Boulder (USA) – Im direkten Widerspruch zu bisherigen offiziellen Vorhersagen von NASA und NOAA prognostiziert ein Team von US-Wissenschaftlern, dass der in diesem Herbst begonnene aktuelle Sonnenfleckenzyklus einer der stärksten seit Beginn der Aufzeichnung werden wird.
Wie das Team um den Sonnenphysiker Scott McIntosh und Direktor des US-amerikanischen Nationalen
Zentrum für Atmosphärenforschung (NCAR) aktuell im Fachjournal „Solar Physics“ (DOI: 10.1007/s11207-020-01723-y) berichtet, prognostizieren sie, dass der aktuelle Sonnenfleckenzyklus Nr. 25 mit einer maximalen Sonnenfleckenzahl zwischen ungefähr 210 und 260 seinen Höhepunkt erreichen wird. Damit würde der Zyklus alle bislang aufgezeichneten Sonnefleckenzyklen an Intensität übertreffen.
Hintergrund:
Der gerade zu Ende gegangene Sonnenfleckenzyklus Nummer 24 erreichte seinen Höhepunkt mit einer Sonnenfleckenzahl von 116. Auch die Konsensprognose eines Expertengremiums, das von der US-Raumfahrtbehörde (NASA) und der US-Behörde für Ozean und Atmosphäre (NOAA) einberufen wurde, geht bislang davon aus, dass der Nummer 25 ähnlich schwach ausfallen wird.
Entgegen den bisherigen Prognosen gehen die NCAR-Autoren und -Autorinnen nun aber davon aus, dass die Sonne überlappende 22-jährige Magnetzyklen aufweist, aus deren Wechselwirkung sich der rund 11-jährige Sonnenfleckenzyklus ergibt.
Die 22-Jahres-Zyklen wiederholen sich demnach wie ein Uhrwerk und könnten laut den Autoren der Studie ein Schlüssel für genaue Vorhersagen über den Zeitpunkt und die Art der Sonnenfleckenzyklen sowie über viele der von ihnen hervorgerufenen Effekte sein.
“Wissenschaftler sind schon lange darum bemüht, sowohl die Länge als auch die Stärke von Sonnenfleckenzyklen vorherzusagen, da bislang ein grundlegendes Verständnis des Mechanismus fehlt, der den Zyklus antreibt”, sagte McIntosh und führt weiter aus: “Wenn sich unsere Prognose als richtig erweist, werden wir Beweise dafür haben, dass unser Modell für das Verständnis der internen ‘Magnetmaschine’ der Sonne auf dem richtigen Weg ist.
In früheren Arbeiten skizzierten McIntosh und Kollegen bereits die Vorstellung eines verlängerten 22 Jahre-Sonnenzyklus auf der Grundlage von Beobachtungen heller koronaler Punkte (coronal bright points), also einem kurzzeitigen Aufflackern extremen ultravioletten Lichts in der Sonnenatmosphäre: „Diese hellen Punkte wandern über etwa 20 Jahre von den hohen Breiten der Sonne zum Äquator. Wenn sie die mittleren Breiten überqueren, fallen die hellen Punkte mit dem Auftreten von Sonnenfleckenaktivität zusammen.“
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McIntosh und Kollegen glauben nun, dass diese hellen Punkte die Bewegung von Magnetfeldbändern markieren, die sich um die Sonne winden. „Wenn sich die Bänder der nördlichen und südlichen Hemisphäre – die entgegengesetzt geladene Magnetfelder besitzen – am Äquator treffen, heben sie sich gegenseitig auf, was zu einem ‘Terminator-Ereignis“ führt.“ Diese Terminatoren sind laut McIntosh wichtige Marker für das 22-Jahres-Uhrwerk unserer Sonne, da sie gemeinsam mit dem entsprechenden Sonnenfleckenzyklus das Ende eines Magnetzyklus markieren und als Auslöser für den Beginn des folgenden Magnetzyklus dienen.
„Während sich ein Satz entgegengesetzt geladener Bänder etwa in der Mitte seines Weges zum äquatorialen Treffpunkt befindet, erscheint ein zweiter Satz in hohen Breiten und beginnt seine eigene Wanderung. Während diese Bänder in hohen Breiten mit einer relativ konstanten Rate auftreten – alle 11 Jahre -, verlangsamen sie sich manchmal, wenn sie die mittleren Breiten überqueren, was die Stärke des bevorstehenden Sonnenzyklus zu schwächen scheint.
Dies geschieht, weil die Verlangsamung jene Zeitspanne verlängert, in der sich die entgegengesetzt geladenen Bandsätze innerhalb der Sonne überlappen und gegenseitig stören. Die Verlangsamung verlängert den aktuellen Sonnenzyklus, indem das beschriebene Terminator-Ereignis verzögert wird, was wiederum die Produktivität des nächsten Zyklus vor Ort beeinträchtigen kann.
Abb. l. : Gegensätzlich geladene magnetische Bänder (rot und blau) wandern innerhalb eines 22-jährigen Zyklus von den Polen in Richtung des Sonnenäquators. Treffen sie hier aufeinander, lösen sie sich gegenseitig auf.
Abb. r. : Die obere Animation zeigt sie Gesamtanzahl der Sonnenflecken (Schwarz) und deren Verortung auf der nördlichen (rot) und südlichen (blau) Sonnenhälfte. Unten sind die jeweiligen Positionen der Sonnenflecken dargestellt.
Copyright/Quelle: NCAR
Ihr Modell basiert auf der 270-jährigen Beobachtungsaufzeichnung von Terminator-Ereignissen und stellt fest, „dass ein nächster Zyklus umso schwächer ausfällt, je länger die Zeit zwischen den Terminatoren ist”, erläutert die Mitautor der Studie Bob Leamon, Sonnenforscher an der University of Maryland. “Umgekehrt ist der nächste Sonnenzyklus umso stärker, je kürzer die Zeit zwischen den Terminatoren ist. Diese Korrelation war für Wissenschaftler in der Vergangenheit schwer zu erkennen, da sie traditionell die Länge eines Sonnenfleckenzyklus vom Sonnenminimum zum Sonnenminimum gemessen haben, die aber eher anhand eines Durchschnitts als eines genauen Ereignisses definiert wird.“
In der aktuellen Studie haben die Forscher nun von Terminator zu Terminator gemessen, was eine viel größere Präzision ermögliche: „Während Terminator-Ereignisse ungefähr alle 11 Jahre auftreten und den Beginn und das Ende des Sonnenfleckenzyklus markieren, kann die Zeit zwischen Terminatoren um Jahre variieren.
…So begann etwa der Sonnenfleckenzyklus Nummer 4 im Jahre 1786 mit einem Terminator und endete 1801 mit einem Terminator – ganze 15 Jahre später. Der folgende Zyklus Nummer 5 war mit einer Spitzenamplitude von nur 82 Sonnenflecken unglaublich schwach. Dieser Zyklus wurde als Beginn des “Dalton-Minimums“ bekannt.
In ähnlicher Weise begann der Sonnenfleckenzyklus 23 im Jahr 1998 und endete erst 2011: 13 Jahre später. Nummer 24, der gerade zu Ende geht, war ebenfalls ziemlich schwach, aber mit 10 Jahren auch relativ kurz. Genau das ist nun auch die Grundlage für die Vorhersage der neuen Studie, laut der der neue Sonnenfleckezyklus 25 besonders stark sein wird: “Sobald Sie die Terminatoren in den historischen Aufzeichnungen identifiziert haben, wird das Muster offensichtlich”, sagte McIntosh abschließend. “Ein schwacher Sonnenfleckenzyklus 25, wie ihn andere Sonnenforscher vorhersagen, wäre eine völlige Abkehr von allem, was uns die Daten bis zu diesem Zeitpunkt gezeigt haben.“
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