Siebzehnhundertneunundachtzig. – Wenn heute Kinder gefragt werden, wofür »1789« steht, werden sie auf »Anzahl von Genders« tippen, aber früher hat man in der Schule gelernt, dass am 14. Juli 1789 (einem Dienstag, übrigens) berühmterweise die Bastille erstürmt wurde.
Die Bastille war eine kleine Burg an einem Stadttor von Paris, gebaut im 14. Jahrhundert mit einem Wassergraben und einer Zugbrücke. Die Bastille sollte helfen, Paris gegen umherziehende englische Truppen zu schützen; ab dem 17. Jahrhundert wurde die Bastille als Staatsgefängnis genutzt.
Im Juli 1789 war die Stimmung in Paris tatsächlich ein klein wenig gespannt. Der König regierte am Volk vorbei (oder wie man heute sagen würde: es gelang ihm nicht, »den Untertanen seine Politik zu vermitteln«), die Menschen hatten Hunger. In der Stadt peitschten Agitatoren die Menge auf, einer von ihnen, ein Herr Camille Desmoulins, forderte die Bürger auf, sich Kastanienblätter zur Erkennung an den Hut zu stecken – eine frühe Form des »Hashtags«.
Als die Bürger am 17. Juli zur Bastille zogen um sich an der dort gelagerten Munition zu bedienen, saßen in den Kerkern nur noch sieben Gefangene ein, und die wohl verhältnismäßig komfortabel. Der Bastille-Kommandant wollte mit den Aufständischen verhandeln, doch als der Mob in den Innenhof eindrang, schoss eine Kanone in die Menge und es wurde gekämpft: hunderte bewaffneter, aufgeheizter Bürger gegen ein paar dutzend Invaliden, also ehemalige Soldaten, welche die Bastille pro forma bewachten – etwa 90 Menschen starben. Dem Kommandant wurde freies Geleit zugesichert, doch auf dem Weg zum Rathaus wurden ihm, einem alten Soldaten und einem Adligen die Köpfe abgeschlagen, diese wurden auf Mistgabeln gesteckt und höhnisch in einer Parade herumgetragen, wie es etwa heutige ISIS-Kämpfer tun würden – nach komplett unbestätigten Gerüchten skandierte der blutrünstige Mob: »Nous sommes plus!«
Die Erstürmung der Bastille (guter Text dazu bei welt.de) wurde erst im Nachhinein zum großen Revolutionssymbol aufgeblasen; damals war es eben der Versuch, extra-billig Schießpulver einzukaufen.
Manche Revolutionen und Aufstände werden im Nachhinein um- und schöngeschrieben. Wenn sich die Revolution an ihren Kindern sattgefressen hat, setzt sie sich hin und schreibt ihre eigene Geschichte auf. Die Revolution und die Geschichte der Revolution sind nicht immer deckungsgleich, manchmal nicht einmal im Datum (die Ereignisse rund um die Erstürmung der Bastille begannen eigentlich schon einige Tage vorher).
Manche Aufstände und Großdemonstrationen warten gar nicht erst aufs Nachhinein, um ihre eigene Geschichte umzuschreiben, manche schreiben sie bereits vorher und währenddessen um – besonders dann, wenn so interessierte wie interessante Finanziers mitmischen.
Demonstrationen in London
Es ist schon ein feiner, regelmäßiger Zufall: Wann immer globalistisch-postdemokratische Strippenzieher ein besonderes Anliegen haben, bilden sich rasch und wie aus dem Nichts riesige Demonstrationen, die exakt dieses Anliegen fordern.
In Deutschland hatten wir zuletzt den »wirsindmehr«-Aufmarsch (»Die Mehrheit liegt selten richtig, aber oft falsch«) und kurz vor den Wahlen den »Unteilbar«-Mob (»5 Mark und Bratwurst – wenn das System zur Demonstration ruft«). Islamisten und Israelfeinde marschieren an der Seite von Linken, Hauptsache sie marschieren. Palästinensische Flaggen sind okay, deutsche Flaggen sind ungern gesehen (siehe z.B. welt.de, 18.10.2018). Am Ende gibt es ein Rockkonzert, und keiner der Konzertbesucher (die von der Regierungs-PR zu Demonstranten umgedeutet werden) fragt, wer die teure Sause bezahlt und warum.
Auch in London wurde dieses Wochenende demonstriert:
Eine halbe Million gegen den Brexit – Es war einer der größten Protestzüge in London seit Jahren: Mehr als eine halbe Million Menschen haben für ein zweites Brexit-Referendum demonstriert – mit der Option, den EU-Ausstieg ganz abzuwählen. (tagesschau.de, 20.10.2018)
Im Artikel selbst wird es genauso gefühlig, wie man es vom deutschen Staatsfunk erwarten würde:
»Eine der Demonstrantinnen ist Sheetal. Sie ist mit ihren Kindern nach London gekommen. „Ich will, dass meine Kinder die gleichen Möglichkeiten haben, die ich auch hatte“, sagt sie. „Ich konnte frei reisen, überall in Europa arbeiten, wenn ich es wollte.“ Für Sheetal geht es darum, ein Teil von Europa zu sein. „Der Brexit basiert auf Lügen, die Abstimmung war nicht fair. Das Ganze hat doch niemand wirklich durchdacht.“
Wie so oft bei Propaganda werden auch hier emotionale und halbrichtige Motivationen angeboten, die eine demokratische Entscheidung aushebeln sollen, und die Selbstverständlichkeit, mit der es getan wird, ist erschreckend. Die Journalisten von heute treiben, was die Journalisten von früher aufdeckten und zerrissen.
Reden wir nicht drum herum: Diese plötzlich auftretenden Demonstrationen richten sich regelmäßig gegen demokratische Werte. Ich weiß nicht, ob ich es gruselig oder absurd finden soll, wenn beispielsweise letztens in Berlin dagegen demonstriert wurde (siehe welt.de, 7.10.2018), dass deutsche Juden sich ihre Parteimitgliedschaft frei aussuchen, und manche davon sich eben für die AfD entscheiden – Demonstrationen gegen eine Mitgliedschaft von Juden in den immer wieder durch antisemitische und anti-israelische auffallenden linken Parteien sind meines Wissens nicht geplant.
Moment, schauen wir genauer hin
Wie üblich steckt auch hinter dem Londoner Pro-Globalisten-Aufmarsch eine Organisation, von der Sie noch nie gehört haben – und, ich wage eine Prognose, von der Sie auch später nie wieder hören werden.
Diesmal heißt der Initiator: »People’s Vote«. – Ein banaler Name, der offensichtlich demokratisch klingen soll, während er das ziemlich genaue Gegenteil, nämlich die Revision einer demokratischen Entscheidung, anstrebt. Jemand mit tiefen Taschen scheint so lange abstimmen lassen zu wollen, bis die tatsächlich demokratischen Kräfte ermüden – und dann werden sie darauf bestehen, auf der ihnen genehmen »Entscheidung« für ewig zu beharren.
Haben Sie irgendeine Vorstellung, wer das sein könnte?
Dieses »People’s Vote« wurde im April 2018 gegründet mit dem Ziel, Anti-Brexit-Gruppen zu vereinen (laut bbc.co.uk, 15.4.2018) – betrachten wir einmal die Gruppen!
Die »European Movement UK« gibt es schon seit 1949; vor dem Referendum 2016 warben sie gegen den Brexit. Wollen wir heute wieder das alte Spiel »Six Degrees of George Soros« spielen? Na gut: Im Februar 2018 wurde berichtet, dass sie £182,000 (aktuell ca. 206.000 Euro) von George Soros‘ Open Society bekamen (laut theguardian.com, 11.2.2018). (Falls Sie zu Herrn Soros gerade kein Bild vor Augen haben, hier ist ein Foto von ihm im angeregten Gespräch mit Migrationspakt-Fan, Diplom-Politologe und SPD-Staatsminister Michael Roth, hier ein Filmchen, wie er von Jean-Claude »Ischias« Juncker geküsst wird.)
Der Verein »Scientists for EU« wurde 2015 von Mike Galsworthy und Rob Davison gegründet. Ganz allgemein für EU zu sein, egal was sie macht, kann ein einträgliches Geschäft sein (womit ich übrigens nicht gesagt habe, dass ich »gegen EU« wäre), wie überhaupt der Protest im Geiste postdemokratischen Globalismus ein gutes Business ist (siehe auch Links im Text »Wie redet man mit Moralin-Berauschten?«). George Soros spendete immerhin £35,000 ein Jahr an die Gruppe (laut theguardian.com, 11.2.2018).
Oder, noch ein Name wie aus der Werbeagentur-Retorte: »Best for Britain«, gegründet April 2017 – Soros spendete an sie bislang 800.000 britische Pfund (laut bbc.com, 5.6.2018).
»Our Future Our Choice«, gegründet Oktober 2017, auf deren Homepage steht: »OFOC is powered by: Best for Britain, Open Britain, and The European Movement« (laut ofoc.co.uk, abgerufen 21.10.2018) – es scheint also, dass einige Geldempfänger als Verteiler fungieren, so dass das »Six Degrees of George Soros« einen Schritt mehr braucht. Bei einigen Vereinen wird zwar keine Verbindung offiziell angegeben, doch sie teilen sich zufälligerweise dieselbe Büroadresse und vertreten dieselben Interessen, was natürlich mindestens Fragen aufwerfen könnte.
Nein, Soros ist nicht der einzige Spender, der PR-Kampagnen finanziert, die darauf hinzuwirken scheinen, so lange abstimmen zu lassen, bis den Gegnern das PR-Geld ausgeht und das gewünschte Ergebnis geliefert wird. Der Verein »Open Britain« etwa hat wohl kein Soros-Geld angenommen, verfolgt aber dieselben Ziele. Soros ist nicht der einzige Spender, der via Politik-PR die Demokratie nach seiner Vorstellung zurechtbiegen will, er ist nur bemerkenswert offen damit.
Die ersten Jahre der Postdemokratie
Eines Tages wird man Seminararbeiten über unsere Epoche schreiben, und sie werden so klingen:
In den ersten Jahren der ›Postdemokratie‹ riefen in westlichen Ländern fast jede Woche sogenannte ›Non Governmental Organisations‹ zu politischen Demonstrationen auf, bei denen für die Interessen von internationalen Konzernen und gegen die Stabilität des Rechtsstaats demonstriert wurde. Die psychologischen Beweggründe der Teilnehmer werden bis heute nicht vollständig verstanden, doch Psychologen fassen die damals ›Haltung‹ genannte Disposition heute unter ›Suizidalismus‹ zusammen. (aus Seminararbeit »Der Beginn der Postdemokratie«, eingereicht 2032 an der Kölner Erdoğan-Universität)
Würden Sie einem Menschen glauben, wenn eine 30%-Wahrscheinlichkeit besteht, dass er lügt? Sie wären zumindest sehr vorsichtig. Und bei 40%? Spätestens wenn das Gegenüber in 51% der Fälle die Unwahrheit sagt, ist es logisch gerechtfertigt, ihm prinzipiell nicht zu glauben.
Ich glaube keiner einzigen Demonstration, die mit billiger Moral und emotionalen Pseudo-Argumenten verbrämt die Interessen von Globalisten und Postdemokraten vertritt. Ich glaube keiner Demonstration, bei der die einladenden NGOs direkt oder indirekt vom Staat, von Investoren oder von Lobbyverbänden finanziert werden. Ich glaube ganz besonders keiner Demonstration, zu der Regierungspolitiker aufrufen.
Nein, ich glaube nicht, dass hinter allen aus dem Nichts auftauchenden Demonstrationen immer George Soros steckt, ich glaube nicht einmal, dass er hinter der Mehrheit steckt – er ist nur eitel und exponiert sich gern.
Zugleich: Ich halte die Annahme für begründet, dass hinter ausreichend vielen Demonstrationen heute intransparente Interessen stehen. Ich vermute: 100.000 Euro für eine Demo sind effektiver investiertes Geld als dieselbe Spende an eine Partei, es ist vom Image her vorteilhafter – und es ist genauso von der Steuer abziehbar. (Wobei ich fragen würde: Why not both? Warum nicht sowohl-als-auch? Doppelt hält besser.) Der moderne Stratege kauft nicht Politiker sondern Faktenchecker. Ich glaube schon lange nicht mehr dem propagandistischen Trick, Menschen zu Gratis-Konzerten heranzukarren und dann auf die Party-Teilnehmer das Etikett »Pro-Regierungs-Demonstranten« zu kleben.
Ich glaube keiner einzigen Demonstration (mehr), wenn sie wie aus dem Nichts kommt und für die Interessen von Globalisten und Postdemokraten eintritt. Ob die Tagesschau von 100 oder 100.000 Demonstranten spricht – wenn linke und machtnahe Medien (oder sogar Politiker) die Demonstration begrüßen, dann gehe ich aus vernünftigen Gründen zuerst davon aus, dass die Initiatoren bezahlte Polit-Profis sind und die Teilnehmer mit konkretem Druck oder mit Marketing-Tricks verführt wurden.
Wenn aus Nord-Korea gemeldet wird, dass 500.000 Menschen für die Politik der Regierung demonstrieren, dann glaube ich das so erstmal nicht. Wenn aus London oder Paris gemeldet wird, dass 500.000 Menschen für die Interessen von Globalisten demonstrieren, dann glaube ich das so erstmal nicht – und ich nehme niemanden ernst, der damit argumentiert.
Sicher, in Pjöngjang wie in Berlin finden sich bestimmt viele Menschen auf der Straße zusammen, ob die offiziellen Zahlen nun stimmmen oder etwas aufgeblasen sind, doch was diese Menschen treibt und welches Geld die notwendige Agitation bezahlt, das ist ein anderes und doch das eigentlich interessante Thema.
Wenigstens dein Name
Während die Französische Revolution wütete, wurden in der Pariser Conciergerie nicht nur Gefangene gehalten, sondern auch regelmäßig durch das Revolutionstribunal zum Tod auf der Guillotine verurteilt, insgesamt etwa 2700 Menschen. Heute listet ein spärlich eingerichteter Raum ihre Namen. Wenn der Mob und der selbstgerechte Wahnsinn sich ausgewütet haben, kannst du froh sein, wenn wenigstens dein Name in der langen Opferliste richtig geschrieben ist.
Menschen, die sich zum Demonstrieren mitreißen lassen, wissen nicht immer, für wen und für was sie demonstrieren. Manchmal, wie beim Sturm auf die Bastille, wird die Geschichte im Nachhinein verklärt. Manchmal, wie bei den aktuellen Demonstrationen in London oder Berlin, wird die Geschichte verklärt noch während sie passiert.
Ich glaube nicht dem Mob, der auf die Bastille stürmt, dass er nichts will als nur Gerechtigkeit zu schaffen. Es geht um Macht, es geht um Rache, und ganz wesentlich geht es darum, Munition und Schießpulver zu rauben. Ich glaube nicht den Demonstranten, die sich von teils aus dem Ausland finanzierten NGOs verführen lassen, gegen ihre eigenen Interessen zu demonstrieren – ich glaube allerdings, dass ein guter Teil von ihnen von Propagandisten verführt wurde.
Diese Großdemos für die Interessen von Globalisten sind keine traditionellen Demonstrationen, es sind Propaganda-Events, angeheizt von außerdemokratischen Akteuren.
Die Meinung der mobilisierten Masse darf dem mündigen Bürger kein Leitfaden für die eigene Meinungsbildung sein. Wenn du dir unsicher bist, welche Meinung du einnehmen sollst, dann vertritt im Zweifelsfall das Gegenteil dessen, was die Agitatoren auf diesen merkwürdigen Großdemos brüllen.
Höre immer auf dein Gewissen und deinen Verstand, ganz besonders dann, wenn der Mob das Gegenteil schreit. Du wirst dich womöglich vor beiden rechtfertigen müssen für deine Entscheidung, vor dem Mob wie vor dem Gewissen, doch von seinem Gewissen verurteilt zu werden ist schmerzhafter.
»Folge deinem Gewissen und deinem Verstand, nicht dem Mob und den Propagandisten« – ein einfacher Rat, ich weiß, und doch braucht es Arbeit und Mut; Mut aber braucht Übung – lasst uns also üben, der Masse zu widersprechen!
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