Andernach in Rheinland-Pfalz macht es bereits seit Jahren vor, inzwischen haben einige andere Städte nachgezogen: Die Orte verwandeln sich in sogenannte »essbare Städte«. Überall in den Grünanlagen wachsen Obst, Gemüse und Kräuter, biologisch angebaut und frei verfügbar für jeden, der mag.
Der Massenproduktion von Lebensmitteln den Rücken zuwenden
Der erste Vorreiter stammt aus England, die Kleinstadt Todmorden verwandelte sich schon sehr früh zur essbaren Stadt. Doch längst hat sich der »Virus« auch auf Kassel, Heidelberg, Halle, Freiburg, Minden und Borken in Westfalen ausgebreitet. Auch in Berlin gibt es eine lebendige Gartenbewegung, die einem ähnlichen Prinzip folgt: Der Massenproduktion von Lebensmitteln den Rücken zuwenden und sich endlich wieder lokal und umweltgerecht zu ernähren. In Andernach beispielsweise ernten die Spaziergänger im Vorbeigehen Salatköpfe und Kohlrabis, dazwischen blühen heimische Wildblumen. Der Tomatenanbau vergrößert sich rasant, jedes Jahr werden es mehr Pflanzen mit leckeren, sonnengereiften Früchten.
Sogar das Haushaltsbudget der Stadt profitiert von diesem Angebot: Die regelmäßige, jahreszeitenorientierte Neubepflanzung der städtischen Beete fällt weg, die Gemüse- und Obstplantagen benötigen insgesamt weniger Pflege als die aufwändigen Blumenrabatten. Außerdem gibt es immer wieder Freiwillige, die mit Hand anlegen, um einen möglichst hohen Ertrag an frischen Lebensmitteln zu erwirtschaften. Die von den Pflanzen hervorgebrachten Samen stehen natürlich ebenfalls zur freien Verfügung, mit dem Appell, sie im eigenen Garten auszubringen und schmackhafte alte Sorten zu vermehren.
Nicht nur gutes Essen zählt, sondern auch eine tragfähige Gemeinschaft
In Seattle, USA, dürfen sich die Einwohner sogar über einen 21.000 Quadratmeter großen »Food Forest« inmitten der Stadt freuen. Hier setzen die städtischen Gärtner und Hobby-Landwirte auf eine nachhaltige Permakultur, die sich an ökologischen Grundprinzipien orientiert. Nebenbei dient die Anlage als sozialer Treffpunkt mit Liegewiesen, Spielplätzen und Gemeinschaftsgärten für Anwohner, denn schließlich brauchen wir nicht nur gutes Essen zum Leben, sondern auch eine tragfähige menschliche Gemeinschaft. Dieses Projekt ist derzeit so ziemlich einzigartig, nicht nur bezüglich seiner Größe, sondern auch, weil eine Permakultur eben nicht nach Schema F funktioniert: Sie befindet sich ganz natürlich im stetigen Wandel und verlangt von den Menschen eine gewisse Anpassungsbereitschaft.
Andernach als essbare Stadt im Video:
»Betreten verboten« war gestern – »Iss mich!« ist heute
In Andernach befürchteten die Initiatoren zu Anfang, dass ihr Vorhaben eventuell durch Vandalismus zunichtegemacht werden könnte. Doch diese dunkle Vorahnung hat sich nicht bestätigt, ganz im Gegenteil: Die Gärten bleiben unangetastet, und die Menschen erfreuen sich an ihnen nicht nur optisch, sondern auch über die Geschmacksknospen. In der Wiener Neustadt gibt es mittlerweile ebenfalls einen Gemeinschaftsgarten mit leckeren Beerenfrüchten, Mangold, Weintrauben und vielem mehr – ganz ohne Zaun und grimmige »Betreten-Verboten«-Schilder. Und sogar das chinesische Shenzhen hat sich angesteckt! Dieser Trend darf sich gern noch weiter fortsetzen, denn was gibt es Schöneres, als unter blauem Himmel sein eigenes Mittagessen zu ernten?
Ein Blick auf die Gartenbewegung in Berlin:
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