Wie das Team um die Neurowissenschaftler Adam Weinberger und Professor Adam Green von der Georgetown University aktuell im Fachjournal “Nature Communications” (DOI: 10.1038/s41467-020-18362-3) berichtet, zeigen Menschen, mit der Fähigkeit, unterbewusst Muster zu erkennen und diese dann auch vorherzusagen, tatsächlich stärkere Glaubensvorstellungen an die Existenz eines wirkenden und ebenfalls in Mustern in das Universum eingreifenden Gottes. Die Studie ist die erste ihrer Art, die den Zusammenhang zwischen dem sogenannten inzidentellen Lernen und religiösen Glaubensvorstellungen untersucht hat.
Hintergrund:
Am besten erklärt sich der Begriff des inzidentellen Lernens durch ein Beispiel aus der täglichen Arbeit: Während der beabsichtigten (also intentionalen) Suche nach ganz bestimmter Information (z. B. mittels einer Online-Suchmaschine) muss meistens auch (relativ viel) weniger passende Information kognitiv bearbeitet werden. Aber: genau diese Informationsverarbeitung – die eben nicht absichtlich (nicht intentional) erfolgt – löst einen Lernprozess aus: es wird „inzidentell“ (also nicht absichtlich) gelernt. Sehr oft im täglichen Leben lernen wir nicht absichtlich, sondern „unabsichtlich“. In der englischsprachigen Literatur wird auch der Begriff „implicit learning“ verwendet. (Quelle: Wikipedia)
Auf die gleiche Art gibt es auch Menschen, die Muster in Dingen unbewusst und schneller wahrnehmen als ande und dann auch – ebenfalls unterbewusst – diese vorhersagen, bzw. das unbewusst erkannte und erlernte Muster nutzen, um Aufgaben, die sich daraus ergeben, zu lösen.
In ihrer Studie haben die Neurowissenschaftler und Neurowissenschaftlerinnen um Green zwei gänzlich unterschiedliche sozio-kulturelle religiöse Personengruppen untersucht: Zum einen in den vornehmlich Christen USA und zum anderen in Muslime in Afghanistan. Ziel der Untersuchungen war es, zu überprüfen, ob die Fähigkeit zum inzidentellen Mustererkennung eine Grundlage des Glaubens ist und wenn ja, ob dieser Verbindung auch in unterschiedlichen Kulturen und Glaubensvorstellungen zu finden ist.
Hierzu galt es zunächst jene Personen zu identifizieren, die eine ausgeprägte Fähigkeit zum inzidentellen Lernen haben. Dazu nutzten die Forscher einen anerkannten Test zur Bestimmung des sogenannten „implicit pattern learning“, also der unbewussten Mustererkennung und -erlernung. Hierbei bekommt die Testperson Punkte auf einem Bildschirm angezeigt und muss dessen Erscheinen durch die Betätigung eines Knopfes bestätigen, bevor der Bildpunkt wieder verschwindet. Ohne, dass die Testpersonen darüber informiert sind, können die Bildpunkte in wahlloser Abfolge oder in speziellen Sequenzmustern angezeigt werden. Menschen mit der Fähigkeit unbewusst Muster wahrzunehmen, reagieren nicht nur auf die Bildpunkanzeige, sondern – das zeigen ihre Drück-Reaktionen – nutzen das unbewusste erlernte Muster auch, um das Erscheinen zukünftiger Bildpunkte korrekt vorherzusagen.
Diesen Test führten die Neurowissenschaftler zum einen an einer Gruppe von 199 vornehmlich christlichen Teilnehmern in Washington D.C., sowie an 149 muslimischen Testpersonen in Kabul durch. Die Ergebnisse dieses Tests wurden dann mit Befragungen zu den religiösen Weltanschauungen der Teilnehmer in einen Zusammenhang gebracht.
Laut der Studie zeigen die Ergebnisse tatschlich eine Verbindung zwischen der Fähigkeit zum „implicit pattern learning“ und religiösen Gottesvorstellungen auf: „Der Glaube an einen Gott (oder Götter), die in unsere Realität ordnend eingreifen, ist ein Kernelement weltweiter Religionen“, so Green und führt dazu weiter aus: „Unsere Studie hatte aber auch nicht zum Ziel, die Frage nach der Existenz Gottes zu beantworten. Es ist eine Studie darüber, warum und wie unsere Gehirne dazu kommen, an einen Gott oder an Götter zu glauben.“
Als Hypothese vermuten die Forscher und Forscherinnen, dass Menschen, „deren Hirne gut um inzidentellen wahrnehmen von Mustern in ihrer Umgebung sind, auch eine Tendenz aufweisen, diese Muster der Hand höherer Mächte zuzuschreiben.“
Interessanterweise lassen die Ergebnisse auch Beobachtungen zur Frage zu, wie sich diese Verbindung mit zunehmendem Alter zu verändern scheint: „Die Daten legen nahe, dass wenn Kinder unbewusst Muster in ihrer Umgebung wahrnehmen, ihr Gottesglaube sich mit zunehmendem Alter ebenfalls selbst dann festigt, wenn sie in einem nicht-religiösen Haushalt aufwachsen“, so Green weiter. In gleicher Weise nehme der Gottesglaube von Kindern, die nicht die Fähigkeit zu unbewussten Mustererkennung haben, mit zunehmendem Alter tendenziell ab, selbst wenn sie in einem religiösen Haushalt aufwachsen.
Der für die Wissenschaftler jedoch spannendste Aspekt ihrer Untersuchungen ist hingegen jener, dass die Ergebnisse aus Afghanistan jenen aus Washington gleichen – ja sich fast schon replizierten, obwohl sie in gänzlich unterschiedlichen Kulturen ermittelt wurden.
„Afghanen und US-Amerikaner gleichen sich hier mehr als sie sich unterscheiden. Zumindest in jenen kognitiven Prozessen, die religiöse Glaubensvorstellungen betreffen, die der Welt um uns herum einen Sinn geben sollen. (…) Unabhängig von Glauben, legen die Ergebnisse der Untersuchungen also nahe, dass Gehirne, die für die unbewusste Mustererkennung prädisponiert sind, unabhängig von ihrer Umwelt oder dem religiösen Kontext auch eher dazu tendieren, an einen eingreifenden Gott zu glauben.
Zugleich unterstreichen die Forscher aber auch, dass weitere Studien notwendig sind, um definitive Schlussfolgerungen über die beobachteten Zusammenhänge ziehen zu können:
„Optimistisch betrachtet, könnten unsere Ergebnisse als Beweis für gemeinsame neuro-kognitive Grundlagen zwischen Gläubigen unterschiedlicher Glaubensrichtungen betrachtet werden.“
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