Erkenntnissen aktualisiert werden.

„Wir arbeiten heute mit Wirtschafts- und Sozialsystemen, die mehr als 200 Jahre alt sind – wie Kapitalismus, Demokratie und britischem Recht – aber in diesen 200 Jahren hat sich das menschliche Wissen dutzende Male vervielfacht, und diese Systeme wurden kaum aktualisiert“, erklärt Jonathan Gan-Mor, der Sprecher der Venus-Organisation in Israel.

Eine der Grundideen der Organisation ist der Übergang von einer auf Knappheit basierenden Wirtschaftsordnung, die heute in den meisten Teilen der Welt praktiziert wird, zu einer auf Wohlstand basierenden Wirtschaft.

Gan Mor erklärt:

„Wenn es draussen Gold regnen würde, würden alle rennen und das Gold einsammeln. Aber wenn dieser Regen drei Jahre lang anhalten würde, würden die Leute das Gold aus ihren Häusern wegschaffen – denn es wäre wertlos geworden. In einem Zustand des Überflusses haben Produkte keinen monetären Wert und können nicht zu Profiten gemacht werden.

Die heutigen Produktionsmittel erlauben es uns, in solchen Mengen zu produzieren, dass die meisten Produkte wie solches Gold sind; sie sind in fast allen Bereichen reichlich vorhanden. Aber das gegenwärtige Wirtschaftssystem verschwendet eine Menge Ressourcen und verursacht eine Menge Umweltverschmutzung.“

Der Gründer der Organisation, Jacque Fresco, war ein Industriedesigner und Zukunftsforscher, der sich als „Sozialingenieur“ bezeichnete. Er wurde 1916 in New York geboren, und in der Wirtschaftskrise von 1929 war er ein kleiner Junge.

Er sah Menschen Schlange stehen für Brot und Arbeit, und es gab leere Fabriken und viele Geschäfte, die Produkte anboten, die niemand kaufen konnte.

„Es wurde ihm klar, dass etwas nicht richtig funktioniert“, sagt Gan Mor. „Es gibt Menschen, es gibt Produkte, es gibt Produktionsmittel – aber kein Geld. Dies veranlasste ihn, tief nachzudenken und das System des Venus-Projekts zu entwickeln: eine ressourcenbasierte Wirtschaft.“


Was ist eine ressourcenbasierte Wirtschaft (RBW)?

„Es ist dies ein Wirtschaftssystem, das eine konzeptionelle Verschiebung darstellt, von einer Situation, in der wir denken, dass wir Dinge nur mit Hilfe von Geld aufbauen können, zu einer Situation, in der wir verstehen, dass zum Bau und zur Herstellung von allen Dingen Ressourcen und technologisches Wissen benötigt werden.

Wenn ich Holz, Werkzeug und Know-how habe, kann ich ohne Geld einen Tisch bauen, aber wenn ich auf dem Mond bin mit einem Koffer mit einer Million Dollar, aber keine Ressourcen zur Verfügung habe, dann kann ich keinen Tisch bauen“.

Fresco verbreitete seine Ideen durch Filme, Bücher und Vorträge und stellte auch Modelle für seine Vision einer futuristischen Stadt auf, die er im Venus Project Center in Florida zu bauen begann.

„In den 1980er Jahren wurden dort zehn Gebäude auf relativ billigem Land gebaut“, sagt Gan Mor. In Florida gibt es Modelle für Wohngebäude, Transport und Landwirtschaft für die zukünftige Stadt.

„Sie nahmen ein abgelegenes und unbebautes Gelände und verwandelten es in einen schönen Dschungel, bauten alles mit einem sehr niedrigen Budget, ohne Profis. Die Touren finden einmal pro Woche in Venus, Florida statt. Fresco hat die Touren selbst geführt, bis er im Mai letzten Jahres im Alter von 101 Jahren verstarb“.


Wie kam das Projekt nach Israel?

„Im Jahr 2008, nach der Finanzkrise, wurden viele Protestbewegungen auf der ganzen Welt initiiert, und es erhielt auch dieses Projekt viel Aufmerksamkeit. Es wurden über Skype Gespräche mit Fresco geführt, und durch die Proteste im Sommer 2011 (den grössten sozialen Protesten in der Geschichte Israels) erhielten wir starke Impulse. Die Kernfreiwilligen des israelischen Teams haben seitdem sehr hart daran gearbeitet, das Projekt möglichst vielen Leuten bekannt zu machen.

Wir sind gerade dabei, unsere Ideen in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Wir halten Vorträge in Gymnasien, in Young Leadership Schools, Jugendbewegungen und Bildungsseminaren. Wir produzieren und vertreiben Videoinhalte und Referate. Wir übersetzen auch Materialien, um sie der israelischen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“

Gan Mor, 31, hat einen B.A. in Wirtschaftswissenschaften der Universität Tel Aviv, und bevor er dem israelischen Team des Projekts beitrat, arbeitete er für eine Reihe von Unternehmen, die sich mit Anleihen, Währungen und Rohstoffen beschäftigen.

„Ich verwaltete Anlageportfolios in Millionenhöhe, verfolgte Aktienkurse und las viele Jahre lang täglich Wirtschaftszeitungen“, sagt er, „und ich fand keine Grundlage für die Annahme einer Knappheit, auf der die gesamte moderne Weltwirtschaft beruht, einer Annahme, dass die menschlichen Wünsche endlos sind, aber die Ressourcen der Welt begrenzt“.

Diese Hypothese spiegelt nicht die aktuelle wirtschaftliche Realität wider:

Bis zur industriellen Revolution bestand das Hauptproblem der Wirtschaft darin, genug zu produzieren. Es gab eine echte Knappheit (im Gegensatz zur künstlichen Knappheit), da die gesamte Produktion auf Handarbeit beruhte.

Aber seitdem haben sich die Produktionsmittel enorm verändert. Von einer Situation, in der fast jeder in der Landwirtschaft tätig war, sind wir zu einer Situation übergegangen, in der fast niemand mehr in der Landwirtschaft tätig ist – und wir haben mehr Nahrungsmittel zur Verfügung als je zuvor.

Wir begannen, die Knappheit selber zu erzeugen – damit das System weiter funktionieren konnte. Eine erste Möglichkeit, dies zu tun, besteht darin, Produkte zu zerstören, und eine zweite Möglichkeit liegt darin, eine begrenzte Anzahl von Produkten im Voraus zu erstellen (Limited Editions). Der dritte Weg ist die geplante Obsoleszenz – die Herstellung von Produkten mit einer vorbestimmten beschränkten Lebensdauer (damit die Güter vorzeitig unbrauchbar werden), was den Verbraucher dazu bringt, mehr zu konsumieren.“

Was muss geändert werden?

Wir brauchen ein anderes ‚Betriebssystem’. In Thailand gibt es zum Beispiel einen manuellen Wäscheservice, der mit manuell arbeitenden Wäschern arbeitet. Wenn der Besitzer des Waschsalons eine Waschmaschine kaufen würde, müsste er die Wäscher entlassen. Aber was geschah in den 1950er Jahren, als wir anfingen, Waschmaschinen in unseren Häusern zu verwenden? Wir wurden nicht verletzt. Im Gegenteil, wenn ich eine Waschmaschine habe, muss ich zu Hause weniger hart arbeiten. Das Venus-Projekt bietet ein Wirtschaftssystem, das eher demjenigen ähnelt, das wir zu Hause verwenden. Statt alle Untergebenen wegen der neuen Maschine zu feuern, arbeiten sie einfach weniger.

Aber warum sollten Menschen in Zukunft arbeiten?

„Wir schlagen einen umfassenden Ansatz vor, der nicht nur ein neues Wirtschaftssystem, sondern auch eine neue Gesellschaft mit neuen Werten einschliesst. Beispielsweise muss sich das Bildungssystem ändern. Heute ist es für die meisten Kinder nicht mehr geeignet. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt als privater Mathelehrer für Gymnasiasten, und wenn ich sie nach ihren Lieblingsfächern frage, lautet die übliche Antwort: Sport, freie Zeit und Pause. In der ersten Klasse antworteten die Schüler noch auf eine Vielzahl von Fragen, weil ihre Neugier und ihr Wunsch zu lernen noch nicht ausgerottet ist. Vielleicht liegt es in der menschlichen Natur lernen zu wollen. Die meisten Menschen gehen davon aus, dass die menschliche Natur entweder faul oder begehrend ist. Aber es ist dies nur die Natur unseres heutigen Systems, in dem wir leben.“

Das Venus-Projekt hat keine Angst vor der Automatisierung auf dem Arbeitsmarkt.

„Die Automatisierung wird alle technischen Arbeiten ersetzen, und dann werden die Menschen mehr Freizeit haben, und es wird freie Musikzentren, freie Kulturzentren, freie Sportzentren, freie Universitäten geben„, sagt Gan-Mor und erinnert sich an das bestehende Modell einer öffentlichen Bibliothek: So wie ein Buch in der Bibliothek ausgeliehen, gelesen und dann wieder zurückgegeben werden kann, so werden wir auch viele weitere Zugangszentren nutzen können, in denen Produkte und Dienstleistungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Bei einer solchen Methode hat man zehnmal mehr Artikel zur Verfügung, ohne auch nur einen weiteren zu produzieren.

Diese Ideen mögen utopisch, ja naiv klingen, aber Gan-Mor betont, dass sie von einem gut geplanten und realisierbaren Plan getragen werden.

„Die Veränderungen, die wir vorschlagen, sind zuerst intellektueller Art (so, wie wir denken), und diese Veränderungen müssen als Gesellschaft vorgenommen werden“, sagt er. „Wir schlagen vor, mit einem kleinen Forschungszentrum zu beginnen – einer Stadt mit etwa 30.000 Einwohnern, die automatische Produktionssysteme und Dienstleistungen für die Öffentlichkeit, wie z.B. öffentliche Verkehrsmittel, austesten.

Es wird dann möglich sein, Führer aus der ganzen Welt einzuladen, um sich den Ideen zu stellen und vielleicht solche Städte in ihren eigenen Ländern zu gründen – und sie werden sich dann von dort aus weiter verbreiten.“


Warum wendet man sich nicht an Menschen, die die Mittel haben, um ein solches System zu starten?

„Wir versuchen schon, solche Menschen zu erreichen, aber es ist schwierig, weil wir nicht die richtigen Verbindungen oder genug Geld haben. Also versuchen wir, die Gemeinschaft zu vergrössern, denn wenn sie grösser und stärker wird, werden die mächtigeren Mitglieder der Gesellschaft darauf achten.

Die meisten der sozialen Veränderungen, die in den letzten 150 Jahren stattgefunden haben – die Rechte der Schwarzen, die Rechte der Frauen, die Rechte der Kinder, der Kampf der LGBT – haben alle mit einer kulturellen Infrastruktur begonnen. Sie mussten die Öffentlichkeit vorbereiten und eine soziale Koalition bilden. Du kannst die Gesellschaft nicht alleine verändern.“

Wird die Menschheit ohne wirtschaftliche Anreize vorankommen?

Die meisten Errungenschaften wurden nicht für Geld erfunden. Albert Einstein hat die Relativitätstheorie nicht erfunden, um Geld zu verdienen. Die Gebrüder Wright haben das Flugzeug nicht erfunden, um Geld zu verdienen.

Martin Luther King, Mahatma Gandhi, die feministische Bewegung, die LGBT-Bewegung – all diese Menschen haben an ihren Ideen gearbeitet, ohne auf das Ergebnis unter dem Strich zu achten.

In unserer Gesellschaft beschäftigen sich die Ministerpräsidenten und die Wirtschafts- und Finanzminister mit der Frage „Wie schaffen wir Arbeitsplätze“.

Die Frage sollte aber lauten: „Wie stellen wir Produkte her und wie verteilen wir sie effektiv?“

Jobs waren in der Vergangenheit, vor der Automatisierung, Mittel um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Wir müssen unser Denken über all diese Konzepte aufgrund all der neuen Informationen und der neuen Möglichkeiten, die sich uns in der Neuzeit eröffnet haben, erneuern.


Ich habe die Zukunft besucht, in der wir ohne Geld, Steuern und Besitz leben

The Venus Project: We Have the Resources

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